Eine Schule für Attentäter

Die Rückschläge der kommunistischen Bewegung in Jugoslawien lassen Moskau aufhorchen. Man sucht nach anderen Mitteln, um den König zu beseitigen, ohne daß dabei die KP Jugoslawiens kompromittiert würde. Es ist natürlich nicht mehr festzustellen, wer als Erster in Moskau auf die Idee gekommen ist, die separatistischen Bewegungen innerhalb Jugoslawiens zur Ermordung des Königs anzustacheln. Was dabei für den Kreml zu gewinnen ist, liegt auf der Hand: Nicht den Kommunisten, sondern den nationalistisch-separatistischen Bewegungen wird das Odium des Königsmordes anhaften. Gleichzeitig muß aber das Verschwinden des Königs die Position Jugoslawiens in der südosteuropäischen Völkerfamilie schwächen, die Wühlarbeit aller zentrifugalen Kräfte im Lande den Einfluß Moskaus verstärken. Die kommunistische Bewegung wird in einer solchen Atmosphäre des Terrors einen ausgezeichneten Nährboden finden. Es bestehen berechtigte Hoffnungen, daß ein schwaches Regenten-Regime nach dem Tode des Königs die Macht übernehmen wird. Der Thronfolger Peter ist noch ein Kind, und es gibt in Jugoslawien eine ganze Reihe von Politikern, die die Bedenken Alexanders gegenüber der Sowjetunion nicht teilen und gegen eine diplomatische Anerkennung der UdSSR nichts einzuwenden hätten. Ebenso ist zu vermuten, daß die Männer, die nach dem Tode Alexanders die Zügel in die Hand nehmen werden, auch die Aktionen der russischen Emigranten nicht mehr finanzieren wollen. Tatsächlich haben sich diese sowjetischen Erwartungen nach dem Tode König Alexanders auch erfüllt.

Trotzdem gibt es auch dann noch eine kräftige politische Gruppe, die die Politik des verstorbenen Königs weiter verteidigt und sich gegen die diplomatische Anerkennung der Sowjetunion durch Jugoslawien stemmt. Mit welchen eigenartigen Mitteln die Sowjetregierung damals versucht, diese Opposition zum Schweigen zu bringen und zu unterhöhlen, beweisen jugoslawische Presseberichte aus dem Jahre 1938, nach denen der Kreml dem Oberhaupt des Regentschaftsrates, Prinz Paul, eine unvorstellbar hohe Geldsumme anbot, um ihn zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Belgrad und Moskau zu bewegen. Prinzregent Paul ist mit der russischen Fürstenfamilie Demidow verwandt, deren Güter in Rußland nach 1917 enteignet worden sind. Nun erklärt sich die UdSSR bereit, dem Prinzen den Gegenwert dieser Besitzungen in englischer Währung auszuzahlen, wenn er der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen den beiden Ländern zustimmt. Es läßt sich nicht kontrollieren, was an diesen Meldungen wahr ist. Auf jeden Fall erscheint es absurd, dem Prinzen, einem Manne von hoher und lauterer Gesinnung, zu unterstellen, er hätte sich auch nur in formlose Gespräche auf dieser Grundlage eingelassen. Aber den Machthabern im Kreml ist ein solcher plumper Versuch der Korrumpierung durchaus zuzumuten. Sollten die Memoiren des jetzt in der Emigration lebenden ehemaligen Regenten je erscheinen, würden sie wahrscheinlich Klarheit über diese weder bestätigten noch dementierten Gerüchte verschaffen.

Die Kommunistische Internationale macht sich nach dem Zusammenbruch der KPJ daran, die kroatische und die mazedonische Separatisten-Bewegung zu unterwandern. Mit den Exil-Kroaten, die sich hauptsächlich in Italien, Ungarn und Österreich aufhalten, ist das schwieriger zu bewerkstelligen, da sie ausnahmslos katholisch und anti-kommunistisch gesinnt sind; zugänglicher zeigen sich dagegen die Exil-Mazedonier in Sofia, Petritsch und Küstendil. Die kommunistische Zersetzung in Bulgarien kann in den zwanziger und dreißiger Jahren schon ziemliche Fortschritte verzeichnen. Dazu tragen auch die diplomatischen Beziehungen bei, die zwischen Moskau und Sofia wiederhergestellt worden sind. In Bulgarien befindet sich das wichtigste sowjetische Spionagezentrum für Jugoslawien (eine kleinere Spionagegruppe operiert von Wien aus). Seine Agenten sind sowohl in der bulgarischen Verwaltung wie auch in der mazedonischen Separatisten-Bewegung VMRO (2) tätig.

