Старая Сербия (XIX—XX вв.). Драма одной европейской цивилизации

Славенко Терзич

 

Резюме

 

ALTSERBIEN (19.—20. Jahrhundert): DRAMA EINER ZIVILISATION

 

Zusammenfassung

 

 

Das ist ein Buch, das von einem großen politischen und zivilisatorischen Stromwirbel redet, dessen volle wissenschaftliche Auslegung in relevanten Wissenschaftsstudien nicht genug berücksichtig wurde. Altserbien (Rascien, Kosovo und Metohien und Skopje-Tetovo Gebiet) wird in dieser Arbeit vorrangig als historisch-geographischer und kultur-zivilisatorischer Begriff behandelt, und keineswegs als der Begriff der Verwaltung oder der Politik. Der Untertitel des Werkes Drama einer Zivilisation verweist auf einen ungewöhnlich komplexen und traumatischen historischen Weg dieser serbischen Provinz. Vom jahrhundertelangen politischen, staatlichen und kulturellen Zentrum der Serben, in dem die größte gesellschaftliche, Ökonomische und zivilisatorische Reichweite der serbischen Gesellschaft vor dem Fall unter die osmanische Herrschaft verwirklicht worden war, wurde es zu einem Gebiet, in dem die meisten serbischen kulturellen Errungenschaften vernichtet oder zerstört wurden, und das serbische Volk selbst meistens durch Zwangsmaßnahmen nach und nach vertrieben worden war. Dies bezieht sich in erster Linie auf Kosovo und Metohien als Sitz des Alt-Serbien. Das Zusammentreffen der serbischen christlichen Zivilisation mit der islamischen hatte große historische Zerstörung der serbischen Gesellschaft und des serbischen Erbes zur Folge.

 

Dieses Buch befasst sich nicht mit der Geschichte des Altserbien in all ihren Details. Sein Ziel ist es, vor allem in einer synthetischen Art und Weise auf die wichtigsten historischen Probleme in der Entwicklung eines besonders bedeutenden Gebietes des serbischen Volkes hinzuweisen, das in den beiden letzten Jahrhunderten sowohl in politischer und gesellschaftlicher als auch in wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht größte an Zerstörungswut erlebt hat. In den wissenschaftlichen Geschichtsschreibungen gibt es relativ wenige Arbeiten, die sich mit historischen Problemen des Altserbien befassen. Die Vernachlässigung des Begriffes Altserbien als historisch-geographische Bezeichnung des serbischen Staatssitzes ist in bei den westlichen Historiker außergewöhnlich auffalend. Deswegen habe ich Altserbien besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Der Begriff geht auf die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts gleich nach der Serbischen Revolution (1804—1815) zurück, um das wichtige nicht befreit gebliebene historische Gebiet Serbiens unter der osmanischen Herrschaft von dem neuen politischen Embryo des künftigen serbischen Staates zu unterscheiden, das in dem

 

453

 

 

Norden Serbiens, bekannt als das Gebiet „Šumadija“ und den umliegenden Gebieten entstand und das als Fürstentum, ab dem 1882 als Königreich Serbien bekannt ist. Außer der einheimischen Schriftsteller und Forscher gebrauchen viele ausländische Autoren den Begriff Altserbien wie etwa der Österreichisch-ungarische Generalstabsmajor Peter Kukulj, der Geograph Karl Peuker, der französische Anthropogeograph Gaston Gravier und viele andere britische, deutsche, Österreichisch-ungarische, russische Reisenden und Forscher.

 

Altserbien hat in seiner Struktur drei engere regionale Teile: Rascien (oder Altes Rascien, wie von einigen Autoren genannt), Kosovo und Metohien und Oberes Vardargebiet bzw. Kumanovo und das Gebiet um Skopje und Tetovo. Die historisch-geographische Bezeichnung sollte mit politischen oder Verwaltungsbezeichnungen, wie so oft der Fall ist, nicht verwechselt werden. Während der Ottomanischen Herrschaft, die bis zum Jahre 1912 dauerte, wurde dieses Gebiet sowie andere Provinzen unter der osmanischen Herrschaft in osmanische Verwaltungseinheiten — Länder, Sandschaks, Kasas und Gebiete geteilt.

