Die Slawen von Molise

 

Von Prof. Dr. Antonio Baldacci. Palermo

(Ins Deutsche übertragen von Dr. O. Reche. Hamburg)

 

Globus, Illustrierte Zeitschrift für Länder- und Völkerkunde, Braunschweig.

(Vereinigt mit den Zeitschriften: „Das Ausland“ und „Aus allen Weltteilen“)

Herausgegeben von H. Singer unter besonderer Mitwirkung von Prof. Dr. Richard Andree.

 

Сканове в .pdf формат (14.8 Мб) от www.digi-hub.de (1), www.digi-hub.de (2)

 

- Die Slawen von Molise                        (Globus, Bd. XCIII. Nr. 3. Braunschweig. 16. Januar 1908.)

- Die Slawen von Molise (Schluß.)  (Globus, Bd. XCIII. Nr. 4. Braunschweig. 23. Januar 1908.)

 

   - Wohnsitze der Slawenbevölkerung von Molise

   - Abbildung. l. Montemitro

   - Abb. 2. Slawische Einwohner aus Acquaviva Collecroce

   - Abb. 3. Einwohnerin aus Acquaviva Collecroce

   - Abb. 4. Frauen und Kinder aus Acquaviva Collecroce

   - Abb. 5. Bauernhaus bei Acquaviva Collecroce

   - Abb. 6. Ländliche Szene

 

 

Die Slawen von Molise. (1)

Von Prof. Dr. A. Baldacci. Palermo. Ins Deutsche übertragen von Dr. O. Reche. Hamburg.

(Globus, Bd. XCIII. Nr. 3. Braunschweig. 16. Januar 1908. S. 44-49)

   

Der Reichtum der Landschaft der alten Frentaner gehört heute der Geschichte an. Zwischen dem fruchtbaren Tieflande Apuliens und der anmutigen Landschaft Abruzzo erstreckt sich traurig und monoton, öde und verlassen die Provinz Campobasso, die vielleicht die landwirtschaftlich unergiebigste von ganz Italien ist. Die Hände der Eingeborenen bearbeiten heute den Boden jenseits des Ozeans; die Granden der Gegend schlummern in ihren verfallenen Häusern, und auch der Staat schläft! Zwischen den Flüssen Trigno und Fortore zeigt das italienische Leben sozusagen nicht einen Pulsschlag; überall ein Dahinvegetieren, auf dem Lande wie in den Ortschaften, auf den Bergen wie in den Tälern, wie an der Küste.

 

Und doch hatte Molise einst ein bedeutendes und lange andauerndes goldenes Zeitalter: die Landschaft der Frentaner hatte ihre eigene Zivilisation, in der etruskischen wie in der römischen Periode, um die sie viele andere hätten beneiden können. Doch was das Schicksal jedes Menschen Werkes ist, blieb auch Molise nicht erspart; denn nach der Glanzzeit kam der Verfall. Gleichzeitig mit dem Niedergange Roms begannen feindliche Einfälle nach Samnium. Das Adriatische Meer machte es all den Horden der benachbarten östlichen Küste gar zu leicht, herüberzukommen und eine der blühendsten Gegenden unserer Halbinsel zu verwüsten; und so haben sie denn auch durch Jahrhunderte das Land heimgesucht und geplündert. Damals ging auch die ethnographische Einheit, die zwischen Molise und Rom bestand, allmählich verloren. Daher nimmt auch heute noch Molise in ethnographischer Beziehung eine wichtige Sonderstellung ein. Nach den Zeiten des höchsten Glanzes, der seinen ruhmvollen Ursprung in Larino genommen und weiter durch die ganze römische Epoche gedauert hatte, bildet das Mittelalter eine dunkle Übergangsperiode, erfüllt von Kämpfen im Innern und gegen die Piraten und Eindringlinge , die nach der Eroberung der italienischen Küste strebten und die Spuren ihrer heftigen und wilden Angriffe im Blute der ganzen Bevölkerung zwischen Otranto und der Provinz Abruzzo zurückließen. Die heftigen Überfälle der Sarazenen trugen schließlich zum großen Teile dazu bei, die ethnographischen Verhältnisse an der Küste und im Innern von Molise endgültig auszuprägen, fast wie wir sie heutzutage finden. Die Furcht vor noch blutigeren und mörderischeren Kämpfen war es wohl, die nach jener semitischen Überflutung die Granden von Molise dazu bewog, sich zu gemeinsamer Verteidigung zusammen zu schließen. Diese traurige Periode wird nur wenig vom Lichte der Geschichte erhellt; Dokumente fehlen entweder oder sind unvollständig; man ist ausschließlich auf Mutmaßungen angewiesen. Fest steht jedoch, daß die Beziehungen zwischen den beiden Küsten der Adria im Krieg wie im Frieden seit dem frühesten Altertum bis auf unsere Tage nie unterbrochen wurden. Von uns stammende Familien finden sich jenseits der Adria mitten unter der vorherrschenden Bevölkerung und lassen sich durch ihre Namen und durch die Überlieferung erkennen; dort finden sich Namen wie Italia, Calabresi, Molfetta, angepaßt natürlich der Sprache der Gegend, ebenso wie bei uns, in Samnium, Namen wie Zara, Clissa, Ciamarra und tausend andere.

 

Molise war einst reich. Der Boden wurde durch die Wälder, die hier einen großen Teil des Gebietes bedeckten, schwarz und fruchtbar erhalten, und so war der Ackerbau die Hauptbeschäftigung der friedlichen Bewohner dieser Gegend. Das späte Mittelalter scheint dann die Bevölkerung empfindlich reduziert zu haben. Deshalb suchte der Adel immer eifriger nach fleißigen Armen zur Bearbeitung des Bodens und zur Verteidigung der Lehensgüter. So begann schließlich in Samnium ein fortwährendes Einströmen fremder Stämme von der Ostküste der Adria, die mit der Hacke, aber auch mit der Waffe in der Hand kamen, um Brot und Arbeit zu suchen; diesen Einwanderern, deren je nach den Umständen kriegerische oder friedliche Züge sich über weite Zeiträume erstreckten, gelang es nun nicht nur, sich festzusetzen , sondern auch der Gegend ein eigentümliches ethnographisches Gepräge zu geben; und so hat denn das südliche Italien noch heute zahlreiche ethnographische Inseln albanesischen, griechischen, bulgarischen und slawischen Charakters, und Samnium, das eine von den Regionen Italiens gewesen ist, die am meisten der modernen Zivilisation verschlossen blieben, zeigt noch immer in den Bewohnern der Ortschaften, deren Horizont von den Bergen La Maiella und Matese und dem Meere begrenzt wird, welch großen Einfluß die Kreuzung des Blutes auf die Bevölkerung gehabt hat. In Macchiagodena, in Sant’ Elena del Sannio, in Bojano, in Trivento und in vielen anderen Ortschaften der Provinzen Chieti und Benevent würde der Anthropologe wie der Ethnograph die interessantesten Untersuchungen anstellen können, und der Künstler und der Dichter würden die vollendetsten Typen einer rassigen und erhabenen Schönheit finden, deren Gesichtszüge, deren plastische Körperformen , deren gebräunte Haut und dunkle Augen die schönsten Traumgestalten der Phantasie verwirklichen.