Aber Moskau läßt auch die Kroaten nicht aus den Augen. Die kroatische Exil-Bewegung, die Ustaša (3), hat ungefähr im Jahre 1931 in Ungarn ein abgelegenes Landgut erworben. Auf diesem Gut namens Janka Puszta werden ausgesuchte kroatische Nationalisten im Gebrauch von Handfeuerwaffen ausgebildet mit dem Ziel, sie später als Agenten nach Jugoslawien einsickern und dort Terrorakte verüben zu lassen. Das Oberhaupt der kroatischen Separatisten-Bewegung, Dr. Ante Pavelić, der sich in Italien aufhält, hat einen seiner treuesten Mitarbeiter, Gustav Perčec, mit der Leitung der Schule für Terroristen betraut.

Im Sommer 1932 erhalten etwa 40 kroatische Terroristen ihre militärische Ausbildung auf dem Gute. Eine solche Menschenansammlung kann selbstverständlich der Aufmerksamkeit der jugoslawischen Polizei nicht entgehen, zumal ein Teil dieser Kroaten direkt aus Jugoslawien nach Janka Puszta gekommen ist. Da bekannt ist, daß Gustav Perčec ein großer Damenfreund ist, entschließt sich der Chef der Zagreber Polizei, Dr. Janko Bedeković, eine seiner schönsten und intelligentesten Agentinnen nach Ungarn zu schicken. Diese Frau, eine brünette Schönheit, die etwas zur Üppigkeit neigt, heißt Jelka Pogorelec und ist von Beruf Tänzerin. Sie stellt sich Perčec als glühende kroatische Nationalistin vor, und es gelingt ihr, seine Freundin zu werden. Sie läßt sich in Janka Puszta nieder. Auf Schleichwegen schickt sie regelmäßig ihre Berichte nach Zagreb. So gewinnt die königlich-jugoslawische Polizei ein ziemlich klares Bild über die Tätigkeit nicht nur auf dem ungarischen Gut, sondern der kroatischen Nationalisten-Bewegung überhaupt. Perčec hätte zuerst versucht, so meldet Jelka, ein Gut in der Nähe der ungarischen Stadt Sopron, unweit der österreichischen Grenze, zu pachten, um so in engerer Verbindung mit der starken österreichischen Gruppe der kroatischen Emigration bleiben zu können. Als ihm das nicht gelang, pachtete er das abgelegene Janka Puszta, wo er sich als Herr über Leben und Tod der ihm anvertrauten Männer gebärdet. Er läßt sie feierliche Eide schwören, daß sie nicht von der terroristischen Organisation abfallen, und daß sie ihm blindlings gehorchen würden. Gleichzeitig müssen sie aber wie Sklaven auf seinem Gut arbeiten. Ihre Freizeit geht für die terroristische Ausbildung drauf; allmählich begreifen die armen Terroristenschüler, daß sie sich mit der Flucht aus dem diktatorisch regierten Jugoslawien nach Janka Puszta vom Regen in die Traufe begeben haben.

Zunächst wagen es nur wenige entschlossene Männer, sich aufzulehnen. Erst allmählich wird die Aufsässigkeit stärker, so daß sich Perčec schließlich nur noch schwerbewaffnet auf seinem Gut sehen lassen kann. Er fürchtet nicht ohne Grund, daß die Leute, die er im Schießen und Bombenwerfen unterrichtet hat, zuerst ihn und dann erst die verhaßten Würdenträger des Belgrader Regimes umbringen würden. Mehrmals muß Dr. Pavelić Emissäre nach Janka Puszta schicken, um Lehrer und Schüler wieder miteinander zu versöhnen. Der schönen Agentin Jelka gelingt es nachher dann immer wieder, ihren Liebhaber gegen die eigenen Leute aufzuwiegeln und aufs neue Uneinigkeit und Zwietracht zu säen. Es ist leicht zu verstehen, wenn drei volle Jahre verstreichen, ohne daß ein einziger Terrorist aus Janka Puszta die jugoslawische Grenze überschreiten kann, um seine Kenntnisse auch in der Praxis zu erproben.

Mit der Zeit begreift man auch in Turin, wo Pavelić damals residiert, daß in Janka Puszta irgend etwas nicht stimmen kann. Es wird ein Untersuchungsausschuß gebildet. Durch jugoslawische Emigranten, die nach Italien kommen, bringt man endlich in Erfahrung, daß Jelka Pogorelec einst in Zagreb sehr enge Verbindungen zur politischen Polizei unterhalten hat. Ein Abgesandter Dr. Pavelićs, namens Perčević, überbringt dem Herrn von Janka Puszta die dringende Aufforderung, sich von seiner Maitresse zu trennen. Statt dieser Empfehlung Folge zu leisten, verläßt Perčec jedoch Janka Puszta für immer und siedelt sich mit Jelka, die er um keinen Preis verlassen will, und mit dem Kind, das sie ihm inzwischen geboren hat, in Budapest an. Wenige Tage später verschwindet sie, um in Zagreb wieder aufzutauchen; ihre Mission in Ungarn ist beendet.

