Die byzantinische Baukunst in den Balkanländern und ihre Differenzierung unter abendländischen und islamischen Einwirkungen

Wladimir Sas-Zaloziecky

 

II. Die Differenzierung bei Balkanländer unter dem Einfluss bet abendländischen Kunst im Mittelalter

 

1. Der gemeinsame Ursprung der Kuppelbasilika in Bulgarien und Serbien  20

2. Verquickung der byzantinischen und abendländischen Formenwelt in der raszischen Bauschule. Verhältnis zu Süditalien  25

3. Fortwirken der Bautradition der raszischen Schule im 13. und 14. Jahrhundert und Vertiefung der abendländischen Einflüsse  34

 

 

1. Der gemeinsame Ursprung der Kuppelbasilika in Bulgarien und Serbien

 

In der frühmittelalterlichen Periode war die Einheitlichkeit der Kunsterscheinungen in den Balkanländern durch die gemeinsamen spätantiken und frühbyzantinischen Grundlagen gegeben. Die Differenzierungserscheinungen sind noch recht schwach. Sie bestehen in dem zunehmenden Einfluß der frühbyzantinischen Kunst, demgegenüber die Westbalkangebiete sich verhältnismäßig passiv verhalten,

 

 

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und in den archaisierenden Tendenzen, welche in Bulgarien Besonders stark in Erscheinung treten, so daß sich das Hauptgewicht dieses Differenzierungsprozesses nach Bulgarien verlegt. Bulgarien hat gegenüber dem Westen einen großen Vorsprung gewonnen. Früh zu politischer Bedeutung gelangt, schafft es die Grundlagen einer lokalgebundenen Kunstentfaltung, die eine archaisierende Kunst mit byzantinischen Einflüssen verschmilzt. So wird Bulgarien in der Zeit seiner größten Machtentfaltung nach der Übernahme des Christentums zur eigentlichen Verkörperung des Balkantums und als solches zu einem Widerpart von Byzanz. Aber bereits am Anfang des 11. Jahrhunderts (1018) wird die Vormachtstellung Bulgariens durch Byzanz gebrochen. Eine neue Welle byzantinischen Einflusses ergießt sich über den Balkan. Nicht viel später, im Schatten der ersten Auseinandersetzung zwischen Byzanz und Bulgarien, entstehen am entgegengesetzten Ende des Westbalkans neue politische Bildungen, die gegen das Ende des 12. Jahrhunderts zu einem serbischen Staat in Raszien, d. h. im Gebiet zwischen Ibar und Lim, erstarken. Hier vollzieht sich unter ganz anderen Bedingungen als in Bulgarien der zweite Differenzierungsprozeß in der Geschichte der Balkankunst.

 

Bevor wir diesen Differenzierungsprozeß, der den Westgebieten im Mittelalter seine langandauernde Prägung verliehen hat, an Hand der Kunstdenkmäler verfolgen, wollen wir nochmals das ganze Gebiet überblicken, da, wie sich gleich herausstellen wird, trotz den Differenzierungen beider Kunstgebiete, der bulgarischen und serbischen Kunst im Mittelalter viele gemeinsame Züge anhaften. Eine solche Übersicht ermöglicht uns auch, das Verhältnis beider Gebiete zu den außerhalb des Balkans stehenden universalen Kunstkreisen, dem abendländischen und dem byzantinischen, näher zu bestimmen.

 

Wir betrachten zunächst eine frühe Form der kirchlichen Architektur, und zwar die mittelalterliche Kuppelbasilika, da sie sowohl in Bulgarien als auch in Serbien auftritt.

 

Zum Ausgangspunkt unserer vergleichenden Stilbetrachtung wählen wir zwei Anlagen auf bulgarischem Boden, die Marienkirche in Stanimaka (Thrazien) und die Erzengelkirche in Mesembria, ferner drei Kirchen im alten Raszien: die Anlage in Kuršumlija (unweit von Nisch), die Ruinen der Georgskirche (Djurdjevi Stupovi) bei Novi Pazar und Studenica (Taf. V, 1—5).

 

Alle Anlagen gehen auf das gemeinsame Vorbild einer Kuppelbasilika zurück [1], allerdings aus einen vereinfachten Typus, der sich von dem frühbyzantinischen dadurch unterscheidet, daß er keine Nebenschiffe besitzt.

 

 

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Es sind längsgerichtete einschiffige Anlagen, welche aus drei Teilen Bestehen: Vorhalle, Hauptschiff mit Kuppel und dreiteiligem Altarabschluß. Die Längsrichtung wird durch apial angelegte Tonnen, welche von der Kuppel unterbrochen werden, bestimmt. Die Längsrichtung wird durch die Tonnengewölbe bald starker, bald schwacher betont. Am idealsten ist das Verhaltnis zwischen zwei Tonnen und Kuppel in Stanimaka gelöst, wo die Kuppel sich zwischen zwei Tonnen einschiebt (Taf. V, 1). In Mesembria fehlt die Tonnenwölbung vor der Kuppel im Westraum (Taf. V, 2), in den serbischen Beispielen nach der Kuppel im Ostraum (Taf. V, 3—5). Die Kuppellast ruht auf Innenpfeilern, die mit der Mauer verbunden sind und in den serbischen Beispielen stärker, sonst schwächer vortreten. In den serbischen Beispielen sind die Pfeiler oben durch Quergurte verbunden, welche die Raumeinheiten trennen, während in den bulgarischen Anlagen vorwiegend gurtenlose Tonnengewölbe den Kuppelraum und die anschließenden Räume in axialer Richtung verbinden und dadurch die Einheitlichkeit des Raumes stärker betonen. Die Überleitung der Kuppel in das Quadrat erfolgt in allen Anlagen durch Pendentifs.

 

Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß allen vier Anlagen eine byzantinische Verbindung von Kuppel und Langhaus zugrunde liegt. Das Einfassen der Kuppel zwischen zwei längsgerichtete Tonnen, das Ausklingen des Raumes in einem dreiapsidialen Altarraum, und die vorgelegte Vorhalle entsprechen einem byzantinischen Baugedanken. Es ist die der byzantinischen Architektur feit jeher innewohnende Absicht zur Harmonisierung des Richtungs- und Zentralbaugedankens, die hier zum Ausdruck gelangt, freilich in einer etwas hybriden Formgestaltung. Das Hybride dieser Ramm gestaltung besteht einerseits in dem gewaltsamen Hineinzwingen der Kuppel zwischen die engen Schiffswände. Die Kuppel besitzt, bildlich gesprochen, keine „Respirationsmöglichkeit" nach den Seiten, man spürt das Gezwungene dieser Lösung. Anderseits klingt der schmale Innenraum in einem verschmälerten dreiapsidialen Altarabschluß aus, besonders kraß in der Innenraumwirkung von Stanimaka (Abb. 2). Zwischen der Großraumwirkung der Kuppel und der schmal zerklüfteten Wirkung des Altarabschlusses klafft ein Widerspruch. Etwas freier sind die Raumverhältnisse in der Erzengelkirche in Mesembria (Taf. V, 2). Die seitlichen Tragebogen unter der Kuppel sind tiefer in die Mauer eingelassen, die Wandpfeiler treten stärker hervor, die Anpassung an eine Kreuzkuppelkirche ist infolge der späteren Entstehung der Kirche deutlicher, aber dennoch werden die Seitenräume des Altars vom Kuppelraum aus nicht ganz sichtbar, weil die Kuppelwandpfeiler sie teilweise verdecken. Also auch hier keine freie räumliche Beziehung zwischen Mittelschiff und Altarraum.

 

 

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Etwas Gezwungenes liegt in der Raumlösung. Die in der byzantinischen Kunst angestrebte harmonische Raumschönheit kommt nicht in ihrer vollen Reinheit zum Ausdruck. Noch hybrider gestaltet sich das Verhältnis von Kuppel und Altarraum in den beiden serbischen Kirchenanlagen, in Kuršumlija und Studenica, wo die Großraumentfaltung der Kuppel ohne Übergang in den dreiteilig zerklüfteten Altarraum mündet. Wo und wann diese Form der Kuppelbasilika entstanden ist, läßt sich vorderhand nicht nachweisen, da sich in der byzantinischen Hauptstadt keine ähnlichen Denkmäler erhalten haben. Sicherlich jedoch ist diese Form der mittelalterlichen Kuppelbasilika nicht in den Balkanländern entstanden. Einen Hinweis auf byzantinischen Ursprung können einige Anlagen auf Chios (die Apostelkirche in Pyrghi, die Panagia in Sikelia, die Kirche in Krina, die Nea Moni) geben, wenn auch die Lösung des Raumproblems hier eine andere war.

 

In den Balkanländern haben wir es also mit der Adaptierung einer byzantinischen Raumgestaltung zu tun, die sich jedoch — und hierauf kommt es uns bei unserer Betrachtung in erster Linie an — grundverschieden im Osten (Bulgarien) und Westen (Altserbien) ausgewirkt hat.

 

Es ist kein Zufall, daß die Anlage in Stanimaka den byzantinischen Baugedanken innerhalb der ganzen Stilgruppe am reinsten verkörpert. Im Innern wird ein harmonisches Gleichgewicht zwischen den Raumeinheiten und der die Mitte einhaltenden Kuppel hergestellt (Taf. V, 1). Dasselbe gilt von dem Verhältnis der Außenarchitektur zum Innenraum. Jede Raumveränderung des Innern kommt im Außenbau klar zum Vorschein: die mittlere Kuppel mit dem Tambour, der große Tragebogen unter der Kuppel, der von einem Giebel nach außen markiert wird, die vorgeblendeten Fenster beim Altarraum, welche die Trennung zwischen Altarraum und tonnenüberdecktem Vorraum andeuten. Einzig und allein das zweite Paar der Blendfenster links von dem mittleren großen Bogenmotiv ist aus der Achse der Innenraumdisposition aus Gründen der Symmetrie verschoben. Dieses klare Verhältnis von Innenraum und Außengestaltung entspringt aus der byzantinischen Bauidee. Dabei ist jede prononciertere Gliederung der Außenwände vermieden. Das Gesetz der kristallinischen Geschlossenheit der Baumassen herrscht vor. Die Flache bestimmt den Gesamteindruck. Die Fenster und Portalrahmen werden nur durch das Abfetzen von Flächen bestimmt. Scharfe Linien, aber kein plastischer Schmuck bestimmen die dekorative Wirkung. Diese homogene Flächenwirkung wird durch farbigen Schichtenwechsel von Steinen, Ziegeln und breiten weißen Mörtelfugen belebt.