 

Während der Ottomanischen Herrschaft gehörte Altserbien verschiedenen Verwaltungseinheiten. Von 1877 bis 1912 war das Territorium des Altserbien hauptsächlich von Kosovo erfasst, das sich vom Fluss Tara bis unterhalb der Stad Skoplje im Süden erstreckte. Das Kosovo Land wurde in mehrere Sandschaks aufgeteilt. Im Raum Rscien gab es zwei Sandschaks: um Pljevlja und Novi Pazar (ab 1901 Sjenica). Kasa von Novi Pazar gehörte zum Priština Sandschak und die von Berane zum Peć Sandschak. Anstatt der historischen Namen des Gebietes oder seiner konkreten Verwaltungsbezeichnungen begann man Anfang des 20. Jahrhunderts den Begriff „Sandschak“ (obwohl es mehrere Sandschaks gab) als Synonym für türkische Herrschaft im Raum Rscien zu gebrauchen, der zu jener Zeit ein eigenartiger Korridor zwischen Serbien und Montenegro darstellte. Die Funktion dieses Korridors war, den politischen und militärstrategischen Durchbruch Österreich-Ungarns aus dem okkupierten Bosnien und Herzegowina zu den albanischen ethnischen Gebieten einerseits und zum Morava-VardarTal und Saloniki andererseits zu ermöglichen. Die Tatsache, dass der politische Durchbruch Österreich-Ungarns zu südlichen Bereichen von Balkan und dem Östlichen Mittelmeer über Altes Serbien führte, beeinflusste im Zeitraum bis 1918 die politische Dramatik dieses Gebietes.

 

Die historischen Probleme der Entwicklung des Alten Serbiens haben in den letzten zwei Jahrhunderten ihre Kontinuität, wenn es sich um tiefere demografische, ethnische und kulturelle Prozesse handelt, aber auch eine Diskontinuität hinsichtlich der staatspolitischen Rahmen, in denen es sich entwickelte. Einen historischen Zeitraum macht die Epoche unter der Ottomanischen Herrschaft bis zur Befreiung 1912 und der andere Zeitraum beginnt mit der Verbindung des Gebietes mit dem Königreich Serbien und setzt sich mit dem Zusammenleben im jugoslawischen Staat bis zu seiner Spaltung Ende des 20. Jahrhunderts fort. Von 1912 bis zum Ende des 20. Jahrhunderts war die Grundeigenschaft des Lebens des Alten Serbiens eine träge Integrierung in wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Prozesse der entwickelten Gebiete Serbiens und Jugoslawiens. In diesem Buch sind alle Tatsachen vorgelegt, die von einer aus der Ottomanischen

 

454

 

 

Herrschaft geerbten niedrigen Entwicklungsstufe aussagen, die trotz großer Investitionen nur langsam überwunden wurde.

 

Hinsichtlich der Verwaltung teilte sich Altserbien 1912—18 im Rahmen Serbiens auf Kreise und Bezirke im Königreich Serbien, und auf „Kapitanate“ und Bezirke im Königreich Montenegro. Dieses Buch widmet besondere Aufmerksamkeit der Befreiung des Altserbien 1912, jedoch nicht so sehr als militärisches Ereignis (Erster Balkankrieg 1912—13), sondern mehr als große gesellschaftliche und zivilisatorische Wende. Die Befreiung des Altserbien und der anderen Balkanprovinzen war ein Ende jenes langwierigen historischen Prozesses in europäischer Geschichte, der mit dem endgültigen Aufhalten der Türken vor Wien im Jahre 1683 und deren Verdrängung aus Mittel- und Südosteuropa, die von 1683 bis 1912 dauerte. Mit dem ersten Balkankrieg 1912—13 sind die Voraussetzungen für die Reintegration dieses Teils von Südosteuropa mit entwickelten europäischen Zentren geschaffen worden.