Jelka wird vom königlichen Regime für ihre Dienste ausgiebig belohnt. Da sie sich in Kroatien bedroht fühlt, siedelt sie in die bosnische Hauptstadt Sarajewo über. Als 1941 der deutsch-jugoslawische Krieg ausbricht und Kroatien seine Unabhängigkeit ausruft, ist Jelka nur noch eine dicke verblühte Frau mit wenigen Spuren ihrer einstigen Schönheit. Sie weiß nur zu gut, daß die kroatischen Nationalisten nach ihr fahnden werden und versucht, nach Serbien zu fliehen. Unterwegs wird sie jedoch von kroatischen Nationalisten erkannt und ins Zagreber Hauptgefängnis gebracht. Dort bringt sie nach schweren Mißhandlungen eine lange Beichte über ihre frühere Tätigkeit zu Papier. Im Mai 1942 besucht der kroatische Staatschef Dr. Ante Pavelić das Gefängnis und führt mit Jelka eine lange Unterredung unter vier Augen. Danach wird sie erschossen. Man vermutet, daß Pavelić von Jelka, die so manches Polizeigeheimnis des königlichen Regimes kannte, kompromittierendes Material über die Vergangenheit einiger seiner Mitarbeiter besorgen wollte, von Jelkas Eröffnungen aber so entsetzt war, daß er die unbequeme Zeugin schleunigst verschwinden ließ.



Dr. Ante Pavelić, hier in der Uniform des „Poglavnik" (Staatstührers) von Kroatien (1941—1944).

Die königliche Polizei Jugoslawiens ist aber nicht die einzige Stelle, die Berichte über die Tätigkeit der kroatischen Nationalistenbewegung erhält. Sowjetischen Agenten in Österreich gelingt es, einen der Führer der Separatistenbewegung, den ehemaligen k.u.k.-Obersten Duić, zu bestechen.

Die in Italien ansässigen Führer der kroatischen Emigranten mit Pavelić an der Spitze und die österreichische Emigrantengruppe um den ehemaligen k.u.k.-General Sarkotić und den Obersten Duić sind sich nicht in allen Fragen der umstürzlerischen Taktik einig. Sarkotić fühlt sich dazu berufen, Führer aller kroatischen Emigranten zu werden, während Dr. Pavelić die gleiche Würde für sich beansprucht. Bei diesen fruchtlosen Reibungen verbrauchen sich die Kräfte der Emigranten, so daß die eigentlichen Ziele der nationalistischen Bewegung — die Agitationsarbeit in Jugoslawien selbst und die Entsendung von Gruppen bewaffneter Terroristen — nicht einmal in ihren Ansätzen verwirklicht werden. Außerdem glaubt die Pavelić-Gruppe, ihre Ziele ließen sich am besten mit Unterstützung des faschistischen Italien verwirklichen, während die Sarkotić-Gruppe in Ungarn, in Österreich und in Bulgarien Unterstützung sucht. Diese ziemlich verworrene Lage wird dadurch noch komplizierter, daß sich Moskau in das Spiel einmischt. Es ist bezeichnend, daß die Sowjets es auch später, in den Zeiten der besten Beziehungen zwischen Moskau und Belgrad von 1945 bis 1947, nicht der Mühe wert finden, ihre jugoslawischen Bundesgenossen über die Manöver zu unterrichten, die damals vom Kreml hinter dem Rücken der jugoslawischen KP unternommen worden sind. Obwohl es sich hier um historisch weit zurückliegende Ereignisse handelt, lassen die Sowjets sogar einige Jugoslawen, die lange Jahre in Moskau gewirkt haben, formelle Verpflichtungen unterzeichnen, daß sie nach ihrer Rückkehr nach Jugoslawien über alles, was sie in der Sowjetunion erfahren haben mochten, Stillschweigen bewahren werden. Unter ihnen befindet sich auch der greise Gewerkschaftsführer Djuro Salaj, der, obwohl er unter dem Regime Tito höchste Posten bekleidet, auch tatsächlich bis zu seinem 1958 erfolgten Tode schweigt. Erst in den von ihm hinterlassenen Aufzeichnungen finden sich spärliche Hinweise auf die untergründigen Bemühungen Moskaus um ein Attentat gegen König Alexander. Salajs Aufzeichnungen befinden sich jetzt im Historischen Archiv des Zentralkomitees der KP Jugoslawiens. Sie enthalten noch weitergehende Angaben über die ständige Einmischung Moskaus in jugoslawische Angelegenheiten. Es ist nicht ausgeschlossen, daß sich Belgrad, sollten sich die Beziehungen Moskau—Belgrad einmal verschlechtern, zur Veröffentlichung einiger Auszüge aus den Aufzeichnungen Djuro Salajs entschließen wird.