 

 

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Es fällt vor allem der horizontale Ziegeldurchschuß auf, der durchlaufend ohne Rücksicht auf vertikale Gliederung der Blendarkaden eine horizontale Lagerung der Schichten unterstreicht. Die farbige Flächendekoration dämpft jede schärfere Gliederung. Fläche und Farbe, gepaart mit einem linienhaften Kristallinismus, bestimmen den Gesamteindruck der Anlage.

 

Auch diese farbig-flächige Außenwandbehandlung geht auf die mittelbyzantinische Architektur zurück. Ein monumentales Beispiel, die sogenannte Palastanlage des Tekfur-Serails in Konstantinopel, beweist [2], daß jene Wandbehandlung sich in der hauptstädtischen Architektur herausgebildet und sich von hier aus in breitem Strom aber die Balkanländer ergossen hat.

 

Das einzig Befremdende an der Anlage in Stanimaka ist der turmartige Überbau über der Vorhalle. Er paßt sich zwar in seiner kubischen Geschlossenheit dem blockmäßigen Charakter der Anlage an, aber er ragt dennoch, wenn auch in mäßiger Höhe die mittlere Kuppel nicht übersteigend, hervor. Er hat nicht das Aussehen eines der Kirchenanlage vorgebauten selbständigen Turmes, aber etwas Turmartiges haftet ihm doch an [3]. Da wir in der byzantinischen Architektur vor dem 13. Jahrhundert keine ähnlichen Überhöhungen der Vorhalle vorfinden, liegt es nahe, hier einen Einfluß der abendländischen Turmfassade anzunehmen. Doch hat dieser turmähnliche Aufbau, dem Geiste der byzantinischen Architektur angepaßt, mehr den Charakter einer kubisch-blockmäßigen Überhöhung der Vorhalle erhalten [4].

 

Eine Weiterbildung der Anlage von Stanimaka, bei beinahe gleicher Grunddisposition, stellt die Erzengelkirche in Mesembria dar (Taf. V, 2). Die Neuerungen, welche für eine spätere Entstehungszeit in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts sprechen, bestehen in einer Steigerung der dekorativen Wirkung der Außengestaltung [5]. Die klare innere Raumdisposition, welche an der Blendarchitektur von Stanimaka auffällt, ist stark zurückgetreten. Der große Außenbogen, der dem Quertonnenbogen unter der Kuppel entspricht, ruht nicht mehr auf Wandlisenen, die an den Wänden heruntersteigen, sondern auf Konsolen, und wird unten von den Blendarkaden glatt durchschnitten. Auch der dekorative Bogenfries unter dem Dach durchbricht jede axial-vertikale Unterteilung der Seitenwand, da er ganz unbekümmert um die unteren Blendarkaden verläuft. Die ganze Gliederung der Wände entspricht daher nicht mehr der klaren inneren Raumdisposition. Die Gliederung der Wand und die Raumdisposition klaffen nunmehr auseinander. Eine starke Steigerung des dekorativen Prinzips weist bereits über Stanimaka hinaus und überwuchert den klaren architektonischen Gedanken. Auch die Einzelformen wie z. B. die breiten Archivolten über den Blendarkaden haben den Charakter von breiten Bordüren angenommen, die den ganzen Bau wie farbig-dekorative Zangen umfassen.

 

 

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Ein unruhiges Flimmern Breitet sich über die dekorativen Teile, ein rascher Wechsel von roten Ziegeln, weißen Quadersteinen und blauglasierten Tonscheiben steigert die farbige Wirkung der Außenwände. Die koloristischen Tendenzen des spätbyzantinischen Stils kündigen sich hier bereits an.

 

Jedenfalls verraten die stilistischen Eigenschaften der auf bulgarischem Boden entstandenen Anlagen — mit Ausnahme der turmartigen Überhöhung der Vorhalle — einen engen Anschluß an die byzantinische Architektur.

 

Trotz des gemeinsamen Baugedankens schließen sich wiederum die auf serbischem Boden befindlichen Anlagen zu einer untereinander eng verwandten Gruppe ab. Sie bilden den Ausgangspunkt der raszischen Bauschule, die sich schrittweise von den byzantinischen Vorbildern beider Gruppen und den ihnen näherstehenden bulgarischen Bauten entfernen.

 

 

2. Verquickung der Byzantinischen und abendländischen Formenwelt in der raszischen Bauschule. Verhältnis zu Süditalien.

 

Die drei erhaltenen serbischen Kuppelbasiliken Kuršumlija, „Djurdjevi stupovi" bei Novi Pazar und Studenica bilden klar sich abzeichnende Etappen in der Entstehung der raszischen Architektur (Taf. V, 3, 5, 4).

 

Alle drei Anlagen bilden als Schöpfungen des Großžupans Stephan Nemanja eine eng verwandte Baugruppe, die sich immer stärker von den byzantinischen Vorbildern entfernt. Während die allgemeine Raumdisposition in allen drei Anlagen sich an die byzantinische Kuppelbasilika noch ziemlieh eng anlehnt, erfahren die Außengruppierung der Baumassen und die Formensprache eine tiefe Wandlung. Man gewinnt den Eindruck, daß eine byzantinische Innenraumwirkung durch eine ihr widersprechende fremdartige Außenbehandlung maskiert worden ist. Diese Maskierung der byzantinischen Raumgestaltung können wir in steigendem Maße von der jüngsten Anlage, der Nikolauskirche in Kuršumlija an der Toplica, über „Djurdjevi Stupovi" bei Novi Pazar bis zu der reifsten Lösung dieses architektonischen Problems, der Klosterkirche der Muttergottes in Studenica, verfolgen.

 

Die stilistische Abhängigkeit von den byzantinischen Anlagen des Ostbalkans, vor allem in Stanimaka ist in Kuršumlija noch deutlich zu spüren (Taf. V, 1, 3). Zwar ist die Kuppel in Kuršumlija nicht mehr zwischen zwei tonnenüberwölbten Räumen in axialer Richtung eingespannt wie in Stanimaka, sondern von den benachbarten Räumen durch Quergurtbogen isoliert, wodurch die schöne Raumgestaltung eingeengt erscheint und die Tiefe des Raumes nicht voll zum Ausdruck kommt,

 

 

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dafür sind aber die äußere Wandgestaltung und die Verteilung der Baumassen ausgesprochen byzantinisch. Durchaus byzantinisch empfunden ist auch die mächtige Kuppelpartie mit kubischem Unterbau und elastisch geschwungenem Haupttragebogen. Diese bringen die innere Struktur klar zum Ausdruck, schließen den Bau in harmonisch geschwungenen Bogenlinien sphärenartig ab und mildern dadurch die stoffliche Gebundenheit der mächtigen Baumassen. Es ist dies eine rein auf den inneren Raumeindruck eingestellte Architektur, bei der die große Gestaltung der von innen wuchtig herausgetriebenen Baumassen den baukünstlerischen Eindruck bestimmt. Erhöht wird die wuchtige Wirkung noch dadurch, daß im Gegensatz zu Stanimaka und den Anlagen in Mesembria der Bau in reiner Ziegeltechnik errichtet wurde und der dekorativen Außenwirkung entbehrt.

 

Nun kommt etwas Überraschendes dazu: an der Westseite schließen sich diesem byzantinischen Kernbau eine zweite Vorhalle und zwei den ganzen Vorbau flankierende Türme an. Es wird zwar angenommen, daß diese ausgesprochene Turmfassade etwas später, aber unmittelbar nach der Errichtung des Kernbaus angebaut worden ist; jedoch wenn dies auch der Fall sein sollte, ändert das nichts an der auffallenden Tatsache, daß dadurch die ganze Anlage ein von den byzantinischen Bauten ganz verschiedenes äußeres Aussehen erhalten hat [6]. Dazu kommt noch ein südlicher Vorbau in der Achse der mittleren Kuppel, der zwar keine Entsprechung an der Nordseite besitzt, aber eine Neigung zur querschiffartigen Gestaltung des Grundrisses in rudimentärer Form zu verraten scheint.

 

Durch die angebauten Türme hat die Anlage in Kuršumlija eine dem byzantinischen Bauempfinden widersprechende Orientierung erhalten, und zwar eine ausgesprochene Fassadenwirkung. Wir hätten es hier mit einem der ersten greifbaren Beispiele für die Verquickung eines byzantinischen Zentralkuppelbaus mit einem richtungsbetonten romanischen Fassadenbau zu tun, wozu noch ein rudimentäres Querschiff sich gesellte.

 

Darin kommt bereits einer der charakteristischsten Züge der eigentlichen raszischen Architektur zum Vorschein: die Verquickung des byzantinischen und romanischen Baugedankens. In ihr liegt auch der Hauptunterschied zu den bereits erwähnten verwandten Bauschöpfungen auf bulgarischem Boden.

 

Was sich in Kuršumlija erst schüchtern ankündigte, das kommt in der zweiten Anlage desselben Typus zu reiferer Ausbildung: in den „Türmen des heiligen Georg" (Djurdjevi Stupovi) bei Novi Pazar. Hier haben wir es allem Anschein nach mit keinem Anbau, sondern mit einer einheitlichen Anlage zu tun (Tust V, 5).

 

 

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Dir Raumdisposition schließt sich noch den Vorgängern an [6a], aber ganz klar erscheint die Fassadenwirkung mit den mächtig flankierenden Türmen und den deutlich sich abzeichnenden Querschiffen. Hier kann kaum mehr ein Zweifel bestehen, daß die byzantinische Raumgestaltung mit einem romanischen Fassadenvorbau und Querschiffen zu einer neuen Schöpfung gewaltsam verschmolzen worden ist. Der Zusammenprall von heterogenen Stilelementen war zu heftig und zu stark, als daß eine befriedigende Lösung auf einmal hätte gefunden werden können. So z. B. wurde der Kuppelraum in die Breite gezogen, die mächtigen Fassadentürme überwucherten die Gesamtwirkung durch ihre überdimensionierte kubische Breitspurigkeit, die Kuppel versank in dem turmartigen, romanisch gegliederten Tambour [7]; der burgartige Charakter und die ungewöhnliche Höhenlage wirkten für eine byzantinische Kirche befremdend.