 

Noch heute bewahrt in Samnium ein Teil der Bevölkerung Sprache und Gebräuche unverändert. Noch reiner haben sich die Albanesen und Slawen erhalten. Sie sind hier Nachbarn, ebenso wie in ihrer ursprünglichen Heimat Illyrien. In Molise sind sie natürlich zweisprachig; Italienisch und Albanesisch sprechen die einen, und Italienisch und Slawisch die anderen, in der Familie aber reden sie ihre alte Muttersprache. Der Philologe würde hier aber nicht nur für das Studium des Albanesischen und des Slawischen Material finden, denn es gibt hier Dörfer, wie z. B. Sant’ Elena del Sannio, deren Dialekt mit einer bedeutenden Anzahl fremder Vokabeln völlig durchsetzt ist, von Vokabeln, die, wenn sie auch stark entstellt sind, doch sofort ihre albanesische, slawische, griechische, sarazenische oder anderweitige Herkunft erkennen lassen. Dieselbe Erscheinung findet sich häufig auch in anderen Provinzen, wie z. B. in Benevent, wo Castelpuoto und S. Agata dei Goti zwei in dieser Beziehung sehr interessante Gemeinden sind. Was bedeutet das anderes, als daß wir es hier mit einem Völkermischmasch zu tun haben, das irgend ein Grande der Gegend in aller Eile und Hast aus allen Richtungen zusammenbrachte, erst zur Verteidigung der Burg und dann auch zur Bearbeitung seines Ackers? Weiterhin erhält sich in fast ganz Samnium, und zwar speziell beim weiblichen Geschlecht, die altertümliche Tracht, die, obgleich sie von Dorf zu Dorf variiert, doch immer noch die Herkunft von der reichen und vielfarbigen Kleidung der ostadriatischen Bevölkerung erkennen läßt. Leider geht der Brauch, die alten Trachten zu tragen, von Tag zu Tag zurück, und bald wird er ganz erloschen sein,

 

 

45

 

so daß einst dem, der eine vergleichende Untersuchung der Bewohner beider Küsten des Adriatischen Meeres wird anstellen wollen, das so wichtige und wertvolle Material, das die Tracht darstellt, fehlen wird. Es ist also die höchste Zeit, die letzten Überbleibsel der Stämme nicht italischer Abkunft, die noch auf unserer Halbinsel übrig geblieben sind, zu studieren [1].

 

In Molise sind besonders interessant die albanesischen und slawischen Kolonien, die Ascoli — es sind jetzt fast 45 Jahre — als erster mit der ihm eigenen Sachkenntnis und Begabung studierte. Der Name Ascolis ist heute noch unter den Alten jener schlichten Bevölkerung lebendig, die sich noch der Zeit erinnern, als der große Philologe, zwar noch jung an Jahren, aber schon reich an Kenntnissen, ihr Land durchstreifte. Nach Ascoli durchforschten viele andere Gelehrte aus demselben Anlaß Molise, von denen die einen sich den Slawen [2], die anderen den Albanesen widmeten; ich habe mich als letzter mit den Slawen beschäftigt.

 

Während die Albanesen, die hauptsächlich am rechten Ufer des Cignoflusses sitzen, sich bis südlich der Stadt Termoli ausbreiten (Montecilfone, zwischen Guglionesi und Palata am linken Ufer des Biferno gelegen , ist in der Provinz Campobasso die einzige albanesische Gemeinde, die durch die Ereignisse von dem Hauptkomplex abgetrennt wurde), halten sich die Slawen, die früher zweifellos einen großen Teil des Landes der Frentaner zwischen dem Biferno und dem Trigno innehatten, heute nur noch mühsam in drei Gemeinden, die am Trigno parallel der Küste liegen, von der sie 20 bis 25 km entfernt sind; es sind das die Orte Acquaviva Collecroce, S. Felice Slavo und Montemitro (s. Karte).

.  

Wohnsitze der Slawenbevölkerung von Molise.

 

 

Erst in der allerletzten Zeit war es, daß Acquaviva an das neue Straßennetz angeschlossen wurde; die anderen beiden Gemeinden, kennen bis heute immer noch keine anderen Wege als elende Maultierpfade über die Vorberge des Maurogebirges! Die alten Slawenzentren Ripalta, Montelungo, Palata [3], S. Biase, Tavenna und andere nähere oder weiter abgelegene waren die letzten, die das slawische Idiom verloren, und zwar im Anfänge des 18. Jahrhunderts; über S. Giacomo degli Schiavoni, Schiavi di Abruzzo, Castelluccio degli Schiavoni und andere Orte gibt es nicht nur keine Überlieferung mehr, ja die gegenwärtigen Bewohner einiger dieser Zentren leugnen jede slawische Abstammung, obwohl noch zu Zeiten Ascolis der Ort S. Giacomo am letzten Freitag des April ein Fest zur Erinnerung an die Ankunft der slawischen Kolonisten feierte, und obwohl derselbe Schriftsteller versichert, daß sich in S. Biase (S. Biase ist der Schutzpatron der Slawen von Molise) fände: „viva la tradizione delle origini slave, e parecchi vocaboli slavi sopraviventi nel dialetto italiano“ [4]. In Tavenna wurde noch im Jahre 1875 das Slawische von einigen gesprochen [5], und auch heute noch spricht es mancher Alte, wenn auch in einer derartig unvollkommenen Form, daß es nur schwer zu verstehen ist.

 

Wenn auch die Slawen von Molise einst einen gewaltigen Komplex von Zehntausenden von Individuen gebildet haben, heute ist ihre Zahl stark zusammengeschmolzen , so daß ihre Statistik recht leicht ist. Die drei Gemeinden haben insgesamt nach der letzten Volkszählung eine Bevölkerung von 4882 Einwohnern, von denen 2212 in Acquaviva Collecroce und 2670 zusammen in S. Felice Slavo und Montemitro wohnen [6]); obgleich dieser zuletzt genannte Ort durch das Gesetz vom 29. Dezember 1901, Nr. 536, von der ersteren getrennt und zur selbständigen Gemeinde gemacht worden ist, figuriert er doch in der Statistik immer noch zusammen mit der Bevölkerung von S. Felice. Man darf aber nicht etwa glauben, daß in all diesen drei Gemeinden die ganze Bevölkerung slawisch sei; ein Zehntel mindestens wird schon vom italienischen Element gestellt, das immer mehr in diese Zentren hineinfiltriert, ebenso wie es dies ja, abgesehen von der einen seltenen Ausnahme von Tavenna, in allen anderen slawischen Gemeinden getan hat, die dadurch jetzt ganz italienisiert sind. Gar keine Beziehungen mit diesen eben besprochenen Slawen hat die ethnographische Insel von Scanno und die anderen in der Provinz Chieti, wie z. B. Francavilla, Casacanditella, Forcabobolina usw.,

 

 

1. Vgl. A. Galanti, Sulla opportunitä di uno studio statistico-geografico riguardante le isole linguistiche straniere in Italia; in Atti del Secondo Congresso Geografico italiano, Rom 1896. Siehe auch Giovenale Vegezzi-Ruscalla, Prospetto topografico-statistico delle colonie straniere in Italia, Bologna 1844, und Le colonie serbo-dalmate del circondario di Larino, prov. di Molise, Turin 1864.

 

2. Im Jahre 1857 wurde gelegentlich eines Artikels im „Ausland“ in „Petermanns Mitteilungen“ die Auffindung dieser Slawen von Molise mitgeteilt. Zuerst wurden die Slawen mit den Albanesen zusammengeworfen und die einen wie die anderen mit dem gemeinsamen Namen „Schiavoni“ bezeichnet. In „Petermanns Mitteilungen“ vom Jahre 1859 wird in einem Artikel mit der Überschrift: „Die Volksstämme Italiens“ von neuem über diese Slawen gesprochen. Die ethnographische Karte bei Petermann, auf die der Artikel Bezug nimmt, gibt aber weder die slawischen noch die albanesischen Kolonien der Provinz Campobasso an. Man vergleiche mit dieser Notiz A. Rolando, Escursione storico-etnografica nei paesi slavi delle provincia di Campobasso, in Annuario del Liceo di Campobasso 1875.

 

3. Interessant ist der Stein, der sich an der Kirchentür in Palata findet; seine Inschrift lautet: Hoc primum Dalmatiae gentes incoluere castrum ac a fundamentis erexere templum a. 1531.