 

Mit Beschlüssen der Londoner Botschafterkonferenz 1912/13 und des Friedens von Bukarest im Jahre 1913 gelang ein größerer Teil des Alten Serbien zum Königreich Serbien, während der kleinere Teil (Pljevlja, Bijelo Polje, Berane, Plav, Gusinje, Rožaje, Peć und Djakovica) gelang zum Königreich Montenegro. Die Albaner als Volk bekamen 1912 ihren autonomen nationalen Staat Albanien. Geringere Teile des albanischen Volkes blieben als Minderheiten in Serbien, Montenegro und Griechenland, aber auch Teile des serbischen und des griechischen Volkes setzten ihr Leben als Minderheiten in Albanien fort. Altserbien als Teil des Königreiches Serbien gelang in die Struktur des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen bzw. des Königreichs Jugoslawien. 1918 vereinigte sich Montenegro durch den Willen des serbischen Volkes in Montenegro mit Serbien und in dieser Art und Weise gelang in die Struktur des neu gebildeten jugoslawischen Staates

 

In der verwaltungsmäßigen Hinsicht teilte sich Altserbien zwischen den beiden Weltkriegen auf Gebiete bis 1929. und Herzegtümer („Banovine“) ab dem Jahr 1929. Zum größten Teil gehörte es zum Gebiet von Užice, Raška, Kosovo und Skopje und ab 1929. größtenteils zur „banovina“ Zeta und Vardar, mit geringem Teil auch zur „banovina“ Morava. Nach dem Sieg der kommunistischen Bewegung im Zweiten Weltkrieg wurde der jugoslawische Staat in einen Bundesstaat umorganisiert. Der Raum des Altserbien gelang in die Zusammensetzung dreier Bundesländer. Mit einem größeren Teil (Teil von Rascien und Kosovo und Metohien) als Bestandteil der Republik Serbien, mit einem kleineren Teil von Raška gelang zu Republik Montenegro (Gebiete, die 1912—13 an Montenegro ausgenommen Peć und Djakovica gelangen), während das Gebiet Kumanovo und Skopje-Tetovo zur neu gebildeten jugoslawischen Republik Mazedonien gelangten. Das bedeutendste Ereignis 1945 war die Konstituierung des Autonomen Kosovo-Metohija-Gebietes in der Struktur der Republik Serbien. Daneben hatte Serbien noch eine Provinz — Vojvodina. Die Grenzen jugoslawischer Bundesländer waren weder auf dem ethnischen noch auf dem historischen Prinzip fundiert, sondern die Zerstückelung des serbischen ethnischen Raumes war das Hauptziel und somit die Schwächung des serbischen Faktors als objektiv mächtigster Faktor im jugoslawischen Staat.

 

455

 

 

Der Verlauf der Ereignisse in Kosovo und Metohien nach dem Zweiten Weltkrieg — bis zu der Jahrhundertwende war im Zeichen einer Flut aggressiven Chauvinismus albanischer Minderheit gegenüber den dortigen Serben, welcher zu einer massiven ethnischen Säuberung der Serben aus diesem Teil Serbiens, vermutlich einer der massivsten in Europa außerhalb des Kriegsgeschehens führte. Dies erfolgte mit voller Unterstützung der jugoslawischen föderalen Staatsführung mit Tito an der Spitze und mit jahrzehntelanger direkter Unterstützung und Einmischung des benachbarten Albanien. Laut unvollständigen Angaben aus Kosovo und Metohien in der Zeit 1878 —1912 sind etwa 150.000 Serben und allein im Zeitraum 1945—1990 mehr als 250.000 ausgesiedelt. Der größte Exodus erfolgte im Zeitraum 1961—1990. Andererseits während des Zweiten Weltkrieges unter der faschistisch-nazistischen Okkupation und Gründung Groß-Albaniens kamen aus Albanien in dieses Teil Serbiens etwa 100.000 Albaner und ließen sich da nieder. Dieser Prozess der Ansiedelung der Albaner aus Albanien in Serbien bzw. Jugoslawien wurde die ganze Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg fortgesetzt.