 

Aber nicht nur in der Verquickung einer romanischen Turmfassade mit einer byzantinischen Zentralkuppelanlage liegt das baugeschichtlich Charakteristische. Noch etwas anderes tritt dazu, was von nun an alle weiteren baulichen Schöpfungen begleitet: die Maskierung der byzantinischen Innenraumwirkung nach außen hin durch die romanische Formensprache. Durch diese hier bereits sehr weit fortgeschrittene Maskierung unterscheidet sich die Georgskirche von der Anlage in Kuršumlija. In Kuršumlija war die Außengestaltung der reine Ausdruck der inneren Raumverhältnisse, die Wand war eine reine Funktion der Raumgestaltung. In der Georgskirche besitzt die Wand eine von der inneren Raumgestaltung ganz unabhängige Funktion. Die Wand wird nun streng architektonisch durch Lisenen und Bogenfriese gegliedert, sie hat zwar nichts von ihrer kubischen Wirkung eingebüßt, aber sie wirkt nicht mehr als eine kubisch ungeformte, sondern als eine kubisch geformte und gegliederte Masse. Der Kuppeltambour wird von breiten Lisenen auch an den Ecken, die oben mit einem Bogenfries verbunden sind, eingefaßt und von schmalen geschlitzten Fensteröffnungen durchbrochen. Man kann sich kaum etwas Ungelenkigeres vorstellen als diesen Kuppelunterbau, der die architektonische Sprache einer romanischen Turmanlage auf den Kuppeltambour direkt übertragen hat. An die Stelle eines leicht ausklingenden sphärenartigen Raumes, in dem die Fensteröffnungen — wie in Kuršumlija — einen lustigen Kranz und eine Verbindung mit der Außenwelt gebildet haben, ist hier eine abweisend geschlossene schwere Mauergliederung getreten. Es fehlten am ursprünglichen Bau auch die abrundenden großen Rundbogen, welche sonst die innere Raumgestaltung nach außen zum Ausdruck brachten, statt ihrer waren spitz nach oben verlaufende Giebel vorhanden, welche über die innere Raumbeschaffenheit völlig hinwegtäuschten.

 

 

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Auch die Innenraumwirkung der Kuppel wurde durch einen schweren Bogenfries mit Säulchen, welche auf Konsolen ruhten, beeinträchtigt, und der Eindruck einer sphärenartig schwebenden byzantinischen Kuppel entstellt. Der Gesamteindruck wurde auch durch die Werksteintechnik bestimmt, die hier den byzantinischen Ziegelbau vollständig verdrängt hat.

 

Die Georgskirche (Djurdjevi Stupovi) bei Novi Pazar bildet somit eine markante Stilstufe in diesem für Raszien so charakteristischen Durchdringungsprozeß der byzantinischen und romanischen Architektursprache. Ohne Zweifel haben die romanischen Stilmerkmale im Vergleich mit Kuršumlija stark zugenommen, ja in der Außengestaltung wurden die byzantinischen Raumprobleme weitgehend verschleiert und romanisiert. Immerhin sind beide Baustile — trotz der weitgehenden Romanisierung — klar auseinanderzukennen, und es brauchen keineswegs irgendwelche fernen orientalischen Vorbilder zur Erklärung der sich hier vollziehenden historischen Auseinandersetzung zwischen Byzanz und Abendland herangezogen zu werden, zumal da auch alle anderen geschichtlichen Voraussetzungen, wie wir noch sehen werden, für diesen Durchdringungsprozeß gegeben waren [8].

 

Ein besonderes Merkmal unserer Anlage ist die Gezwungenheit der Lösung: noch spiegelt sich darin mehr das Wollen als das sichere Können wider. Die Georgskirche ist daher noch keine reife Lösung der hier entstehenden kunstgeschichtlichen Probleme, sondern ein früher Versuch, eine Etappe auf dem Weg des geschichtlichen Ausgleichs der byzantinischen und der abendländischen Formensprache.

 

Die reifste Lösung der angestrebten Probleme bietet die Klosterkirche in Studenica, ein Werk, welches, gleichsam als Krönung des Lebenswerkes Stephan Nemanjas, seine rege Bautätigkeit abschließt. Sie gehört mit ihren ausgebildeten Bauformen zu den monumentalsten Lösungen der frühen raszischen Bauschule. Diese bilden von nun an einen stabilisierten Typus und den Ausgangspunkt der ganzen späteren Entwicklung (Taf. V, 4).

 

Man kann die Anlage in Studenica als eine Umkleidung der byzantinischen Raumgestaltung mit romanischen Architekturformen bezeichnen, wobei im Gegensatz zur Georgskirche bei Novi Pazar die „gewaltsame Lösung" in einer reif-durchdachten Verschmelzung der byzantinischen und romanischen Architekturformen ausklingt. Betrachtet man die Anlage von außen, so hat man den Eindruck, vor einer romanischen Anlage zu stehen (Abb. 3). Wenn man von der später angebauten Vorhalle absieht, so steht man vor einem langgestreckten romanischen Langhaus. Ein Kuppelraum erhebt sich darüber und wird von zwei querschiffartigen Anbauten flankiert. Im Osten findet das Langhaus seine Fortsetzung und wird oben von einem spitzen Giebeldach und von drei halbrunden Apsiden abgeschlossen.

 

 

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Romanisch ist die vordere Giebelfassade, die ganze Wandbehandlung und der plastische Schmuck der Fenster und Portale. Die Wände sind durch Lisenen und einen Bogenfries gegliedert, alle Giebel spitz geformt, die Portale abgetreppt, die Fenster zweigeteilt, das mittlere Fenster der Hauptapsis besitzt eine reiche romanische plastische Dekoration. Auf den ersten Blick scheint kaum etwas einer romanischen Anlage zu widersprechen. Die schönen Marmorquadern runden den romanischen Gesamteindruck der Anlage ab. Nur die blockmäßig kubische Wirkung des Kuppelunterbaus und der sich absetzende Bogen mit den drei sich dieser dominierenden Bogenform anpassenden Fenstern bilden einen fremden Akzent in der romanischen Gesamtkomposition. Bei flüchtiger Betrachtung denkt man zuerst an einen romanischen Vierungsturm, und die seitlichen Anbauten machen den Eindruck von Querschiffen. Tatsächlich ist auch eine Querschiffswirkung durch die Seitenanbauten angestrebt worden. Vergleicht man aber eine romanische Vierungslösung und ihre Querschiffe, etwa die Anlage von Saint George de Bocherville oder die Ostvierung der Klosterkirche in Maria Laach, mit der Anlage von Studenica, dann kommt die Unvereinbarkeit dieser letzten Lösung mit den romanischen Stilprinzipien erst recht zum Vorschein. Der Vierungsturm besitzt keinen blockmäßigen, für sich bestehenden Unterbau, das Hauptschiff und die Querschiffe sind in gleicher Höhe aufgeführt. Nichts verrät nach außen, daß der Raum unter der Vierung eine für sich bestehende Einheit bildet; man spurt, daß dieser Teil nur eine transitorische Bedeutung besitzt und die dynamischen Bewegungstendenzen der Tiefenrichtung nirgends unterbricht, vielmehr dieselben auffängt und weiterleitet. Anders dagegen in Studenica. Die Querschiffe sind weder der Höhe noch der Breite nach dem Hauptschiff gleich, sie sind bloße Anbauten, die mit der Innenraumwirkung nichts zu tun haben. Dagegen ist der große Unterbau unter der Kuppel als eine Baueinheit für sich hervorgehoben, die über das Hauptschiff hinausragt, die horizontale Lagerung des Hauptschiffes unterbricht und eine beherrschende Stellung im Bau einnimmt. Zwar wurde die straffe Gliederung der Hauptschiffswand über den Kuppelunterbau hinaus verlängert und der Fuß des großen Bogens in eine Lisene verwandelt, die oben ihre Fortsetzung im Bogenfries erhalten hat. Aber diese Einbeziehung der Kuppelwand in die gliedernden Verspannungen der romanischen Wandbehandlung kann das Auge über die Isolierung dieses Bauteiles nicht hinwegtäuschen.

 

Diese Hervorhebung des Kuppelbaus geht auf die byzantinische Architektur zurück, ein vergleichender Blick auf die Nikolauskirche in Kuršumlija bestätigt die Identität der Formen.

 

 

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Andererseits wurde aber auch dieser Bauteil in Studenica in die harte lapidare Sprache des romanischen Stiles umgesetzt: der abschließende Rundbogen hat keine abrundende Funktion, also keinen federnd elastischen Ausklang nach oben wie in der byzantinischen Architektur, sondern er ist nur in das blockmäßige, oben gerade abgeschlossene Mauergefüge eingebettet und dadurch seiner eigentlichen Funktion beraubt worden. Dieser harte horizontale Abschluß des quadratischen Kuppelunterbaus, der aus einer byzantinisch-romanischen Kompromißlösung entsprungen ist, steht im Widerspruch zu der elastisch geschweiften, dem Kuppelrund sich anschmiegenden Form der byzantinischen Giebelabschlüsse und bildet von nun an eine der charakteristischesten Lösungen der raszischen Architektur. Zuletzt wurde der Eindruck des großen Bogenabschlusses noch durch die giebelartigen, spitz verlaufenden Abschlüsse der Fassaden der Seitenanbauten getrübt.