 

4. G. Ascoli, Nel „Politecnico“ di Milano, 1867, S. 309ff.

 

5. G. Marinelli, La Terra, Bd. IV, S. 1099.

 

6. Vgl. „Specchio dei Comuni della Provincia di Campobasso“, pubblicato della Provincia, 1906.

 

 

46

 

Dulcigno [7] ausgegangener Auswanderer hält, die sich dort im 13. und 14. Jahrhundert festgesetzt hätten; diese Ansicht kann aber schon deshalb nicht richtig sein, weil die Bewohner von Dulcigno, wie man weiß, von den alten Maltesern stammen, d. h. sarazenischen Ursprungs sind, und weil dieses Element, das sich im albanesischen und nicht im serbischen Gebiet angesiedelt hat (die Gegend von Dulcigno ist, obgleich Montenegro unterworfen, doch echt albanesisch), im Mittelalter einen Teil der Seeräuber bildete, die die Küsten der Adria unsicher machten und auch in Italien so vielen Schaden anrichteten. Wenn man daher die Bewohner von Dulcigno und die von ihnen ausgegangenen Kolonisten als montenegrinisch oder serbisch anspricht, so ist das ein grober Irrtum, der ein für allemal verschwinden muß.

 

Sehr schwierig ist es, wenn nicht unmöglich, festzustellen, woher die Slawen von Molise gekommen sind; und auch in Zukunft wird man auf diesem unsicheren Gebiete wohl nicht mehr wissen als heute.

 

Sicher ist nur das eine, daß die Slawen von Molise zur jugoslawischen oder südslawischen Gruppe gehören. Sie sind also Serbo-Kroaten, daher ohne Frage verschieden von den Slawen Venetiens, die Slowenen sind, wenn man von der gegenteiligen Anschauung über die des Resiatales absieht. Die Frage, ob die Vorfahren der Molisaner aus Dalmatien, und zwar vom Festlande, oder von den Inseln gekommen sind, möchte ich nicht auf rein philologischer und noch weniger auf anthropologischer Basis oder auf Grund des wenigen, was von ihren Gebräuchen übrig blieb, zu erörtern wagen. Andere wieder sind der Ansicht, unsere südlichen Slawen könnten aus der Herzegowina oder aus Montenegro gekommen sein, aber auch über diese Annahme ist meiner Meinung nach jede Diskussion unnütz. Auch die Slawisten selbst sind nicht weniger als andere Forscher darüber in Verlegenheit, wie sie diese Streitfrage entscheiden sollen, die durch die Zeit, die Umgebung und durch die Gewohnheit noch verwickelter geworden ist; und so hält der eine die Slawen von Molise für kroatischer oder dalmatinischer Abkunft, der andere für Serben aus der Herzegowina oder Montenegro. Und solange man nicht außer aus der Philologie und der Folklore auch aus der Anthropologie und der Ethnographie unwiderlegliche Beweisgründe beibringen kann, scheint es mir vergeblich, auf eine Lösung des Problems in dem einen oder anderen Sinne zu hoffen.

 

Ich bin jedenfalls noch immer der Ansicht, daß es, da im Mittelalter die scharfe politische Unterscheidung zwischen Kroaten und Serben noch nicht bestanden hat, sich nicht lohnt, etwas Unmögliches zu suchen. Man würde die Arbeit auf halbem Wege abbrechen müssen; denn wenn man heute selbst in der Heimat einer Völkerschaft kein wissenschaftliches Material über die Trennung der einzelnen Stämme voneinander und über die Sonderung in Küsten- und Bergbewohner finden kann, wie kann man es dann bei einem Volksstamme finden, der in Zeiten, bis zu denen herab die Wissenschaft nicht reicht, der Assimilierung durch einen anderen ausgesetzt war? Die Slawen hatten sich schon im Mittelalter an den Küsten der Provinzen Abruzzo, Molise, Capitanata (Foggia) und Apulien ausgebreitet. Vielleicht waren sie auch weiter ins Innere vorgedrungen. Woher kamen diese ersten Einwanderer? Sicher von den Küsten Dalmatiens, da man ja wohl nicht gut annehmen kann, daß die Bergbewohner der zwischen Kroatien und Albanien gelegenen Dinarischen Alpen so leicht das Meer hätten überwinden können. Die politischen wie kommerziellen Beziehungen zwischen den beiden Küsten waren damals sehr ausgeprägt und andauernd. Es ist auch leicht möglich, daß während der politischen Wirren und Umwälzungen , die in Serbien nach der Niederlage von Kosovo folgten, und auch während der nicht weniger stürmischen Ereignisse nach dem Falle Scanderbegs viele flüchtige Slawen in Italien bei ihren Blutsverwandten, die schon lange bei uns lebten, Zuflucht suchten. Daraus folgt, daß man sich nicht zu wundern braucht, wenn man unter unseren Slawen in Molise heute noch als Rest wissenschaftliche Eigentümlichkeiten findet, auf Grund deren die einen diesen, die anderen jenen Ursprung behaupten können; mir scheint, man streitet sich über Dinge von recht zweifelhafter Bedeutung, denen die Zeit jeden Wert genommen hat, und durch die man sich zu der Ansicht hatte verleiten lassen, das alte Vaterland der Slawen von Molise sei, wenn man von allen politischen Vorurteilen absieht, das liburnische Gebiet und das nördliche Illyrien gewesen. In dieser Frage muß man übrigens an erster Stelle einen Gelehrten aus Acquaviva Collecroce hören, der sich um sein Volk außerordentlich verdient gemacht hat: ich meine nämlich Giovanni De Rubertis, der, ein geborener Dichter und ausgezeichnet durch vieles und mannigfaches Wissen, sich in zahlreichen und bemerkenswerten Artikeln und Veröffentlichungen, die ihn zu einer „Persönlichkeit“ im wahrsten Sinne des Wortes machten, unermüdlich mit seinen Stammesgenossen beschäftigte. Die folgenden beiden noch nicht veröffentlichten Briefe, die De Rubertis an Cav. Alfonso Perrella aus Cantalupo del Sannio richtete, sind in ihrer Art eine Illustration seiner Heimatsprovinz. Beide Briefe, in liebenswürdigerweise von Herrn Perrella zur Verfügung gestellt, tragen das Datum vom 29. Juli 1886.

 

Von dem ersten Brief ist hauptsächlich der Schlußteil wichtig, es heißt dort:

 

„ ... Einige Schriftsteller sind unter dem Einflüsse des Geschichtsschreibers Paulus Diaconus (Buch 5, Kap. 2) der Ansicht, daß die Bewohner der slawischen Kolonien, die sich in der Umgebung von Larino finden, von Bulgaren abstammten und daß sie, nachdem sie dem Herzoge von Benevent wichtige Dienste geleistet, unter der Führung von Alczeco (im Jahre 667) sich in der Landschaft Molise festgesetzt und verschiedene Dörfer am Adriatischen Meere gegründet hätten. Nichts von alledem. Die bulgarischen Kolonisten setzten sich in der Nähe von Boiano, Sepino usw. fest, aber nicht etwa an der Westküste der Adria. Die serbisch-dalmatinische Einwanderung erfolgte unter der Herrschaft des Hauses Aragon, wie aus sicheren historischen Dokumenten hervorgeht. In dem Werke des Monsignore Tria, in Rom im Jahre 1744 von Johann Zempel veröffentlicht, wird über die albanesischen und slawischen Kolonien gehandelt und angegeben, daß sie sich um das Jahr 1468 an der adriatischen Küste festgesetzt hätten, um sich den Nachstellungen Mohammeds II., des Sohnes und Nachfolgers Murads, zu entziehen, der nach dem Tode Scanderbegs geschworen hatte, die ganze Christenheit auszurotten. Und so wird die Angabe des Statthalters Molis bestätigt, der in seinen „Entscheidungen“, Teil 1, Nr. 100, S. 16, behauptet, die albanesischen und slawischen Kolonien seien zur Zeit Ferdinands von Aragon ins Königreich eingedrungen.

