MAZEDONIEN IN DER
GESCHICHTE.
Sagen und Helden der alten
Geschichte reckten sich wieder vor unseren
geistigen Augen empor, als wir den Grenzen Mazedoniens zustrebten. Wie
wird es
aussehen, dies Land, dessen Reichtum und Fruchtbarkeit
älteste Geschichtsschreiber
gepriesen haben, um dessen Besitz Kämpfe entbrannten, solange es
eine
Geschichte Europas gibt? Philippus und mehr noch sein Sohn Alexander
der Große
bezeichnen die höchste Machtentwicklung des mazedonischen
Weltreiches. Weit,
weit hinein ins Morgenland erstreckte sich Alexanders Machtbereich, bis
zu den
Ländern des Euphrat und Tigris, in denen auch heute wieder
gekämpft wird um
eines anderen Weltreiches Glanz und Geltung.
Wo sind die Spuren aus jener alexandrinischen Zeit, die Zeugen seiner Weltmacht geblieben? Verweht, verfallen, wie mit Alexanders frühem Tode (332 v. Chr. Geb.) sein Reich in Trümmer fiel. Der marmorne Prunksarkophag Alexanders steht heute im Museum in Konstantinopel, ein Triumphtor in Saloniki trägt seinen Namen, wenige Steine mit schwer zu entziffernder, oft kaum noch erkennbarer Inschrift sind in seinem Vaterlande als kümmerliche Zeichen seiner Größe verblieben.
Auf seines Reiches Trümmern baute sich ein neues Weltreich auf, das römische, und Mazedonien ward römische Provinz. Straßen und Brücken, Säulenstümpfe und Kapitale zerstörter Tempel, Grenzwälle, Siedlungen, Bergwerke mahnen heute noch an die zäh erwerbende, gestaltend verwertende Hand der großen Kaiser Roms. Wir wissen, Mazedonien war ihnen eine reiche Kornkammer, die zu schützen der Grenzwall immer weiter über den Balkan hinausgeschoben wurde, wir wissen, sie zogen aus dem Inneren der Berge deren mineralische Schätze, Eisen, Kupfer, Silber, Zinn, auch Gold. Als mit der Teilung des römischen Reiches neben dem ewigen Rom in Byzanz eine zweite Kaiserstadt erstand, wurde Mazedonien ein Teil des oströmischen Reiches.
Seine Bewohner waren jedoch nicht mehr die alten Dacier geblieben, sie hatten sich vermischt mit Griechen und Römern und von den Ufern des Pontus Euxinus her, aus dem mittelasiatischen Gebiete der Menschheitswiege waren neue Völkermassen hereingeströmt, die bald ganz Mazedonien durchdrangen, gegen Byzanz steh wehrten und behaupteten. Dieses waren die Stammväter der Bulgaren. Sie errichteten ein großbulgarisches Reich, von dem Mazedonien bald ein fester Bestandteil wurde. Die Namen der Zaren Simeon und Samuel (um 1014) bezeichnen die Höhepunkte altbulgarischer Machtentwicklung. Zar Samuel wehrte sich heldenhaft gegen den Ansturm der byzantinischen Heere des Kaisers Basilius II., aber der Übermacht mußte er unterliegen. Hielt jedoch Byzanz sein Szepter auch weiterhin über Mazedonien und das altbulgarische Reich, so durchdrang dennoch der bulgarische Volksstamm fast völlig das mazedonische Land. Was an alten Zeugen jener Zeit sich noch erhalten hat, außer Sprache und Volkssitte, das sind vornehmlich kirchliche und klösterliche Bauten. Sie zeigen fast durchgängig Anklänge an byzantinische Bauart und Technik. Nicht wenige lassen sich bis ins 8. oder 9. Jahrhundert zurückdatieren. Auch an alten Wandmalereien ist einiges erhalten aus frühester Zeit und der Kunsthistoriker dürfte in abgelegenen Städten und Klöstern noch manches Unbekannte finden, daraus sich die Entwickelung der modernen bulgarischen Sakralkunst aus der byzantinischen erweisen ließe.
Nachdem im Jahre 1453 Byzanz bezw. Konstantinopel in die Hände Mohameds II. gefallen war, kam Mazedonien bald an das Türkenreich, dessen kühne und siegreiche Heerscharen immer weiter nordwärts drangen, bis ihnen vor den Toren Wiens und dann bei Belgrad durch habsburgische Heere ein Halt geboten wurde. Unier türkischer Herrschaft allein kam Mazedonien nie zur Ruhe. Begehrlich richteten die Nachbarvölker ihr Auge auf das blühende, fruchtbare Land. Die Vielfältigkeit der Abstammung seiner Bewohner führte zu dauernden Reibungen, Aufständen und Kleinkriegen. Räuber und Bandenwesen bildeten sich, die in den ehemals weite Flächen des Landes deckenden Wäldern Unterschlupf fanden. Die Unsicherheit ward so groß, daß nicht nur Reisende bis in die neueste Zeit sich kaum ins Innere des Landes wagen durften, sondern auch der einzelne Bewohner auf ständiger Hut gegen Überfall, Raub und Plünderung Waffen im sicheren Verstecke hielt. Serben und Griechen, letztere namentlich unter dem Einflüsse ihres Klerus, schürten immer wieder von neuem die fortglimmenden Feuer des Aufstandes an. Bald ward türkisches Militär gegen bulgarische, bald gegen albanische oder griechische Dörfer gesandt, um Ruhe zu schaffen. Zum Schütze gegen das Räuberunwesen wurden die herrlichen Wälder von Buchen, Eichen und Koniferen abgeschlagen oder auch verbrannt.
In aller Erinnerung ist schließlich die
Entwickelung der
Balkanstaaten seit den 70er Jahren und die damit noch
unausgeführte erst in den
Balkankriegen versuchte Lösung des mazedonischen Problems.
Unvergeßlich ist der
prachtvolle, todesmutige Ansturm des bulgarischen Heeres und nach dem
schmählichen Verrat seiner vordem Verbündeten, sein
tragisches Verzichtenmüssen
auf Mazedonien, das nach Art und Gesinnung der überwiegenden Zahl
seiner
Bewohner zu Unrecht unter serbische Hoheit kam. (1913 Frieden von
Bukarest.)
Nun aber ist zu hoffen, daß nach dem Zusammenbruch der
unnatürlichen serbischen
Herrschaft ein befreites Mazedonien unter dem
rechtmäßigen bulgarischen
Szepter zur Ruhe kommen und neu erblühen werde, würdig seiner
althistorischen
Heroenzeit, seiner natürlichen Schätze und begnadeten
bodenwirtschaftlichen
Beschaffenheit, als eine Frucht jenes fürchterlichsten aller
Kriege, in dem der
tapfere bulgarische Soldat den ehernen Querwall mit errichten half
zwischen
slawischen Machtgelüsten und britischem Egoismus.