 

Ein Vergleich mit den byzantinischen Anlagen der Ostbalkangebiete wie Stanimaka und der Erzengelkirche in Mesembria kann uns den Unterschied in der Außenbehandlung lebendig vor Augen fuhren (Taf. V, 1, 2). In den ostbalkanischen Anlagen überwiegt die koloristische Wirkung der Außenflächen, welche die tektonische Formsprache durch das Überwiegen der dekorativen Flächenwirkung weitgehend unterdrückt, die Klarheit der räumlichen Innengestaltung jedoch offen aufdeckt. In Studenica dagegen drängt sich in den Vordergrund die lapidare Wirkung der tektonischen Behandlung der Wand, welche überhaupt keine dekorative Wirkung zuläßt und wenig Rücksicht auf die innere Raumdisposition nimmt, ja dieselbe verschleiert. Ein weiterer Unterschied gesellt sich noch dazu, der darin besteht, daß die ostbalkanischen Anlagen — ungeachtet ihres Vorhallenturmes — keine Fassaden besitzen, während die Anlage in Studenica eine ausgesprochene Fassade und somit einen richtungsbetonten Charakter mindestens nach außen hin aufweist und sich dadurch wesentlich von den rein byzantinischen Anlagen unterscheidet. Während in den ostbalkanischen Anlagen die Kuppeleinheit den ganzen Eindruck bestimmt, ist in Studenica eine Spannung zwischen fassadenbetonter Richtungstendenz und Kuppelabschluß vorhanden, wie sie in der byzantinischen Architektur stets vermieden worden ist (Abb. 3).

 

Nun aber steht im Gegensatz zu dem romanisierenden Charakter der Außengestaltung in Studenica die Raumgestaltung (Taf. V, 4). Der Außenbau mit dem langen Schiff, dem Apsidenabschluß und der maskierten Vierung hat uns auf Tiefenbewegungen eines romanischen Innenraumes vorbereitet, jedoch das Gegenteil dieses Eindrucks stellt sich ein. Eine nach außen gar nicht in Erscheinung tretende echt byzantinische Vorhalle, die durch eine Wand vom Hauptschiff getrennt wird, behindert jede Tiefenbewegung.

 

 

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Und nach der Überschreitung der Vorhalle bildet das eine kurze tonnenüberwölbte Joch eine Vorbereitung auf eine mächtige Kuppelwirkung, die das ganze Hauptschiff der Lange und Tiefe nach beherrscht. Also kein romanischer „Vierungsturm", wie er sonst die Tiefen- und Höhentendenzen in sich sammelt, ohne dieselben zu unterbrechen, sondern ein Kuppelsaal, der den ganzen Raum in seiner majestätischen Ruhe beherrscht und die harmonische Schönheit des Raumes zum eigentlichen ästhetischen Faktor der Innenwirkung erhebt. Der Baugedanke der Innengestaltung ist daher durch und durch byzantinisch und unterscheidet sich nur mehr wenig von den ostbalkanischen Beispielen. Ein byzantinischer Innenraum wird von einer romanisierenden Formengestaltung nach außen umhüllt, und beide Baugedanken werden dadurch zu einet originellen Einheit verschmolzen.

 

Nur durch eine Besonderheit unterscheidet sich die Kuppellösung von den byzantinischen Anlagen: durch die Form der kuppeltragenden Pfeiler und die Quergurte, welche den Kuppelraum von den tonnenüberwölbten Jochen trennen, deren Scheitel außerdem tiefer unter dem Kuppelraum liegen. In den byzantinischen Anlagen der Ostbalkangebiete (Stanimaka, Mesembria) ruhte das Rund der Kuppel unmittelbar auf den glatten Tonnengewölben der Nebenjoche ohne Quergurte, was zur starken Verräumlichung beigetragen hat. In Studenica tragen die Quergurte — wohl eine Reminiszenz der romanischen Traveen — eher zur Isolierung der Raumeinheiten bei [9]. Diese Besonderheit ist eine ständige Begleiterscheinung der raszischen Schule.

 

Einige nähere Anhaltspunkte zur Bestimmung der romanischen Formenwelt liefert uns der Aufbau und der plastische Schmuck der Portale.

 

Die äußere Umrahmung des Hauptportals in Studenica (Abb. 4) mit dem reich geschmückten abschließenden Außenbogen, mit den zwei Greifen und den nicht mehr vorhandenen Säulchen, welche unten auf kauernden Löwen ruhten, ferner die ganz flachen Pfosten mit dem horizontalen Sturz, welche das innere Gewände des Portals bilden, haben ihre nächsten Stilanalogien in der süditalienischen Portalplastik, hauptsächlich in einer Reihe von apulischen Kirchenportalen. Das Hauptportal des Domes von Bitonto aus dem Ende des 12. Jahrhunderts, das Löwenportal von S. Nicola in Bari aus dem 12. Jahrhundert, S. Leonardo bei Siponto aus dem ausgehenden 12. Jahrhundert und das Portal der Andreaskirche in Barletta aus dem Anfang des 13. Jahrhunderts rücken in die nächste Nähe von Studenica.

 

Und doch weicht das Portal von Studenica von dem reinen apulischen Portalaufbau, wie er besonders durch die beiden Beispiele von Siponto und Bari vertreten wird, durch einen strengeren architektonischen Aufbau etwas ab.

 

 

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Es ist nicht ausgeschlossen, daß die stärkere Betonung des architektonischen Gedankens in Studenica auf dalmatinische Vermittlung zurückgeführt werden kann [10].

 

Aber der apulische Einfluß in Studenica beschränkt sich keineswegs auf den Gesamtaufbau. Wir finden Einflüsse sowohl in der ornamentalen Behandlung als auch in der Plastik: in der Ornamentik, vor allem in der Behandlung des byzantinischen zackigen Akanthus der Kapitelle (linke Seite des Portals), in dem Kämpferfries über den Kapitellen und dem unteren Fries des Tympanons (Abb. 4). In der Plastik verraten die Behandlung der spitzen, stilisierten Blätter mit Bohrlöchern und die starken Licht- und Schattenwirkungen einen byzantinischen Einschlag, der in dieser Reinheit wohl kaum in einem anderen Ausbreitungsgebiet der romanischen Plastik um diese Zeit ausgetreten ist.

 

Und etwas Ähnliches gilt von der figuralen Skulptur. Sie spielt noch eine bescheidene Rolle in Studenica, beginnt aber doch bereits das Portal zu beleben: das Tympanon ist mit einer thronenden Maria zwischen zwei Engeln geschmückt (Abb. 4). In den inneren Leibungen der beiden Eingangspforten sind je sechs Apostel dargestellt, die Mitte des Türsturzes wird von einer parallel zur Balkendecke angebrachten Christusfigur eingenommen. Jedenfalls haben wir es bereits mit einem ganzen ideellen Programm figuraler Portalausschmückung zu tun. Den höchsten Grad des plastischen Gefühles erreicht die Tympanondarstellung.

 

Einen byzantinisch-romanischen Mischstil verraten die Apostelfiguren der Leibungen. Vorläufer in bezug auf die Stellung dieser Figuren im Gesamtdekorationssystem besitzen wir in der Porta dei Principi in Modena aus dem Anfang des 12. Jahrhunderts, etwas spätere Parallelen in der apulischen Plastik (Propheten in den Portalleibungen der Kathedrale in Trani aus dem Anfang des 13. Jahrhunderts und alttestamentliche Figuren von S. Andrea in Barletta).

 

Das Gesamtbild, das wir vom plastischen Schmuck in Studenica erhalten haben, entspricht dem stilistischen Mischcharakter der Architektur. Dieser Mischcharakter ist keineswegs eine lokale Eigenschaft der raszischen Schule, sondern wir finden ihn auch jenseits der Adria in Süditalien, vor allem in Apulien, wo wir Stilübereinstimmungen festgestellt haben.

 

Es ist mehr als auffallend, wie sich die geschichtlichen Veränderungen des Westbalkans seit der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts an den drei erwähnten Architekturdenkmälern genau verfolgen lassen.

 

Kuršumlija, welches um 1168 entstanden ist, schließt sich stilistisch enger an die byzantinischen Anlagen an.

 

 

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Diese Tatsache läßt sich aus den engen Beziehungen zwischen Stephan Nemanja und dem Byzantinischen Kaiser Emanuel Komnenos erklären [11]. Aber bereits 1183 beginnt der Emanzipationskampf Stephan Nemanjas gegen Byzanz. Verbändet mit westlichen Mächten, bemächtigt sich Nemanja des adriatischen Küstengebietes, besetzt Antivari, Dulcigno und Cattaro und vereinigt das Küstengebiet mit Raszien. Die Angliederung der Küstengebiete bedeutet einen Wendepunkt in der Geschichte des Westbalkans. Gebiete mit abendländisch orientierter Kultur, welche in engster Beziehung mit Süditalien gestanden haben, bilden von nun an einen Bestandteil des serbischen Staates. Neue Perspektiven eröffnen sich dem raszischen Staat, der nun in den Kreis des okzidentalen Kultureinflusses einbezogen wird. Vor allem aber wird ein Gegengewicht gegen die byzantinische politische und kulturelle Expansion geschaffen.

 

Die Georgskirche bei Raška spiegelt in sich diese geschichtlichen Veränderungen wider: romanische Formen des Küstenlandes verbinden sich hier mit der byzantinischen Raumauffassung. Man spürt noch die „Gezwungenheit" dieser Erstgeburt eines neuen Stiles. Aber ohne das Küstengebiet, ohne die Übertragung romanischer Formen aus Süditalien wäre die Georgskirche nicht denkbar. Daher muß ihre Entstehung nach 1183 verlegt werden [12].

 

Und die letzte Phase spiegelt sich in der Klosterkirche von Studenica wider, die als Krönung des Lebenswerkes Nemanjas betrachtet werden kann. Sie bildet bereits eine ungezwungene Synthese süditalienisch-romanischer und byzantinischer Bauformen, als ob man durch sie hindurchblicken könnte auf die weitgesponnenen Beziehungen, mit welchen Stephan Nemanja über die großen Weltkontroversen hinaus alle universellen Machtkonstellationen zu umfassen trachtete: das deutsch-abendländische Kaiserreich, das Papsttum und das byzantinische Kaisertum [13].