 

»Sunt in hoc regno villae aliquae ab externis regni, v. s. a Sclavonibus, Graecis et Albanensibus incoluntur; quod a temporibus regiones regni regis Ferdinandi I. arbitror fuisse introductum; quia illis temporibus, regiones illae Albaniae et Dalmatiae a Turcis invasae fuerunt; et proinde facta fuit demigratio ipsarum et novae coloniae in regno institutae.«

 

 

7. G. Marinelli, a. a. O., S. 1100. Der Irrtum findet sich auch in allen anderen italienischen Abhandlungen über dieses Thema.

 

 

47

 

„In der Sammlung der Briefe des Kardinals von Pavia findet sich unter Nr. 163 ein Brief Pauls II. (Pietro Barbo, des Venetianers), der auf Pius II. (Aeneas Sylvius Piccolomini) folgte, aus dem folgende Worte hervorgehoben zu werden verdienen, die die Albanesen und Slawen schildern:

 

»Partim caesi gladio sunt, partim in miseram servitutem abducti, oppida quae ante hoc pro nobis Turcorum substituerunt impetus, in dictionem eorum venerunt; vicinae gentes quae Adriaticum mare attingunt, propinquo metu exterritae tremunt. Ubique moeror, ubique luctus, ubique mors et captivitas ante oculos sunt. Audire miserum est, quanta omnium rerum sit conturbatio, lacrimabile inspicere navigia fugientium, ad Italos portus appellere, familias quoque egentes pulsas sedibus suis passim sedere per litora, manusque in coelum tendentes lamentationibus cuncta implere.«

 

„Herr Marino Drinow, Präsident der bulgarischen historischen Gesellschaft, und Vincenz Makusev, Professor an der Universität zu St. Petersburg, die mich im Jahre 1867 mit ihrem Besuche beehrten und mehrere Tage hindurch meine lieben Gäste waren, vertraten zuerst ebenfalls die Ansicht, daß unsere Kolonien bulgarischen und nicht serbischen Ursprungs seien; denn in dem bei uns gesprochenen Dialekt fänden sich viele bulgarische Formen, die bei den Serben nicht üblich seien; aber ich machte sie darauf aufmerksam (und Graf Pozza war genau derselben Ansicht wie ich), daß ähnliche Formen sowohl bei den Bulgaren als auch bei den Serben gebraucht würden. Um Sie nicht zu langweilen, berichte ich eine Anekdote. Bei der Ankunft der Herren Drinow und Makusev war eines meiner Dienstmädchen (aus reiner Neugierde, wie sie ja alle Frauen zeigen) auf der Schwelle der Vorhalle stehen geblieben, und deshalb richtete ich an sie die Worte: »Verni sa nazad«, d. h. »Geh’«, oder »Zieh dich zui'ück«. Sofort bemerkte Herr Drinow, eine solche Ausdrucksweise sei bulgarisch, nicht serbisch, und der Serbe hätte in diesem Falle »Vraciase« gesagt. Da machte ich Herrn Drinow darauf aufmerksam, daß wir in der Bedeutung von »Umkehren“ zwei Worte, nämlich »vraciati« und »verniti“ haben, aber mit einem Unterschied in der Bedeutung. Wenn man z. B. jemanden fragt »Wann kehrst du zurück?«, dann wende man das Wort »vraciati« an, also: »Kada sa vracia?«. Wenn man aber befiehlt oder bittet, so verwendet man das Wort »verniti«, also: »Verni sa nazad«, d. h. »Geh’ zurück«, oder: »Verni sa ore«, d. h. »Geh’ sofort zurück« usw.“

 

 

Der zweite Brief De Rubertis hat hervorragende Bedeutung und verdient deshalb ganz wiedergegeben zu werden. Er ist eine Fortsetzung des ersten und lautet:

 

„Nach dem vorangehenden Briefe bleibt mir nur wenig oder gar nichts hinzuzufügen. Zunächst möchte ich Sie fragen, ob Castropignano wirklich eigentlich »Castropignano de’ Bulgari« heißt. Es wurde mir versichert, daß die Bauern von Castropignano den Großvater mit dem slawischen oder bulgarischen Worte »Did« bezeichnen. Bejahendenfalls könnten Sie Ihre Nachforschungen auch hierauf ausdehnen und den wirklichen Ursprung von Castropignano feststellen.

 

„In den historischen Erinnerungen des Monsignore Tria, S. 98, N. 10, 11, liest man folgendes.

 

»Nach dem Tode des Zoto, des ersten Herzogs von Benevent, im Jahre 591, folgte ihm, erwählt von König Agrisulfo, Arechi, und auf diesen folgte um das Jahr 641 Ajone, der also der dritte Herzog von Benevent war. Während der kurzen Zeit, in der er lebte, begannen die Schiavonen sich zum ersten Male fühlbar zu machen, indem sie in Siponto landeten und Apulien zu plündern begannen. Nach der Kunde von diesem unerwarteten Einfalle der Schiavonen brach Ajone gegen sie auf, und als er mit ihnen am Flusse Anfido, genannt L’Ofanto, zusammenstieß, fiel er in einen Graben, und die schnell hinzukommenden Schiavonen schlugen ihn tot; nach einem Jahre sodann rächte Rodoaldo den Tod seines Vaters, indem er die Schiavonen in einer Schlacht besiegte und völlig zerstreute.«

 

Man glaubt, daß jene Schiavonen Montelongo gegründet haben, und Monsignore Tria versichert, daß zu seiner Zeit noch viele alte Leute in Montelongo einen Dialekt des Slawischen geradebrecht hätten. Ihnen, der Sie ja jünger sind als ich, und dazu bei derartigen Nachforschungen fleißiger und auch vertrauter mit dem Material als ich, wird es nicht schwer fallen, die Wahrheit darüber herauszubekommen. Bei dem Mangel an heimischen Chroniken ist es eine außerordentlich schwere Aufgabe, über jene dunkeln Jahrhunderte Geschichte zu schreiben; aber Ihnen, davon bin ich überzeugt, wird es gelingen, alle Hindernisse zu überwinden und sich der Schar derjenigen anzureihen, die all ihre Kraft, ihr ganzes Leben dem Wohle und dem Glanze des Heimatlandes weihen. Selbst die von sicherer Überlieferung bestätigten Tatsachen nehmen oft verschiedenes Aussehen an und werden zu Mutmaßungen und Hypothesen. Derartige Klippen muß man vermeiden, oder trifft man auf sie, sie dann mit Energie überwinden. Nach Ihren Schriften zu urteilen, vereinigen sich in Ihnen all die Faktoren und guten Eigenschaften, die einen tüchtigen Schriftsteller ausmachen. Es tut mir leid, daß Sie auf meine schwachen Kräfte nicht zählen können. Aber mein schon gar zu weit fortgeschrittenes Alter verschmäht jede Anstrengung, und ich fühle schon, daß sich allmählich die Stunde meines Hinscheidens nähert. Und ich bin glücklich, daß ich ohne Scham und ohne Reue auf die Vergangenheit zurückblicken kann.

 

„Ich schließe, indem ich nochmals auf die slawischen Kolonien zurückkomme. Die Sprache, die man in S. Felice, Montemitro und Acquaviva, meiner Heimat, spricht, ist die serbische, die der russischen nahe verwandt ist; sie hat auch enge Beziehungen, ist sogar fast identisch mit dem Dalmatischen, dem Slowenischen und dem Bulgarischen, wie Sie aus der beiliegenden Vergleichstabelle ersehen können. Es ist nur eine kleine Probe, zu der mich die Liebe zur Heimat inspiriert hat. Ich weiß nicht, ob es Ihnen irgendwie wird nützen können, aber auf jeden Fall »superfluum minime nocet«.