Trotz aller Geheimnistuereien des Kreml ist das Tito-Regime recht gut über die zweigleisigen Manöver Moskaus in den zwanziger und dreißiger Jahren unterrichtet. 1945 geraten viele kroatische Nationalistenführer in Titos Hände. Diese "Würdenträger des kurzlebigen unabhängigen Kroatien mit Marschall Slavko Kvaternik und General Perčević an der Spitze werden als „Kriegsverbrecher" von den westlichen Alliierten an Tito ausgeliefert.

Außerdem gelingt es der jugoslawischen Geheimpolizei mehrere Jahre später, eine Gruppe von kroatischen Nationalistenführern ins Land zu locken und sie ebenfalls zu diesem Thema zu vernehmen. Sowohl die erste Personengruppe wie auch der Anführer der zweiten Gruppe, Oberst Ljubo Miloš", waren ausgezeichnet über die sowjetischen Kontakte zu kroatischen und mazedonischen Nationalisten und über die Bemühungen Moskaus unterrichtet, beide Emigrantengruppen zum Mordanschlag gegen König Alexander zu bewegen. In der Hoffnung, dadurch ein milderes Urteil zu erwirken, geben sie im Laufe einer Untersuchung, die mehrere Monate dauert, alle ihre Kenntnisse zu Protokoll. Dessen ungeachtet werden sie alle hingerichtet.

Während des Tito-Stalin-Konfliktes etwa um 1951 werden die Geständnisse Kvaterniks, Miloš und anderer Kroatenführer in einer begrenzten Auflage von 300 Exemplaren als Manuskript veröffentlicht. Mit dem Vermerk „Streng geheim" wird das Buch in der Druckerei der UDBA (der jugoslawischen Geheimpolizei) in der Gračanička-Straße hergestellt. Es soll zur exklusiven Information höherer Parteiführer und Funktionäre der Geheimpolizei dienen. Sollte sich Belgrad irgendwann entschließen, diese Aussagen freizugeben, so könnte dadurch einwandfrei erwiesen werden, daß Moskau und seine wissenden oder ahnunglosen Werkzeuge in den Reihen kroatischer und mazedonischer Nationalisten für den Tod König Alexanders I. mitverantwortlich sind.

Mit der Aera Chruschtschew scheint sich eine Aussöhnung zwischen Moskau und Belgrad anzubahnen. Vorübergehend verstummt auch der laute Propagandastreit um die sowjetische Mitschuld am Marseiller Königsmord. Aber der Frühling in den sowjetisch-jugoslawischen Beziehungen hält nicht lange an. Moskau beginnt wieder mit den nationalistischen Bewegungen der verschiedenen Länder Jugoslawiens zu flirten, und besonders die Person des ermordeten Königs, dessen Andenken vor allem den serbischen Nationalisten heilig ist, wird dabei zu einem Trumpf im Moskauer Spiel.

Wie Marschall Kvaternik, Oberst Milos und andere vor ihrem Tode zu Protokoll geben, haben die sowjetischen Agenten im Jahre 1932 versucht, Kontakte zur italienischen Gruppe der kroatischen Nationalisten herzustellen. Deren Anführer, Dr. Ante Pavelić, hat sich aber der Politik Mussolinis verschrieben, sogar stärker als es seinen Anhängern lieb sein kann. Um sich die Unterstützung des Duce zu sichern, verspricht ihm Pavelić den Verzicht Kroatiens auf mehrere Gebietsteile und Städte zugunsten Italiens, ein Versprechen, das der kurzlebige kroatische Staat des Poglavnik neun Jahre später auch einlöst. Diese engen Bindungen an den italienischen Faschismus, aber auch andere ideologische und religiöse Prinzipien, gestatten es der Pavelić-Gruppe damals nicht, mit Moskau irgendwelche offizielle Abmachungen zu treffen. Die Verhandlungen mit den Unterhändlern Moskaus führen zu keinem Ergebnis, ausgenommen zur Erkenntnis, daß auch die Sowjetunion den territorialen Fortbestand des Königreichs Jugoslawien nicht befürwortet.