 

Scheinbar endet dieses Schwanken zwischen Okzident und Byzanz mit einem Sieg der orthodox-griechischen Richtung durch den endgültigen Anschluß an die orthodox-byzantinische Kirche. Aber dank der Einverleibung der Küstengebiete bedeutet dieser Sieg keine geistige Waffenstreckung vor Byzanz. Das Ziel bedeutet nunmehr eine Synthese. Kunsthistorisch ausgedrückt: man kehrt nicht mehr zu dem überwundenen Stadium von Kuršumlija zurück. Man will die abendländisch-lateinische Kulturatmosphäre nicht mehr ausscheiden. Im Gegenteil, in kirchlicher und kultureller Beziehung wird das abendländische Kulturgut gefördert. Man sieht ein, daß es die stärkste Garantie gegen eine zu weitgehende politische und geistige Bevormundung durch Byzanz bildet.

 

Die Formensprache von Studenica [14] greift in ihrem ganzen Außendekor nach Süditalien, d. h. Apulien, über; die innere Raumgestaltung mit den kultisch wichtigsten Einrichtungen übernimmt sie von Byzanz.

 

 

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Das Hauptgewicht liegt auf letzterem, aber der Geist der abendländischen Formensprache in ihrer Süditalienisch-normannischen Prägung rankt sich an dem byzantinischen Kern empor.

 

Die Klosterkirche in Studenica, in welcher nach östlicher Sitte der erste raszische Großžžupan Stephan Nemanja als frommer Mönch seine letzten Tage verbringt, bedeutet keinen Einzelfall, keine Sackgasse, sondern einen Wendepunkt in der Geschichte der Architektur des Westbalkans, da sie neue Perspektiven — wie wir gleich sehen werden — für die Weiterentfaltung der hier zum erstenmal gereiften Ideen eröffnet hat.

 

 

3. Fortwirken der Bautradition der raszischen Schule im 13. und 14. Jahrhundert und Vertiefung der abendländischen Einflüsse

 

Der Begründer und eifrige Verfechter der serbisch-orthodoxen Kirche, der heilige Sawa, errichtet nach seiner Rückkehr vom Berge Athos in seinem neuen Erzbischofssitz in Žiča eine große Kirchenanlage. Man ist auf eine Byzantinische Reaktion gefaßt, welche die engen Beziehungen Sawas zum Athosberge und zum Patriarchat von Nizäa erklären würden. So zumindest wurde später die Bautätigkeit des heiligen Sawa von seinem Biographen Theodosius ausgelegt, der ihn griechische Baumeister und Künstler aus Konstantinopel zur Errichtung der neuen Kirche in Žiča berufen läßt.

 

Aber die Anlage in Žiča ist alles andere als eine reine byzantinische Reaktion, wenn man ihre Bauformen prüft (Taf. VI, 2). Die einzigen Konzessionen an die byzantinische Architektur des Athosberges bilden die Erweiterung der Anlage durch zwei seitliche Kapellenanbauten (Paraklissa), die in Studenica nicht vorhanden waren, und das Aufgeben der reichen plastischen Ausschmückung. Das erste hängt wohl mehr mit kultischen Einrichtungen zusammen als mit der eigentlichen Formsprache, die, wie wir gleich sehen werden, keine Annäherung an die byzantinische Baukunst bildet.

 

Žiča, als erster Erzbischofssitz und zugleich Krönungskirche der serbischen Könige in den Jahren 1208—1221 erbaut, ist für die ganze spätere Architektur des 13. Jahrhunderts vorbildlich geworden. In der allgemeinen Baudisposition schließen sich folgende Anlagen an: die Hauptkirche des Patriarchats in Peć (um 1233), die Anlagen in Mileševo (1237 beendet), Morača (1252), die Kirchen in Sopoćani (um 1260), in Gradac (Ende des 13. Jahrhunderts) und in Arilje (um 1295). Auch die zwei letzten großen Anlagen dieser Baugruppe, die Kirchen in Banjska (vor 1314 begonnen, um 1318 beendet) und Dečani (1328—1335),

 

 

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können ungeachtet neuer Stilveränderungen als letzte Ausläufer dieser Stilrichtung Bezeichnet werden [14a] (Taf. VI, 3—7).

 

Im allgemeinen werden in diesen Anlagen die fruchtbaren Anregungen, welche die raszische Bauschule von den durch Süditalien und das Küstenland vermittelten abendländischen Einflüssen erfahren hat, vertieft und weitergebildet.

 

Folgende stilistische Merkmale können wir an unserer Baugruppe feststellen: eine stärkere Betonung der romanischen Querschifform, eine Erhöhung des blockmäßig gebildeten Kuppeltambours und eine neue Verbindung der Kuppel mit dem gesamten Bauorganismus. Später treten Veränderungen des ganzen Bauorganismus auf, der immer mehr, zuerst nach außen, späterhin auch im Innern, die Gestalt einer dreischiffigen Basilika annimmt. Hand in Hand damit geht eine Veränderung der Gewölbebildung unter dem Einfluß der Gotik und die fortschreitende Anlehnung an die romanische und gotische Plastik Süditaliens und des Küstenlandes, sowie eine Hervorhebung der Turmfassade und Streckung der Höhenproportionen, die den Einfluß des gotischen Vertikaldranges verraten.

 

Diese Verändernden verraten einen erstarkenden Einfluß abendländischer Bauformen, vollziehen sich aber stets auf der Grundlage einer bereits ausgereiften Synthese der byzantinischen kuppelbetonten Raumauffassung mit der romanischen Außengestaltung, die in den verschiedensten Spielarten die Weiterentwicklung der raszischen Schule begleitet. Keiner Anlage des 13. und 14. Jahrhunderts ist diese grundlegende Synthese fremd, auch denjenigen nicht, die sich am engsten an die abendländische Formsprache anlehnen und gerade das verleiht der Architektur des Westbalkans ihre originelle Prägung.

 

Ein vergleichender Blick auf eine süditalienische Anlage in Kalabrien [15], und zwar auf die Anlage S. Giovanni Vecchio in Stilo aus dem 11. und 12. Jahrhundert, und auf Bauten der raszischen Gruppe läßt darauf schließen, daß die querschiffartige Kreuzform unserer Anlage (Taf. VI, 1—2), der blockmäßig herausspringende Kuppelunterbau und ferner die Lösung der Kuppel die nächsten stilistischen Parallelen in Kalabrien besitzen. Abweichungen sind vor allem in der basilikalen Streckung des Hauptschiffes der kalabrischen Anlage gegeben, entsprechend den hier stärkeren romanischen Tendenzen. In den raszischen Anlagen ist diese Tiefenausdehnung viel schwächer betont und der Raum durch Unterteilung in ein kurzes von der Kuppel beherrschtes Hauptschiff und in die Vorhalle, der Tiefe nach unterdrückt. Immerhin können wir an dem Prototyp unserer Stilgruppe in Žiča einen besonders auffallenden Anschluß an S. Giovanni Vecchio in Stilo Beobachten:

 

 

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Schiff und Vorhalle sind nur durch schwache Wandpfeiler getrennt und bilden räumlich eine Einheit, der Altarabschluß ist nicht wie stets in byzantinischen Anlagen dreiteilig, sondern bildet nur eine breit geöffnete Apsis. Und nun die Verbindung der Kuppel mit ihrem Unterbau: Alle Anlagen unserer Gruppe (Žiča, Mileševa, Erlöserkirche in Peć, Sopoćani, Gradac, Arilje und Dečani) weichen von der byzantinischen Kuppelbildung grundlegend darin ab, daß der organisch konstruktive Zusammenhang der Kuppel mit dem Kuppelunterbau verloren geht. Der Kuppelunterbau, der in der byzantinischen Architektur und auch noch in Studenica, durch das Hervortreten der großen Tragebogen nach außen, eine konstruktive Einheit mit der Kuppel gebildet hat, ist in unseren Anlagen durch einen neutralen, aber stark betonten, blockartigen Kuppelunterbau ersetzt worden, der die Tragebogen nicht andeutet und auf dem die Kuppel bloß aufgesetzt worden ist. Er könnte ebensogut einen anderen Abschluß, z. B. einen Turmaufsatz tragen [16]. Diese Loslösung der Kuppel von der konstruktiven Baueinheit können wir auch in dem Bau S. Giovanni Vecchio in Stilo beobachten.

 

Sie tritt uns aber auch im Innern entgegen. In den klassischen Vertretern der byzantinischen Architektur ist die Kuppel organisch aus dem Unterbau herausgewachsen, sie ruhte mit gleichmäßig verteilter Last auf Tragebogen und Pfeilerstutzen. Ausklingende Kurven, federnde Tragebogen und in den Ecken verteilte Pendentifs haben die harmonisch sphärenartige Abrundung des ausklingenden Kuppelraumes, d. h. die Überführung des quadratischen Unterbaus in den Kuppelraum, bewerkstelligt. Von dieser strengen byzantinischen Kuppellösung ist man in allen erwähnten Anlagen abgewichen. Die Kuppel wächst hier nicht mehr organisch aus ihrem Unterbau heraus, sondern erscheint wie von oben aufgestülpt. Ihre Last verteilt sich nicht mehr gleichmäßig auf die stützenden Bogen und Wandpfeiler. Sie scheint vielmehr auf der Ummantelung des blockartigen Unterbaus zu ruhen und springt zumindest an den Seiten unmittelbar auf die Mauern über oder wird mittelbar durch das Zurückspringen mehrerer übergreifender Bogen aufgefangen. Dadurch werden die Haupttragebogen entlastet, die stützenden Pfeiler fallen weg, oder es entsteht eine Unregelmäßigkeit in der Höhenanbringung der Tragebogen. Das Zurückweichen mehrerer Bogen können wir in Mileševa und in Arilje gut beobachten; die Tragebogen werden an den westlichen Auflagern in Žiča und Peć durch Konsolen, bzw. den Wegfall der entsprechenden Pfeiler entwertet, in Mileševo und Arilje ruhen alle Tragebogen auf Konsolen und weichen außerdem zurück;

 

 

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in Morača ruhen die seitlichen Tragebogen auf Konsolen und Bilden einen bedeutenden Höhenunterschied in den Scheiteln [17].