 

„Es wird nicht überflüssig sein, wenn ich Ihnen auch mitteile, daß meine ausgedehnten Beziehungen und die mannigfache beständige Korrespondenz mir viele Ausgaben verursacht und auch, wenn Sie wollen, manches schlimme Ärgernis bereitet haben. Man hat mir allerdings aus Bulgarien und St. Petersburg klassische Werke zugeschickt, aber da sie in cyrillischen Buchstaben gedruckt waren (die ich nicht kenne), konnte ich keinen Nutzen aus diesen Werken ziehen; und so blieben die vielen Übertragungen, die man von mir verlangt, nichts als Pläne. Als ich davon ganz offen und harmlos nach St. Petersburg Mitteilung gemacht hatte, schickte man mir von dort eine Grammatik, deren gründliches Studium mir die Tore geöffnet und mir den Schlüssel des cyrillischen Alphabetes, das aus 32 Buchstaben besteht, gegeben hätte; aber ist es jetzt für mich an der Zeit, oder bin ich jetzt in dem Alter, um zu schweren und langweiligen grammatischen Studien zurückzukehren?

 

 

48

 

Was soll ich Ihnen noch weiter erzählen? Man verlangt jetzt die dritte Auflage meiner Übersetzung serbischer Lieder mit dem Anhang, der viele Volkslieder enthält, und der Druck wird mich nochmals 600 Lire kosten! Und doch werde ich die Achseln zucken und das Verlangen der serbischen Akademiker erfüllen müssen . . .“

 

 

Die linguistische Vergleichstabelle, die diesem letzten Briefe beiliegt (und die so schön die Sachkenntnis, den Fleiß und die vornehme Gesinnung De Rubertis charakterisiert), ist eine kurze Reihe von Vokabeln des Slawischen , wie man es in Acquaviva spricht, verglichen mit dem Italienischen, dem Slawischen, das in Dalmatien gesprochen wird, dem Slowenischen und dem Bulgarischen; beigefügt sind erklärende Anmerkungen, die ein besseres Verständnis und leichteres Lesen des Textes ermöglichen sollen.

 

Über die Ankunft der Südslawen in Molise erhalten wir also auch von diesem Autor keinen Aufschluß. Aber die Textstelle in dem Briefe des Monsignore Tria wird durch Dokumente, über die die Brüder Magliano berichten [8], und durch Schriftstücke bestätigt, die sich hier und da in den Archiven finden. Außerdem beweisen auch andere Dokumente, daß es bereits in den vorhergehenden Jahrhunderten in Apulien umherschweifende Scharen slawischer Familien gab, aus deren einer jener „Magister Nicolaus quondam Antonii de Apulia“ stammte, dessen Name dadurch, daß er den Taten seiner Landsleute und Zeitgenossen aus Laurana und Sebenico nacheiferte und durch glückliche Umstände mit der Kirche des St. Dominicus in Bologna in Verbindung gebracht wurde, die mehr als zwei Jahrhunderte vorher von einem anderen und größeren „Magister Nicolaus quondam Petri de Apulia“ oder, nach der Angabe Venturis, von dessen Schüler, dem Frater Guglielmo, gegründet worden war. Ferner verbreitet ein Auszug aus den Steuerakten von Giovinazzo volles Licht über eine Welle schiavonischer, dalmatinischer und albanesischer Einwanderer, die die apulische Küste überflutete. Die dalmatinisch-schiavonische Kolonie von Giovinazzo ist nicht eine vereinzelte Gruppe schweifender Abenteurer oder betriebsamer Kaufleute, sondern ein lebenskräftiges und volkreiches Zentrum einer Bevölkerung, die sich nicht nur diesseits der Adria festsetzte, sondern sich auch eine sehr bemerkenswerte bürgerliche und soziale Stellung schuf. Wir haben es also hier nicht mit einer kleinen Zahl armer Dalmatiner oder Schiavonen zu tun, die vielleicht von irgend einem reichen apulischen Herrn zu Dienstleistungen angenommen wurden, sondern mit einem festen Komplex von Bauern und Kaufleuten, von wohlhabenden Besitzern von Häusern und Landgütern, die in unseren Städten zu einem neuen Element der Lebenskraft und des Reichtums geworden sind.

 

Dieses ganze Material von Urkunden bildet nur einen kleinen Beitrag zu dem Wiederaufbau unserer Geschichte der letzten Jahrhunderte des Mittelalters, deren erster Teil bereits begonnen ist; dabei war bereits, wie Crivellucci sagt: „una messe copiosa di fatti da raccogliere, ordinare, ridurre a sistema“. Und der hervorragende Gelehrte des Athenaeums in Pisa hat recht, wenn er darüber klagt, daß trotzdem das meiste und Wichtigste erst noch zu tun ist. Erst im Verlaufe des zweiten Teiles der Arbeit wird man auf neue Dokumente hoffen können, die besser geeignet sind, uns das Leben in Apulien um das Jahr 400 zu schildern. Was dann noch fehlt, wird ganz allmählich dazukommen, denn der definitive Schilderer dieser Zeit, der Geschichtsschreiber der Zukunft, der das letzte Wort über unsere Geschichte sprechen wird, ist wohl noch nicht geboren [9].

 

Alles dies stimmt vollständig mit dem überein, was oben über die Beziehungen gesagt wurde, die stets in Krieg und Frieden und erst recht zur Zeit der Einfälle von der liburnischen Küste her zwischen beiden Gestaden der Adria bestanden haben. Von jener fernen Periode an bis zu den Zeiten Scanderbegs wurden die zuerst so kriegerischen Beziehungen friedlich, und die Urkunden aus den Zeiten Mohammeds II. berichten uns, daß die von den Türken in Albanien und der Herzegowina besiegten Slawen in Albanien Zuflucht suchten. Aber, wenn man darauf hin behaupten wollte, diese Slawen seien eher aus dem einen als aus dem anderen Gebiete gekommen, so hieße das doch der Phantasie gar zu sehr die Zügel schießen lassen; auch heute noch ist trotz der ununterbrochenen fleißigen Untersuchungen eingeborener Forscher der Schleier, der noch über der Geschichte der heimatlichen Wanderungen der einzelnen Stämme im dinarischen Gebiete selbst liegt, nicht zerrissen; wie kann man da, ohne Urkunden, ohne Volkslieder, ohne eine Überlieferung zu besitzen, etwas Sicheres über die Herkunft unserer molisanischen Slawen wissen? Und wäre es nicht möglich, begünstigt ihre Sprache die Hypothese, daß diese Slawen aus einer Verschmelzung echter Slawen und Bulgaren, deren Spuren man überall in Samnium findet, entstanden sind?

 

Wie dem aber auch sein mag, man muß annehmen, daß die Ankunft der ersten molisanischen Slawen in Italien viele Jahrhunderte zurückliegt. Vielleicht wird man sie sogar bis zum ältesten Mittelalter zurückdatieren müssen. Das Studium der Ortsnamen ist auch in diesem Falle von großem Wert. Denn Ortsnamen, von denen slawische Bezeichnungen existieren, sind in der Tat im Gebiete unserer drei Gemeinden recht zahlreich. S. Felice (Stifilić) ist es, das derartige Namen in größerer Anzahl besitzt. Von den am meisten bekannten führe ich hier nur an:

 

„Bukavic(a)“ ist der Name der Quelle eines Bächleins;

„Rutulic(a)“ = ein Bächlein;

„Runjavic(a)“ = Anhöhe in einem Walde;

„Topolic(a)“ = eine kleine Pappel, um einen Teil des erwähnten Waldes zu bezeichnen;

„Visnjavic(a)“ = Weichselkirsche, um einen Teil des Waldes zu bezeichnen, wo viele Weichselkirschen wachsen;

„glavica“ = kleine Spitze, bezeichnet eine Anhöhe;

„brig“ = Hügel (dieser Name ist auch albanesisch);

„jezerin“ = sumpfige Gegend (im Gebiete von Acquaviva findet sich derselbe Name);

„dumbokodrago“ = Einsenkung oder liebliches Tälchen im erwähnten Walde;

„jezer mali“ = kleiner See,

„jezer veliki“ = großer See, beide im selben Gehölz;

„stupic“ = kleiner Baum;

„ravnica“ = begrenzte Ebene;

„križica“ = kleines Kreuz.

 

Bei Montemitro gibt es einen Ort namens

„strila“ = Pfeil.