Um eine Nuance aufgeschlossener verhält sich die Wiener Gruppe unter der Führung von Sarkotić und Duić. Ihnen leuchten die Argumente der sowjetischen Verhandlungspartner ein, daß weder Kroaten noch Mazedonier ernsthafte Aussichten auf die Unabhängigkeit ihrer Länder haben, solange König Alexander am Leben ist. Beiden Separatistenbewegungen wird vorgeschlagen, ihre Kräfte zu vereinigen und ihre Aktionen zu koordinieren, um als erste Voraussetzung für die Auflösung Jugoslawiens die Beseitigung des Königs zu bewerkstelligen. Darüber hinaus versichern die Emissäre Moskaus, auch die KP Jugoslawiens habe Direktiven von der Komintern erhalten, die Tätigkeit beider Separatistengruppen im Lande selbst nach Kräften zu unterstützen. Ja, sie bieten sogar an, den Exil-Kroaten ausführliche Berichte über politische, militärische und wirtschaftliche Geheimnisse Belgrads zur Verfügung zu stellen, die aus einem außerhalb der jugoslawischen KP tätigen Agentennetz stammen. Sie deuten unmißverständlich an, daß dieses Agentennetz dafür eingespannt werden könnte, die günstigsten Möglichkeiten für einen Mordanschlag auf den König zu erkunden. Die Gruppe um Sarkotic kann und will jedoch keine endgültige Vereinbarung mit den Sowjets treffen, ohne vorher die italienische Gruppe der Exil-Kroaten mit Pavelić an der Spitze zu konsultieren. Nach mehrwöchigen Beratungen einigt man sich darauf, eine beschränkte de facto-Zusammenarbeit mit Moskau zu akzeptieren, ohne sich für den Fall der Verwirklichung eines unabhängigen Kroatiens irgendwie festzulegen. Als besonders einleuchtend machen sich die Exilkroaten das sowjetische Argument zu eigen, wonach ein Attentat auf den König der erste Schritt zur Befreiung aus dem jugoslawischen Völkerverband wäre. Ebenso beschließt man, die in Aussicht gestellte Hilfe des sowjetischen Geheimdienstes in Anspruch zu nehmen. Kurz danach findet auch in Wien ein Treffen mit mazedonischen Separatisten statt, die unter der Führung von Iwan Mihailow stehen, etwas später noch ein zweites Treffen in Rom. Die gemeinsamen Vorbereitungen zum Königsmord laufen bald auf vollen Touren. Aus Prestigegründen wird vereinbart, daß das Attentat von einer gemischten kroatisch-mazedonischen Gruppe ausgeführt werden soll.

Moskau löst sein Versprechen über die Zusammenarbeit zwischen der KP Jugoslawiens und den separatistischen Bewegungen tatsächlich auch ein. Das jugoslawische ZK der Partei wird angewiesen, die kroatischen und mazedonischen Separatisten zu unterstützen und deren Ziele zu popularisieren. Diese neue Taktik findet ihre offizielle Formulierung auf dem VII. Kongreß der Kommunistischen Internationale 1935 in Moskau. Unter anderem wird etwas beschlossen, was schon seit Jahresfrist praktiziert wird: die KP Jugoslawiens solle sich mit allen bürgerlichen separatistischen Kräften verbünden und das nicht nur mit Kroaten und Mazedoniern, sondern auch mit ungarischen und albanischen Irredentisten, mit kleineren Gruppen der Anhänger der Dynastie Habsburg und mit pro-italienischen Elementen in Dalmatien.

Die KP Jugoslawiens, die die Anweisungen der Komintern blind befolgt, schließt mit den Führern des kroatischen Separatismus' nun sogar  einen höchst  formellen  Bündnisvertrag.  Die  operettenhaften Umstände, unter denen das geschieht, sind nur in einem balkanischen Milieu denkbar: Der Vertrag wird 1937 im Zuchthaus Sremska Mitrovica abgeschlossen, wo sowohl einige führende KP-Funktionäre wie auch die im Lande lebenden Führer der kroatischen Bewegung Freiheitsstrafen verbüßen. Im Namen der KP unterschreibt der Partei-Theoretiker Moša Pijade, einer der nächsten Mitarbeiter Titos, im Namen der Kroaten Stipe Javor. Vor den Augen der ahnungslosen Wächter wird der feierliche Abschluß des Vertrages mit einem Zechgelage gefeiert, bei dem die kroatischen Nationalisten kommunistische Kampflieder und die Kommunisten die verbotene kroatische Hymne anstimmen (4).




[back]  [index]  [next]