 

Durch diesen Vorgang hat die Kuppel ihren organisch-konstruktiven Charakter eingebüßt. Sie hat sich sozusagen von ihrem Unterbau freigemacht. Die Folge davon war einerseits das Aufgeben der „sphärenartigen Raumharmonie" in der Überleitung des Kuppelquadrats in den Kuppelraum, also das Aufgeben einer der stolzesten Bauerrungenschaften der byzantinischen Architektur, andererseits hat diese Verselbständigung der Kuppel ihre Höhenentfaltung ermöglicht, sie hat sich von der Schwere ihres Unterbaus, von dem konstruktiven Aufbau des Gesamtorganismus befreit; sie konnte sich nun mit den erstarkenden gotischen Vertikaltendenzen immer freier entfalten.

 

So vollzieht sich in den erwähnten Anlagen eine tiefe, in die ganze spätere Architektur der Balkanvölker eingreifende Umwandlung der byzantinischen Kuppelkonstruktion.

 

Vorläufer dieser Umwandlung finden wir wieder in süditalienischen Bauten. Eine Entwertung des Kuppelunterbaus durch die Verteilung der Kuppellast aus die Mauern des blockmäßigen Kuppeltambours und das allmähliche Zurückweichen bzw. Zurückspringen der Tambourwände finden wir in dem erwähnten Bau S. Giovanni Vecchio in Stilo, mit dem Unterschied, daß die Überleitung des Kuppelquadrats in das Kuppelrund Trompen, nicht Pendentifs bilden [18]. Die Anwendung von Konsolen und den Wegfall von Pfeilern finden wir an einem anderen, verwandten kalabrischen Bau in S. Maria de Tridetti, der aus derselben Zeit stammen durfte wie S. Giovanni [19].

 

Eine weitere Annäherung an die abendländische romanische Architektur können wir in der Zusammenfassung des Baugefüges nach außen zu einer basilikalen Langhausanlage mit maskierten Nebenschiffen und einer Fassade feststellen. Im Gegensatz zu Žiča, wo die einzelnen Seitenanbauten (Paraklissa) noch ganz lose angefügt waren, steigert sich diese Zusammenfassung von Seitenanbauten zu einheitlichen, zunächst nur nach außen vorgetäuschten Seitenschiffen von Sopoćani [20] über Banjska bis Dečani, wo endlich die Maskierung nach außen wegfällt und echte Seitenschiffe zum Vorschein treten (Taf. VI, 5,7). Dieselbe Wandlung vollzieht sich in der plastischen Außendekoration. Žiča besitzt keine plastische Dekoration außer dem Bogenfries der Kuppel. Während die unteren Wände abwechselnd aus Ziegel- und Quadersteinen bestehen, sind Gewölbe und Bogen aus Steinquadern errichtet, was aus romanische Bauweise des Küstenlandes hinweist [21].

 

 

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Die meisten späteren Anlagen besitzen eine plastische Portal- und Fensterausschmuckung wie Sopoćani und Gradac, wo romanische Formen bereits durch verspätete gotische verdrängt werden (Westportal in Gradac) [22]. Einen Höhepunkt der plastischen Dekorationsweise bildet Dečani. Hier liegt auch der seltene Fall vor, daß wir den Meister kennen: es ich Fra Vita aus Cattaro, dessen Person uns einen Hinweis auf die Abstammung dieser Dekorationsweise bietet. Sie hängt wie in Studenica engstens mit dem adriatischen Kunstkreis zusammen. Anderseits zeigt sich eine enge Verwandtschaft mit Studenica. Das Westportal erscheint mit geringen Abweichungen wie eine Replik des Hauptportals von Studenica (Abb. 4). Dasselbe gilt von den Apsisfenstern, wo die Abhängigkeit geradezu frappant ist. Sie erstreckt sich bis zur Übereinstimmung in der Wahl der ornamentalen Motive.

 

Über 150 Jahre trennen Dečani von Studenica und doch finden wir dort die gleiche Formensprache wieder. Zwar ist in der Skulptur der lebendige Zug eines gotischen Naturalismus vorhanden, aber der Portalschmuck ist seinem ganzen Charakter nach noch durchaus romanisch und wäre um diese Zeit in Süditalien undenkbar. Wir haben in Cattaro ein stilistisches Gegenbeispiel in dem Fenster der Kirche des heiligen Tryphon, das ungefähr aus derselben Zeit stammen dürfte [23]. In der Formgebung ist es ebenso archaisch wie die Skulpturen in Dečani. Es muß also eine zurückgebliebene archaisierende Schultradition an der Adriaküste bestanden haben. Fra Vita hat sich ihr angeschlossen. Daraus erklärt sich auch das Zurückgreifen auf Studenica. Daß dies kein vereinzelter Fall war, werden wir noch später sehen. Romanische Formen treten noch im 15. Jahrhundert in den Westbalkangebieten aus.

 

Der Einfluß des Küstenlandes und der italienischen Architektur verrät sich auch in der farbigen Quadersteinbehandlung, die in Dečani zu besonderer Wirkung gelangt. Diese farbige Wandbehandlung finden wir im Küstenland, in Süditalien und sogar in der Toscana wieder [24]. Die Ähnlichkeit dieser horizontalen Auflagerung von farbigen Quaderschichten mit italienischen Bauten ist so auffallend, daß wir uns nicht wundern würden, wenn die Anlage in Dečani plötzlich in Florenz oder Pisa vor uns auftauchte!

 

Langsam dringt der gotische Stil auch in die Raumgestaltung ein. In Gradac finden wir neben gotischen Strebepfeilern an den Apsiden gotische Kreuzgewölbe im Hauptschiff und in der Vorhalle (Taf. VI, 6). Den Höhepunkt in der Umwandlung eines byzantinischen Raumes in einen gotischen bildet wiederum Dečani [25]. Statt einer Zusammenfassung der einzelnen Raumteile zu einem Ganzen durch glatte Tonnengewölbe,

 

 

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die eine Überleitung zum beherrschenden Kuppelraum bilden und die Schönheit großer Überschaubarer Räume anstreben, erfolgte hier zum erstenmal in der Architektur des Westbalkans eine Zerschlagung des einheitlichen Raumes in einzelne mit Kreuzgewölben überdeckte Traveen (Taf. VI, 7). Hauptschiff, Nebenschiffe und Vorhalle find somit gotisch aufgelöst worden. Säulen und Pfeiler trennen die Nebenschiffe von einander. Sogar Ansätze zu einem gebundenen System sind vorhanden. Der in sich ruhende byzantinische Raum ist in Bewegung geraten. Die rhythmische Abfolge der Traveen reißt das Auge in die Tiefe. Zwar ist das gotische Traveensystem noch nicht auf die Wände und Pfeiler übertragen worden, aber die Tiefentendenzen haben den Raum erfaßt. Ein der byzantinischen Architektur ganz fremder Geist hat sich seiner bemächtigt. Die letzten Schranken sind scheinbar gefallen. Der Außenbau bildet keine Maskierung einer byzantinischen Raumgestaltung, sondern ist nur der Ausdruck einer der gotischen Architektur angenäherten Innengestaltung.

 

Bei genauer Beobachtung fallt jedoch eine Besonderheit auf, die darauf schließen läßt, daß in diesem scheinbar ganz dem Geiste der abendländischen Architektur angepaßten Bauwerk sich etwas zu regen beginnt, was hier stets schlummernde Kräfte zu neuem Leben erweckt: eine neue Erweckung byzantinischer Bauideen. Denkt man sich die äußeren Schiffe und den Vorhallenvorbau weg, dann haben wir vor uns die klar durchdachte Raumgestaltung einer byzantinischen Kreuzkuppelkirche [26]. Es ist wie ein Vexierbild! Der Höhepunkt gotischer Einflüsse begegnet sich hier mit der Wiederaufnahme eines für die byzantinische Architektur grundlegenden Bautypus! Zwei äußerste Gegensätze berühren sich au einer Stelle, wo man dies am wenigsten erwarten würde. Solche Überraschungen bietet uns die Kunst der Westbalkanvölker. Und doch mindert sich diese Überraschung bei Prüfung der geschichtlichen Zusammenhänge. Tatsächlich stehen wir in der Geschichte der Baukunst des Westbalkans vor einem neuen Wendepunkt, dem wir uns noch zuwenden werden, um das Geheimnis um Dečani zu klären.

 

Zuletzt noch die großen Vorhallen, welche die Anlagen an den Westseiten umgeben. Wir finden sie in Žiča, Peć, Sopoćani, Dečani (Taf. VI, 2, 3, 5, 7). Fällen wurden ihnen Türme vorgelagert (Žiča, Sopoćani). Ob alle diese Anbauten spätere Zutaten [27] sind und im 14. Jahrhundert ausgebaut wurden, steht nicht fest. Diese Vorhallen sind zweifelsohne byzantinischen Ursprungs, und wir finden sie in den Klosterkirchen vom Athos z. B. in dem berühmten Kloster von Hilandar. Es unterliegt keinem Zweifel, daß sie von dort von der raszischen Baukunst übernommen worden sind. Aber gleichzeitig erfolgte eine Anpassung an die hier vorwaltenden Stilabsichten:

 

 

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sie passen sich den Basilikalen Langhaustendenzen an und erhalten in einigen Fallen einen alleinstehenden romanischen Turmvorbau, also eine romanische Fassadenwirkung, oder wie in Dečani das Aussehen einer dreischiffigen, mit Pultdächern überdeckten Basilika mit einer Wandfassade. Aus der Not wird eine Tugend gemacht! Den Erfordernissen des Byzantinischen Ritus wird Genüge getan, aber die Gestalt der Vorhalle wird dem Geist der abendländischen Architektur angepaßt.

 

Aus dem gewonnenen Überblick über die Geschichte der raszischen Architektur des 13. und 14. Jahrhunderts entnimmt man, daß sie nicht nur die Traditionen der Baukunst aus der Zeit Stephan Nemanjas fortfetzte, sondern auch darüber hinaus eine immer stärkere Anlehnung an die abendländische Architektur verrät, wobei sie aber die ihr zugrundeliegende Synthese zwischen abendländischer und byzantinischer Formgestaltung nie aufgibt. Zuletzt tritt eine neuerliche Anlehnung an Byzanz in Erscheinung.