 

Bei Acquaviva (Vodaživa) finden sich:

„zide stare“ = alte Mauern;

„gomila“ == Trümmer, Ruine;

„vertlina“ =Tür;

„strane“ = Teil“;

„dolassa“ = Ort der Ankunft;

„mormorice“, ein italienisches, aber slawisiertes Wort, das einen Stein bezeichnet, aus dem das Wasser wie eine Quelle hervorsprudelt;

„korta“, abgeleitet von „korita“, bezeichnet ein Bad;

„nevjera“ hat die Bedeutung „ohne Religion“; und andere Worte mehr.

 

Ähnliche Bezeichnungen existieren noch immer, auch in den Gebieten, in denen man früher Slawisch sprach. Viele Eigennamen sind aus slawischen Namen entstanden, z. B. Daniele in S. Felice, Mirco und Miletti in Acquaviva, usw.; andere wieder sind aus Städtenamen gebildet, wie Zara und Clisse in Acquaviva, Tavenna und anderen Orten;

 

 

8. G. und A. Magliano, Larino, Considerazioui storiche, S. 358.

 

9. F. Carabellese, La Puglia nel secolo XV, Bd. 2 (Einleitung).

 

 

49

 

Blascietta, Papiccio, Peca, Pecca, Radi, Staniscia, Tomizzi, Vetta, Marcovicchio, Gorgolizza, Berchieci und viele andere Zunamen, die sich ebenso häufig in unseren drei Gemeinden wie in den Gebieten, in denen man früher Slawisch sprach, finden, sind ganz sicher slawischen Ursprungs. (Schluß folgt.)

 

 


 

 

Die Slawen von Molise.  (Schluß.)

Von Prof. Dr. A. Baldacci. Palermo. Ins Deutsche übertragen von Dr. O. Reche. Hamburg.

(Globus, Bd. XCIII. Nr. 4. Braunschweig. 23. Januar 1908. S. 53-58)

 

 

Das slawische Idiom der Kolonien von Molise ist ein Dialekt des Serbisch-Kroatischen, d. h. des Idioms, das von den Kroaten und den Serben gesprochen wird. Würde man jedoch zwei Bauern einander gegenüberstellen, von denen der eine z. B. aus Dalmatien, Montenegro oder dem Banat, der andere aus S. Felice Slavo stammte, so würden sie sich nur schwer miteinander verständigen können, weil in den slawischen Dialekt von Molise eine große Zahl italienischer Vokabeln eingedrungen und selbst rein slawische Vokabeln stark entstellt sind.

 

Abb. l. Montemitro.

 

 

Denselben Effekt würde man haben, wenn man zum ersten Male einen slawischen Bauern von Molise mit einem gebildeten Slawen vom Balkan zusammenbrächte; man würde da ungefähr dieselbe Beobachtung machen können, wie wenn ein Piemontese und ein Calabrese zum ersten Male versuchten, sich in ihrem Dialekt miteinander zu unterhalten. Würde man aber zum ersten Male zwei gebildete Personen einander gegenüberstellen, die eine aus einer unserer slawischen Kolonien, die andere aus Serbien oder Kroatien, so würde der aus Italien Stammende oft sein Gegenüber nicht verstehen, während der andere jeden Satz verstehen würde, da er ja in seiner Sprache eine sprachwissenschaftliche Erziehung genossen hat, die der erstere nicht haben kann, da sein Slawisch in Molise weder jemals geschrieben noch studiert worden ist. Es ist nur allzusehr bekannt, ein welch unbesonnener Gegner der Schule die bourbonische Regierung gewesen ist. Natürlich konnte man, da ja in den Städten der Provinz nicht einmal das Italienische studiert wurde, in den kleinen slawischen Gemeinden zwischen dem Biferno und dem Trigno auch kein Slawisch studieren, und als man dort zu lesen und zu schreiben begann, bediente man sich der italienischen Sprache.

 

Die kleinen Kinder sprechen heute noch Slawisch. In Montemitro (Mundimitar, Abb. 1) leben heute noch viele alte Leute, denen das Italienische vollständig unbekannt ist, und die infolgedessen das Slawische oder Schiavonische, wie man dort allgemein sagt, mit noch größerer Korrektheit sprechen. Bis vor etwa 15 Jahren konnten die Bauern noch nicht ein Wort Italienisch, und die Weiber sprechen noch jetzt fast allgemein nur Slawisch; eine Folge der Militärpflicht ist, daß die jungen Männer Italienisch lernen. Nach De Rubertis widmete sich kein einziger mehr dem Studium des Slawischen. De Rubertis war allerdings ein Gelehrter, der seine Muttersprache derartig liebte, daß er sie nicht vernachlässigen konnte. Er las und schrieb aber nicht das cyrillische Alphabet, das ihm stets unbekannt blieb. Heute liest und schreibt der hervorragende Gelehrte Luigi Vetta, der von einer anderen Familie aus Acquaviva Collecroce stammt, die stets die Ehre der eigenen Nation hochgehalten hat, in kroatischer Sprache. In den Archiven der Gemeinden Acquaviva und S. Felice, die bis zum Ende des 18. Jahrhunderts zurückreichen, findet man niemals eine Urkunde, die in slawischer Sprache geschrieben wäre, oder die auch nur einige Worte dieses Dialektes enthielte; alle Akten wurden stets in italienischer Sprache geschrieben.

 

Unsere molisanischen Slawen sprechen miteinander in der zweiten Person Singularis, ebenso wie es das Volk jenseits der Adria, besonders auf dem Lande, tut. Der Dialekt von Acquaviva ist mehr italienisiert als der von S. Felice und Montemitro, was sich dadurch erklärt,

 

 

54

 

daß diese Gebiete gleichsam außerhalb jeder Verbindung mit der Zivilisation sind. Der Dialekt von S. Felice und der von Montemitro sind daher reiner und korrekter, d. b. weniger vom Italienischen beeinflußt; die Endungen sind schärfer ausgeprägt als in Acquaviva. Jede der drei Gemeinden hat, kann man sagen, ihren eigenen Dialekt. Acquaviva aber hat den Ruhm, die geistige Hochburg des Slawentums in Molise zu sein.

 

Die Gebräuche , die Trachten und die Gesänge verschwinden täglich mehr. Es ist ja schließlich auch nicht anders möglich, als daß die Folklore, die bei schon der Kultur gewonnenen Völkern immer mehr an Boden verliert, auch hei unbedeutenden Volkssplittern, die inmitten einer großen Nation verstreut sind, zugrunde geht. Die molisanischen Slawen pflegten früher stets den Tag ihrer Ankunft in Italien zu feiern. Wir wissen nicht, ob sich dieser Brauch bis zu den ersten Slawen ausdehnt oder nur auf die, welche infolge der Nachstellungen der Türken herüberkamen; vielleicht sind es diese letzteren, die durch das Fest die Erinnerung des Tages feiern wollten, an dem sie endgültig dem Gemetzel der Türken entkommen waren, und die so gleichzeitig auch dem neuen Vaterlande eine liebenswürdige Huldigung darbrachten. In Acquaviva feiert man deshalb immer noch die Feste des Mai. Die Tradition berichtet, die Slawen seien an einem Freitag des Mai in dieses Land gekommen, und deshalb pflegt man an jedem Freitag dieses Monats (da man nicht genau weiß, welcher es war) zur Erinnerung an jene Ankunft ein Fest mit dazugehörigem Umzug zu feiern. In S. Felice und in Montemitro findet der Umzug nur am ersten und am letzten Freitag statt.

 

Abb. 2. Slawische Einwohner aus Acquaviva Collecroce.

 

Abb. 3. Einwohnerin aus Acquaviva Collecroce.