 

Kosovo und Metohien bekam willens der jugoslawischen Staatsspitze immer größere Ermächtigungen in Rahmen der Republik Serbien. Das Autonome Gebiet Kosovo und Metohien wurde 1963 in Autonome Provinz Kosovo und Metohien, und 1968 in die Sozialistische Autonome Provinz Kosovo (Bezeichnung Metohien wurde gestrichen) verwandelt. Politisch demografische Prozesse wurden auch von eigenartiger Manipulation der kulturellen Symbole begleitet. Der Begriff Kosovo ist im historischen Sinne ein zentrales Glied der serbischen nationalen und kulturellen Identität, Jahrhunderte lang das häufigste Motiv der serbischen Literatur und Kunst, der zentrale Ort des serbischen historischen Bewusstseins. Die Dinge wurden mit allen politischen und sonstigen Mitteln in Richtung des Aufbaus einer Art „Kosovo Identität“ als Teil der albanischen nationalen Identität eingestellt. Diese Art von Manipulation gelang auch in die Werke einiger europäischer Schriftsteller wie Noel Malkolm und anderer. In diesem Buch ist auf die Ausmaße solch fälschlicher Darstellung der Geschichte von Kosovo und Metohien und Altem Serbien hingewiesen worden.

 

Die große Prosperität, die die albanische Minderheit in Serbien erlebte, wurde für eine massenhafte Indoktrinierung albanischer Jugend mit ethnischem Hass gegenüber den Serben ausgenutzt, was nebst massenhaftem Exodus auch zahlreiche vereinzelte Verbrechen, fast eine alltägliche Bedrohung deren Menschenrechte und häufige Zerstörung deren Kulturund anderer Denkmäler zur Folge hatte. Im Verlaufe einiger letzterer Jahrhunderte in erster Linie osmanischer Herrschaft wurden Unmengen serbischer Kulturdenkmäler (Klöster Sopoćani, Djurdjevi stupovi, Mileševa u.v.a.) zerstört, Grabmäler und Städte serbischer Herrscher niedergerissen, einige namhafte Klöster wie Bogorodica Ljeviška und Banjska in Moscheen umwandelt, viele kostbare Schatzkammern und Klosterbibliotheken geplündert und sind fast verschwunden. Die Serben in dem Teil des Alten Serbien, das der Republik Mazedonien gehörte, entbehrten ebenfalls elementare nationale und kulturelle Rechte und wurden einer Mazedonisierung unter Zwang ausgeliefert. Altserbische Gebiete, die zu Montenegro gelangten, waren gleichfalls dem Aufdrängen der nationalen montenegrinischen Identität dortiger serbischer

 

456

 

 

Bevölkerung gegenübergestellt. All dies war ein Teil der nationalen Politik der Kommunistischen Partei Jugoslawiens, die anstelle der Integration eine Politik der Desintegration des serbischen und jugoslawischen Raumes geführt hat.

 

Auf die historische Entwicklung des Alten Serbien in letzten zwei Jahrhunderten hatten das osmanische und jugoslawisch-kommunistische Erbe eine ausschlaggebende Bedeutung. Religiöse und ethnische Mischung, größtenteils aus der Zeit der Osmanenherrschaft herrührend, die neben der Islamisierung der serbischen Bevölkerung und Ansiedelung der Albaner aus den Gebirgsgegenden des Nordalbanien in Altes Serbien anregte, wurde von Seiten der jugoslawischen Kommunisten und Großmächte als Mittel für Anfachen der Konflikte und der politischen Umformung ethnischer Staatsgrenzen genutzt. Serbische Bevölkerung (größtenteils orthodoxen und weniger islamischen Glaubens) machte 1912 die mehrheitliche Bevölkerung im Alten Serbien aus. Erst Ende des 19. Jahrhunderts wurden Albaner eine geringe Mehrheit in Kosovo und Metohien. Das Schicksal dieser ganzen serbischen historischen Provinz wurde summarisch im Titel des Büchleins Wehklagen des Alten Serbien ausgedrückt, das 1864 in Zemun vom Archimandriten des Klosters Decani Hadschi Serafim Ristić, gewidmet Wilhelm Denton, dem Beschützer der Christen in der europäischen Türkei veröffentlicht.

 

[Previous] [Next]

[Back to Index]