 

Auch die historischen Zusammenhänge bestätigen uns die aus der stilgeschichtlichen Betrachtung gewonnenen Ergebnisse. Die abendländische Richtung wird hauptsächlich von der Gattin Uroš I., Helene von Anjou, durch zahlreiche katholische Stiftungen in Cattaro, Antivari, Dulcigno und Skutari eifrig propagiert. Das Kloster Gradac am Ibar, welches zuerst gotische Formen einführt, wurde von ihr gestiftet. Sie und ihre katholisch-französische Umgebung hatten einen langandauernden Einfluß auf den serbischen Hof bis zu ihrem Tode (1314) ausgeübt. Ein stetes Schwanken zwischen Byzanz und Abendland ist für ihre beiden Söhne Dragutin (1276 bis 1282) und Milutin (1282—1321) bezeichnend. Bei dem letzteren ist zeitweise eine stärkere byzantinische Reaktion bemerkbar (Bündnisse mit Byzanz und Ostexpansion), die seit dieser Zeit im Zunehmen begriffen ist [28]. Aber nie ist sie mit einem radikalen Ausscheiden der westlich-lateinischen Einflüsse verbunden. Nach dem Krieg mit Karl Robert von Anjou stiftet Milutin in der katholischen Nikolauskirche in Bari einen silbernen Altar mit einer lateinischen Inschrift, wo er sich stolz als Herrn des ganzen Landes vom Adriatischen Meer bis zur Donau bezeichnet. Darin zeigt sich seine enge Verbundenheit mit den westlichen Küstengebieten und ihrer lateinischen Kultur.

 

Wechselnde Beziehungen zu den abendländischen Mächten und zu Byzanz sind auch für Stefan Uroš III. Dečanski bezeichnend und haben ihren Niederschlag in feiner berühmten Stiftung von Dečani gefunden.

 

Immerhin ist feit dem Tode Helene von Anjous eine gewisse Verschiebung zugunsten von Byzanz zu verzeichnen, die sich in der Baukunst des 14. Jahrhunderts immer starker Bemerkbar macht.

 

Wir stehen vor einem neuen Vorstoß der byzantinischen Kunst auf dem Balkan.

 

 

1. B. Filow, Geschichte, S. 54, nennt diese Anlagen stützenlose Kreuzkuppelkirchen. Doch erscheint die Kreuzform, vom Standpunkt der Raumgestaltung aus betrachtet, nur wenig betont. Von den basilikalen Kuppelkirchen unterscheiden sich diese Bauten dadurch, daß sie keine Nebenschiffe besitzen.

 

2. N. Brunof, Die Frage nach dem Baustil des Palaiologenzeitalters in Konstantinopel: Bulletin de l'Inst. arch. bulg. V, (1928/29), S. 187—222. Die Datienmg des Tekfur-Serails in das 14. Jh. erweckt Bedenken. Aber abgesehen davon, kann der Ursprung der farbigen Außendekoration nicht aus den Balkanländern abgeleitet werden, da sie bereits viel früher in Konstantinopel anstatt.

 

3. Die Ansichten über die Erbauungszeit der Marienkirche in Stanimaka schwanken immer noch zwischen dem 12. und 13. Jh. Filow und Protič datieren sie ins 13., Maurodinov und Ivanov ins 12. Jh. Ein Vergleich mit der sehr viel entwickelteren Erzengelkirche in Mesembria würde eher für das 12. Jh. sprechen.

 

4. G. Bošković, Note sur les analogies entre l'architecture serbe et l'architecture bulgare en Moyen Age: Bulletin de l'Inst. Arch. Bulg. X (1936), S. 57—74. Der Autor vertritt die Meinung, daß sich die Turmanlage aus Konstantinopel über Bulgarien nach Raszien verbreitet hätte und der von den Kreuzfahrern errichtete Glockenturm der Sophienkirche als Vorbild für die Balkantürme gedient hätte. Aber die häufige Anwendung des Turmes in den Westbalkangebieten würde eher gegen eine folche Annahme sprechen.

 

5. M. Maurodinov, L'église à nef unique, S. 47. M. datiert die Anlage in die zweite Hälfte des 13. Jh.s., dagegen Filow, Geschichte S. 56, vermutungsweise in den Anfang des 14. Jh.s. Nach einer Konstruktion Raschenovs, Églises de Mesemvria, S. 81 bis 88, befand sich über dem Narthex wie in Stanimaka ein Turm.

 

6. In diesem Zusammenhang muß die vornemanjidische Architektur der alten Küstengebiete von Zeta (Diokletien, Montenegro) und Zahumlien (Herzegowina mit dem zugehörigen Küstenstrich) erwähnt werden. Die Architekturdenkmäler dieser Gebiete stehen im 10.—12. Jh. mit der westlichen dalmatinischen und romanischen Architektur im engsten Zusammenhang.

 

 

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Meistens sind es Steinbauten, deren Bauformen entweder einer westlichen Basilika, wie z. B. die Anlage in Bojana bei Skutari oder bei Taraboš daselbst entsprechen oder romanischen Stilcharakter verraten wie z. B. die Kirche in Ratac bei Bar. — Sehr weit verbreitet sind kleinere einschiffige Anlagen mit durch Quergurten abgeteilten Tonnengewölben und nach außen auftretenden Lisenen. Diese Lisenenkirchen hängen mit dalmatinischen altchristlichen und frühmittelalterlichen Bauanlagen engstens zusammen.

Vgl. E. Dyggve, Das Mausoleum von Marusinac und sein Fortleben: Actes du IVe Congres intern. des études Byzantines 1934, S. 229—237. — Die erwähnten Anlagen besitzen manchmal echte oder blinde Kuppeln (Kirche des hl. Michael auf der Insel Schipan, Georgskirche in Grobel bei Titograd). Die Kuppel hat einen romanischen Charakter, aber die Verbindung einer Kuppel mit einer Langhausanlage geht auf die Verquickung byzantinischer und westlicher Bauideen zurück. Über spätere Anlagen dieses Typus vgl. S. 74—75.

 

Die einzige Anlage, die aus dieser Reihe herausfällt ist die Peterskirche in Bijelo Polse, die bereits die Form der raszischen Anlagen besitzt (Türme, Vorhalle, Querschiffe, aber noch keine Kuppel). Sie ist auch laut Inschrift vom Bruder Nemanjas’ Miroslav 1195 errichtet worden. Für die Entwicklung der späteren raszischen Architektur ist die Tatsache von Wichtigkeit, daß hier bereits die Grundelemente der romanischen westlichen Architektur, die dann in Raszien zum Durchbruch kommen, vorgebildet waren. Vgl. die gründliche Untersuchung dieser vorraszischen Architektur bei A. Derocco, Architecture monumentale, S. 39—48 mit zahlreichen Grundrissen.

 

6a. G. Millet, L'ancien art serbe, Les églises, Paris 1919, S. 52, und N. Okunev, Stolpi sv. Georgija, razvaliny chrama XII. n. okolo Novaho Bazara: Seminarium Kondakovianum I., S. 232 und Miloje M. Vasić: Žiča i Lazarica, Studije iz srpske umetnosti srednjega veka, Belgrad 1928, S. 16—18.

 

7. Die ursprüngliche Form der Apsis läßt sich schwer feststellen. Nach V. Petković, Eine Kirche des Königs Nemanja. Studien zur Kunst des Ostens, Wien-Hellerau, 1923. Abb. 1, war die einzig vorhandene Apsis polygonal gebildet (sechsteilig), soll aber aus einer Restaurierung unter König Dragutin stammen. Nach A. Derocco, Les deux églises des environs de Ras: L'art byzantin chez les Slaves Bd. I., Abb. 34, waren ursprünglich drei polygonale Apsiden vorhanden, was auch die Übereinstimmung mit den anderen Bauten dieser Gruppe bestätigen würde. Dazu vgl. den letzten Grundriß bei A. Derocco, a. a. O., S. 105, Abb. 127, wo die Form der Apsiden in Frage gestellt ist.

 

8. V. Petković a. a. O., S. 161—163, überschätzt den orientalischen Einfluß z. B. in der Turmfassade oder in der Breitenausdehnung der Anlage, in denen er syrische und mesopotamische Einwirkungen sieht. Überzengender ist seine Annahme islamischer Einwirkungen aus Sizilien (ovale Form der Kuppel), aber diese treten gegenüber dem byzantinisch-romanischen Charakter der Anlage entschieden zurück.

 

 

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9. Die Quergurten werden von G. Millet, L'art serbe, S. 55 von orientalischen Vorbildern (Anatolien, Armenien) abgeleitet. Eine Abteilung der raszischen Architektur von der armenischen hat M. L. Burian: Die Klosterkirche von Studenica, Zeulenroda 1934, zu begründen versucht. Trotz gewisser allgemeiner Übereinstimmungen, die auf die gemeinsamen byzantinischen Grundlagen mit Leichtigkeit zurückgeführt werden können, sind die Unterschiede viel zu groß, um unmittelbare Einflüsse wahrscheinlich zu zu machen.

 

10. Vgl. dazu G. Millet, Etüde sur les églises de Rascie in L'art byzantin chez les Slaves, I., S. 191 und L'ancien art serbe. Paris 1917, S. 85. Millet behauptet, daß in dem inneren architektonischen Aufbau dalmatinische bzw. über Dalmatien sich ausbreitende lombardische Einflüsse, dagegen in der Außengestaltung der Portale apulische Einflüsse festgestellt werden können. In der letzten Zeit hat G. Bošković, Dečani, Monumenta Jugoslaviae Artis veteris I, Academia regalis serbica. Belgrad 1941, S. 216—218, diese Ansicht insoweit korrigiert, als er den dalmatinischen Einfluß ausschaltet und norditalienische und apulische Einwirkungen in den Vordergrund stellt. Zusammenfassend stellt et fest, daß die Lombardei und Apulien nur Elemente, aber keine direkten Vorbilder für Studenica abgegeben haben. Er nimmt ausgedehnte Reifen des Bildhauers von Studenica an. Gegen diese Ansicht spricht jedoch die Tatsache, daß in den apulischen Portalen sowohl in der byzantinisch-romanisierenden Ornamentik als auch in der Verwendung von ähnlichen Motiven (große nach außen ausladende Archivolte, Tiere auf Konsolen, Bandverschlingungen, „geblähte" Bogenstellungen über dem Tympanon wie sie in der Nikolauskirche in Bari, in S. Leonardo bei Siponto, in den Kathedralen von Bitonto, Troja und vielen anderen auftreten) große Stilübereinstimmungen mit Studenica herrschen. Vgl. dazu M. L. Burian, a. a. O., S. 47—48.