 

 

Unabhängig von diesen Freitagsfesten feiert man in Acquaviva ein Fest, das nach dem ersten Mai benannt wird. Es ist das größte und schönste, ein Saturnalienfest zu Ehren des Frühlings und der Erde. Man fabriziert eine riesige Puppe mit einem mit Zweigen, Blüten und den Erstlingsfrüchten des Feldes umkränzten Kopf. Ein Bauer kriecht in die Puppe hinein, die dann zunächst zur Einsegnung in die Kirche und dann im Umkreise durch das ganze Dorf getragen wird, begleitet von der Menge, die Zweige mit Brezeln und Erstlingsfrüchten trägt; die Bauern gehen von Haus zu Haus, indem sie gute Ernte wünschen, und die jungen Mädchen gießen aus den Fenstern Wasser auf die Puppe als gute Vorbedeutung für den Regen, den man herbeiwünscht. An diesem Tage singt und musiziert man bis tief in die Nacht hinein. Der Gesang, meistens aus dem Stegreif, der den Umzug begleitet, hat meist folgenden Wortlaut:

 

Koj te reka che Maj ne tijade doc’,

Zagi o davan che sgavit proc’. ..

 

(Wer hat dir gesagt, der Mai wolle nicht kommen;

Komm heraus, und du wirst ihn vorübergehen sehen ...)

 

In S. Felice und Montemitro ist das Fest des ersten Mai seit etwa 15 Jahren nicht mehr üblich.

 

Die „smrčka“ ist eine Sitte, die heute stark im Verfall und vielleicht nahe am gänzlichen Verschwinden ist. Zu später Stunde am heiligen Abend, nach dem Abendessen, nehmen die jungen Männer einen dicken Zweig („smrčka“ d. h. vom Wacholderstrauch; das End-a hört man im slawischen Dialekt von Molise fast niemals), der unten dreigespalten ist, damit er aufrecht stehen kann. Das andere Ende des Astes wird sodann in fünf oder sechs Teile gespalten, und in die Spalte werden dann so viel Scheite trockenen Holzes hineingefügt, daß sie eine Art von umgekehrtem Kegel bilden, der mit der Spitze im Ast steckt. Diesen Kegel setzt man dann in Brand und trägt ihn in feierlichem Zuge zum Zeichen guter Vorbedeutung zu Verwandten und Freunden. Der Verlobte trägt den Stock in die Wohnung der Braut, wo er ihn schließlich im Herde des Hauses verbrennt. In S. Felice heißt die smrčka „prejo“.

 

Das national-slawische Fest des St. Blasius wird auch noch gefeiert. St. Blasius ist der Schutzheilige gegen die Halskrankheiten. An seinem Tage (3. Februar) salbt der Priester den Dorfbewohnern die Kehle mit einem speziell dem heiligen Märtyrer geweihten Öle. In der Familie bereitet man eine Art von Biskuit (kolač), gefüllt mit Brotkrumen und Weinmost, der mit Sauerteig und Gewürzen zusammengekocht wird, und außerdem eine Art von Brötchen (pantice), in die man einen Schlüssel abdrückt. Die Biskuits und die Brote werden vor der feierlichen Mittagsmesse geweiht und darauf in sehr feierlicher Weise in den Häusern verteilt, wo man ißt und trinkt, wo man singt, musiziert und tanzt. Dieses Fest ist gleichzeitig ein Fest der Kirche und des Karnevals, und zu ihm eilt viel Volk der Umgegend, und zwar speziell aus S. Felice und Montemitro herbei, die Acquaviva die Ehre überlassen haben, den Märtyrer St. Blasius zu feiern, den Schirmherrn gegen die Krankheiten des Halses.

 

Am Tage St. Josephs (19. März) pflegt man in S. Felice zu Ehren des Heiligen ein süßliches Gebäck (im Italienischen „pinze“, im dortigen Slawisch „krese“ genannt, in Acquaviva sagt man „povače do zeta“, d. h. von Korn) aus Sauerteig (kvas), Rosinen (sukva) und Sardinen zu bereiten. Der Tag des S. Felice (30. Mai) ist ein einfaches religiöses Fest.

 

 

55

 

Montemitro hat keine speziellen Feste; das zu Ehren seiner Schutzherrin S. Lucia (13. Dezember) ist nur ein Fest der Andacht.

 

Unsere Slawen feiern den Karneval nicht mit speziellen Gebräuchen. Die „Slava“, die speziell bei den Serben so wichtig ist, ist in Molise unbekannt; man erinnert sich nur, daß die Familie De Rubertis stets eine Art von Fest zu Ehren des Familienpatrons, des heiligen Paschalis, feierte: aber heute ist auch dieser Brauch verloren gegangen.

 

Die Gebräuche bei Hochzeit, Gehurt und Tod sind heute bei den Slawen dieselben wie bei den anderen Bewohnern von Molise. Man erinnert sich seit Menschengedenken nur einer anmutigen Sitte, die man anwandte, wenn eine Verlobung gewissermaßen offiziell wurde, nachdem sich vorher schon die beiden Verlobten und ihre Familien stillschweigend geeinigt hatten. Die Verwandten des Bräutigams begaben sich mit großer Begleitung zum Hause der Braut mit einem Abgesandten, der vorher die Zeremonie vereinbart hatte. Der Unterhändler blieb in der Nähe des Hauses stehen, während das Familienoberhaupt der Braut auf der Schwelle der Tür stand und beim Näherkommen des Zuges den Ankommenden die Tür vor der Nase zumachte. Dann trat der Abgesandte allein vor, um an die Tür zu klopfen, und von drinnen fragte das Familienoberhaupt, was man suche. Der Abgesandte antwortete, man suche eine Färse. Das Familienoberhaupt fragte darauf, was für ein Fell die Färse habe, und der Abgesandte antwortete, indem er die Haarfarbe der gesuchten Auserwählten angab. War die Braut blond, so antwortete er: ein blondes Fell; war sie braun: ein schwarzes Fell usw.

 

Abb. 4. Frauen und Kinder aus Acquaviva Collecroce.

 

Abb. 5. Bauernhaus bei Acquaviva Collecroce.

 

 

Nach dieser Antwort des Unterhändlers, der die Kennzeichen der Braut angab, öffnete sich die Tür des Hauses, und alle traten feierlich ein und verteilten Geschenke.

 

Die Lieder sind fast völlig verloren gegangen. Einige wenige kann man im Werke Ascolis und in einigen neueren [10] finden, die gewissermaßen die beiden Extreme in der Güte der Veröffentlichungen über die Slawen von Molise darstellen. Mehr als wirkliche Gesänge behandelt man mühsam gesammelte Bruchstücke von Liebesliedern; auf jeden Fall sind auch derartige Bruchstücke sehr wertvoll, da sie im Versmaß oder im abgemessenen Rhythmus die charakteristische Art der serbischen und kroatischen Gesänge zeigen. Es gibt ein Tanzlied („Druga, draga ...“), das die Mädchen jetzt noch singen, wenn sie sich zur Karnevalszeit auf Stricken schaukeln; man findet es in jeder der drei slawischen Gemeinden. Die ganze Literatur beschränkt sich also auf diese Überbleibsel von Liedern und auf einige wenige Sprichworte.

 

Die Slawen von Molise singen trotzdem sehr gern, im Hause wie während der Feldarbeit, bei der Ernte, bei der Weinlese, beim Sammeln der Oliven und besonders bei der Abendunterhaltung, und da sie keine nationalen Lieder mehr haben, singen sie die neapolitanischen und die aus den Abruzzen stammenden Lieder mit sehr hervortretender ländlicher Anmut. Die Frauen haben kräftige, fast männliche Stimmen, wie man sie besonders auch im östlichen Montenegro findet; da haben die Stimmen alle etwas von den lauten Trauergesängen an sich, die bei den illyrischen Serben üblich sind.

 

Niemand erinnert sich mehr an Toten- oder religiöse Gesänge. Bei unseren Slawen gibt es keine Klageweiber.

 

Der slawische Tanz oder „kolo“ ist verloren gegangen; die Spallata oder Tarantella hat seinen Platz eingenommen. Sie ist außerordentlich verbreitet, und mit diesem Tanz pflegen nach Schluß des Feuerwerks und bevor sich die Musikanten entfernen, die religiösen Feste zu schließen.