 

11. M. Vasić, Žiča i Lazarica, S. 17, nimmt an, daß die Nikolauskirche in Kuršumlija von einem griechischen Meister, den der Kaiser Manuel Komnenos Stephan Nemanja zur Verfügung gestellt hat, errichtet wurde. A. Derocco, Architecture, S. 58, datiert die Anläge in die Jahre 1168—72 und läßt die Frage offen, ob wir es hier nicht mit einem älteren erneuerten byzantinischen Kirchenbau zu tun haben. Allerdings fehlt eine Begründung dieser Behauptung.

 

12. M. Vasić a.a.O., S. 32—33. Dagegen verlegt V. Petković. Eine Kirche des Königs Nemanja: Studien zur Kunst des Ostens, 1925 S. 159, die Anlage vor die Schlacht in Pantina 1168. A. Derocco, Architecture, S. 158, datiert sie nach 1168. Wie in den meisten Fällen fehlt auch hier eine sichere Datierungsgrundlage.

 

13. Über die engen Beziehungen Nemanjas zu Kaiser Friedrich Barbarossa und ihre Zusammenkunft in Nisch (1188), über das freundschaftliche Verhältnis Nemanjas zu Papst Klemens III., zum Küstenland und zu Ragusa und über die Normalisierung der Beziehungen nach dem Krieg mit Byzanz vgl. Vasić, Žiča i Lazarica S. 33 und K. Jireček, Geschichte der Serben, Kap. V.

 

 

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14. Die entwickelte Formensprache der plastischen Ausschmückung in Studenica würde für eine späte Entstehungszeit sprechen, sie dürfte kaum vor 1190, wenn nicht später anzusetzen sein. Vgl. Burian, a. a. O., S. 32 und Vasić, a. a. O., S. 32 A. Derocco, Architecture, verlegt den Bau in die Jahre 1183—91. Bošković, Dečani S. 218, Fußnote 18, zwischen 1183—1196.

 

14a. Vgl. die Datierungen der Anlagen bei A. Derocco, a. a. O. S. 58—60, die nur um weniges von den hier angegebenen abweichen. Daselbst die Zusammenstellung weiterer Anlagen, die zu dieser Gruppe gehören.

 

15. Paolo Orsi, Le chiese basiliane della Calabria. Florenz 1929, S. 44—54, Abb. 24, 28, 29, 31, 32.

 

16. In einigen Anlagen ist dieser blockartige Kuppelunterbau mit den äußeren Grundmauern direkt verbunden (in Studenica, Žiča, Peć), in anderen Anlagen (Mileševo, Sopoćani, Arilje, Dečani) setzt er sich gegen die Grundmauern ab. — Ein ähnliches Verhältnis zwischen Kuppel und Kuppelunterbau finden wir in einigen Athoskirchen wie z. B. in Hilandar, Dochiariu und Kutlumusiu. Allerdings ist ein Entlastungsbogen bei den meisten Anlagen vorhanden und daher der Übergang zwischen Kuppeltambour und Kuppelunterbau nicht so abrupt wie in den serbischen Anlagen.

 

17. Vgl. die sehr aufschlußreichen Beobachtungen über diese neuen Kuppellösungen bei G. Millet, Étude sur les églises des Rascie: L'art Byzantin chez les Slaves, Bd. I. Paris 1930, S. 147—188. M. findet eine Ähnlichkeit in der Lösung der Kuppelprobleme zwischen Raszien und Cattaro (Collegiata). Die Anlagen in Cattaro bilden daher Zwischenstufen zwischen den kalabrischen und raszischen Bauten.

 

18. Orsi, Le chiese basiliane Abb. 31—32.

 

19. Ebda, S. 81.

 

20. A. Derocco, Les deux églises des environs de Ras, S. 137—146. Die Anlage besaß ein einheitliches Satteldach, so daß sie nach außen einen ausgesprochen basilikalen Eindruck machte. Vgl. Rekonstruktion auf Abb. 49. Der Turm mit dem Narthex soll später angebaut worden sein. Die Kirche wurde 1689 von den Türken zerstört.

 

21. M. Vasić, Žiča-Lazarica, S. 48. V. nimmt mit Recht küstenländische Meister in Anspruch und verwirft die Nachricht des Biographen des hl. Sava, Theodosius, von dem Anteil der Konstantinopler Meister.

 

22. M. Zloković , L'église de Gradac, fondation pieuse de la reine Helene: Bulletin de la societe scientifique de Skoplje XV—XVI. Skoplje 1936; S. 61—80. Die Anlage verrät einen auffallend starken gotischen Einfluß nicht nur in den Einzelmotiven, sondern auch in der Kuppelkonstruktion. Die Kuppel ist oktogonal und besitzt eine Art von Trompen. Der gotische Einfluß ist durch die Stifterin Helena, die aus dem Haus Anjou stammende Gemahlin Uroš I., zu erklären.

 

23. G. Millet, Étude sur les églises de Rascie, S. 191 bis 193. Das Fenster stammt in seiner heutigen Gestalt, abgesehen von den modernen Restaurierungen, aus dem 16. Jh.

 

 

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In seiner Formgebung erinnert es an das Portal der Dominikanerkirche in Traú (1323—72). Im Vergleich mit den italienischen Fensterformen des 14. Jh.s erscheint es wie ein romanischer Archaismus, ganz ähnlich wie die Fenster in Dečani. Vgl. dazu Bošković, Dečani, S. 217, der das Fenster 1362 datiert.

 

24. Über die Basilika in Ratac (Küstenland) vgl. Preßl, Die Ausgrabungen von Ratac: Kunstgesch. Jahrbuch der Zentralkomm. VII (1913), S. 32, ferner G. Bošković, Notes de voyage: Starinar 3. Ser. VI, 1931, S. 140 ff. Über Banjska bei A. Derocco, Architecture S. 89, Abb. 101.

 

25. A. Derocco, L'église du couvent de Dečani: Bull. de la soc. scient. de Skoplje XII (1933), S. 135—146, und die erschöpfende monographische Bearbeitung von Bošković, Dečani, Belgrad 1941. Der Erbauer der Anlage, der Franziskanermönch Fra Vita aus Cattaro (die Errichtung von Dečani 1328—1335), ist durch die zyrillische Inschrift des Südportals (vgl. Abb. XXXIII und S. 243 ebda) identifiziert. Inwieweit seine Gehilfen Georg, Dobroslav und Nikolaus außer dem Eingangsturm und Refektorium am Bau beschäftigt waren, ist ungewiß. Im Schmuck der Fenster und der Portale lehnt sich Fra Vita an Studenica an. Es ist also der küstenländisch-dalmatinische von Oberitalien und Apulien beherrschte Kunstkreis, der in der Skulptur von Dečani wieder zum Ausdruck gelangt. Auffallend ist nur die Verspätung dieser Formgebung — es ist der „romanische Archaismus" der hier wieder einmal greifbar wird. Vgl. noch dazu Bošković, a. a. O., S. 312—220.

 

26. Einen Vorläufer bildet die Anlage in Banjska, wo sich sowohl im Grundriß, als auch in der Mauertechnik der oberen Teile und hauptsächlich in der Pendentif-Kuppel byzantinische Einflüsse wieder stärker geltend machen, während die unteren Teile (wie z. B. Kreuzgewölbe) den Einfluß des Küstenlandes verraten. Vgl. A. Derocco, Architecture, S. 90, Abb. 102. Vgl. M. Vasić, Žiča, S. 66—74. — Die Annäherung an die byzantinische Kreuzkuppelkirche kommt vor allem in den vier freistehenden Kuppelpfeilern und in dem dreiapsidialen Altarabschluß in Dečani, teilweise auch in Banjska zum Vorschein. Man vergleiche damit den Grundriß von Žiča, Morača, Sopoćani, wo keine freistehenden Pfeiler und kein dreiapsidialer (byzantinischer) Altarabschluß vorhanden war. Von den westlichen Anlagen kann eine große Ähnlichkeit mit der Anlage S. Maria di Portonnovo bei Ancona festgestellt werden. Vgl. Bošković a.a. O., S. 214, Abb. 127 und 128. Die zylindrische Kuppelform (von Dečani) bringt Bošković mit Bauten in Bulgarien, Südserbien und Mazedonien in Zusammenhang (St. German am kleinen Prespasee, Kubelitissa von Kastoria) — aber wir finden diese Form auch in Süditalien.

 

27. Vasić, a. a. O., S. 80 behauptet, daß diese Anbauten und Turmfassaden erst nach 1319, d. h. nach der Übersetzung des Typikons des hl. Sava aus durch Nikodemos, errichtet worden wären. Dem widerspricht die Tatsache, daß in der Georgskirche in Ras die Türme mit der Anlage gleichzeitig entstanden sind. Nach Petković, Manastir Žiča, 1911, S. 8—10, stammt der Turm von Žiča aus dem ersten Drittel des 13. Jh.s. Zweiturmfassaden besaßen auch zwei später umgebaute raszische Anlagen:

 

 

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Die Peterskirche in Bijelo Polje (1197—1199) und die Georgskirche in Berane. Alle diese Beispiele sprechen für den westlich romanischen Ursprung der Turmanbauten (Millet, Études sur les églises de Rascie S. 149—166). Von den Athosklöstern besitzt das Kloster in Philothéu einen Turm, aber erstens ist der Turm mit den Seitenaufbauten verbunden, zweitens scheint er eine spätere Zutat zu sein. Leider fehlt eine architekturgeschichtliche Untersuchung der Anlage. Vgl. Mönchsland Athos, München 1943, S. 54, Abb. 14.

 

28. M. Vasić, a. a. O., S. 90—91.

 

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