 

Die Blutrache, die bei den Bewohnern der Ostküste des Adriatischen Meeres ein so häufiger Brauch ist, scheint bei den molisanischen Slawen unbekannt gewesen zu sein, wenigstens erinnert sich niemand mehr ihrer. Man erzählt nur von einem Konflikt, der in einer nicht genau bestimmten Zeit zwischen den Bewohnern von Acquaviva und S. Felice ausbrach, der aber keine ernsten Folgen hatte, da sich die Notabein der beiden Orte ins Mittel legten. Der Respekt vor der Autorität ist bei den Slawen von Molise außerordentlich groß, ebenso wie auch ihre Ergebenheit den geistlichen Vormündern gegenüber unbegrenzt ist. Morde waren immer selten.

 

 

10. Josip Barač, Hrvatske kolonije u Italiji. Smilje i basilje po jezičnoj bašći. Split 1904. Josip Smodlaka, Posjet apeninskim hrvatima. Putne uspomene i biljeske; in „Svačić“, Zara 1906.

 

 

56

 

Die alte Tracht ist stark zurückgegangen, während man sie doch noch in vielen Gebieten Samniums und des südlichen Abruzzengebietes erhalten findet, wo die kunstvolle Art sich zu kleiden sich wunderbar mit der Mannigfaltigkeit der Farben und der Gewebe und dem Reichtum der Ornamente paart. Für unsere Slawen ist die Einfachheit der Kleidung (Abb. 2) charakteristisch; sie ist schlicht wie das ganze Leben der Leute. Die Männer tragen heute noch, ebenso wie die anderen Bewohner von Molise, in allen drei Gemeinden kurze Hosen; doch weicht diese Tracht allmählich der allgemein üblichen städtischen Kleidung. Man erinnert sich in den drei Gemeinden eines Greises in Montemitro, der sich bis zu seinem Tode in rotes Tuch kleidete, um, wie es scheint, die alte, ursprüngliche Tracht beizubehalten.

 

„Wir haben in unseren Gauen“, sagt De Rubertis, „einen Alten von etwa 90 Jahren, der niemals irgend etwas Neues in seine Art sich zu kleiden hat einführen wollen. Er trägt immer einen weiten Rock aus scharlachrotem Tuch, das wie wirklicher Purpur aussieht, fast ähnlich, möchte ich sagen, dem modernen „Sacco“, und ein rotes Barett gleich einem Kardinalbarett bedeckt ihm das Haupt“ [11].

 

Abb. 6. Ländliche Szene.

 

 

Die jungen Mädchen tragen kein Tuch auf dem Kopf, und früher trugen sie es auch nicht einmal in der Kirche; die verheirateten Frauen bedecken den Kopf. Die jungen Mädchen tragen allgemein Jacketts und Röcke aus blauer Leinwand im Sommer, Röcke aus schottischem Tuch und Leibchen aus blauer Wolle im Winter; das Leibchen ist im Sommer ohne Ärmel und ohne Brusthalter. Die verheirateten Frauen kleiden sich wie die jenseits der Adria in Tuch aus roher Wolle (sukno), und zwar im Winter wie im Sommer. Früher waren bei den Mädchen während des ganzen Jahres Röcke aus Tuch von roter Wolle (halja) und ein Unterkleid aus rotem, mit Krapp gefärbtem Tuch (gunjca = kleiner Rock) im Gebrauch; das Unterkleid bedeckte auch die Brust. Der Rock war gefältelt, das Unterkleid glatt. Das Leibchen (korpet) war vorn so weit offen, daß das Unterkleid zu sehen war, und wurde mit seidener, im Zickzack verlaufender Schnur, die durch Schnürlöcher ging, zugeschnürt; zur Sommerzeit war dieses Leibchen ohne Ärmel und von blauem oder gemischtfarbenem Tuch. Auf dem Kopfe trugen die Mädchen eine Schleife aus verschiedenfarbener Seide mit einer kleinen Nadel, die aus Silber oder vergoldet war und einen Knopf so groß wie eine Haselnuß hatte; die Ohrringe hatten die große slawische Form mit einem massiven oder bearbeiteten Anhängsel.

 

Noch immer ist es Brauch, daß die Dienstleute ohne monatliche Bezahlung, aber mit Beköstigung und Wohnung und mit der Übernahme der Verpflichtung angestellt werden, sie, wenn sie heiraten, auszustatten; diese Ausstattung besteht meistens aus Bett und Wäsche, und ihr Wert richtet sich danach, wie lange die Leute bei der Herrschaft gedient haben.

 

Die Slawen von Molise sind recht geschwätzig und sprechen mit lauter Stimme. Sie sind wenig religiös und beichten ungern; dafür sind sie fanatische Anhänger der Kirche und der Heiligen. Sie sind arbeitsam, ehrlich, freigebig, und ihre Kriminalität ist äußerst gering. Sie verheiraten sich gern untereinander, selten sind die Ehen mit Italienern und ganz außerordentlich selten die mit Albanesen. Sie sind langlebig. In der Familie Mirco finden sich Individuen von 90 Jahren, und kürzlich starb aus einer anderen Familie ein gewisser Papić im Alter von 97 Jahren. Die Gesundheit ist in allen drei Gemeinden ausgezeichnet, die Sterblichkeit sehr gering, und es sterben im allgemeinen nur Kinder von wenig Monaten oder jedenfalls im allerzartesten Alter, oder Greise.

 

Auch ohne sich jemals gesehen zu haben, erkennen die Slawen einander leicht, wenn sie sich begegnen. Die hauptsächlichsten Erkennungsmerkmale sind der ziemlich flinke Gang, das lebhafte Auge, der Gesamteindruck des Gesichtes und der lächelnde Mund; man kann sagen, daß der Slawe stets mit dem Auge spricht. An diesen Eigenschaften, versichert man, erkennen die Slawen von Molise auch leicht die Slawen von der Ostküste der Adria, wenn diese, um Handel zu treiben, in die Häfen der Provinzen Abruzzo und Apulien kommen.

 

Das slawische Weib (Abb. 3) hat regelmäßige Züge und kräftiges, aber sympathisches Aussehen. Der Mann ist von mittlerer Statur. Anthropologisch gesprochen haben diese Kolonien dasselbe Schicksal gehabt wie die deutschen Oberitaliens, d. h. die häufigen Beziehungen und die Ehen mit Angehörigen der benachbarten Bevölkerung haben sie gewissermaßen körperlich in dieser aufgehen lassen und bewirkt, daß die jetzige Bevölkerung in ihrem Äußeren keine Spur ihrer ursprünglichen Abstammung mehr zeigt [12]. Die Kinder (Abb. 4) sind meist hübsche Engelstypen, die sich zwar später verändern, aber doch immer noch das der Rasse eigentümliche Gepräge der gesunden und kräftigen Abkunft bewahren. Die blonde Farbe ihres Haares wird beim Heranwachsen kastanienbraun.

 

Die sozialen Lebensbedingungen unserer Slawen sind dieselben wie die der ganzen Gegend.

 

 

11. G. De Rubertis, Delle colonie slave nel Regno di Napoli, Lettera nell’ „Osservatore Dalmato di Zara“, vom 18. April 1853 (S. 27).

 

12. Ridolfo Livi, Antropometria Militare, Rom 1898. Bd. I, S. 164.

 

 

57

 

Die Provinz Campobasso gehört zu den ärmsten und am meisten vernachlässigten von ganz Italien [13]. Deshalb hat auch außer den anderen Schäden der von auswärts hineingetragene Wucher in Acquaviva sehr viel Unheil gestiftet, wo er auch jetzt noch immer Schaden anrichtet, obwohl er durch den fortwährenden und bedeutenden Gewinn, den die Auswanderung der Bevölkerung bringt, stark eingeschränkt ist.

 

Man wandert meist nur für einige Zeit, selten für immer aus; nach einem, zwei oder allerhöchstens drei Jahren kehrt der ausgewanderte molisanische Slawe meist wieder ins Vaterland zurück mit seinem Sparpfennig und mit dem Ehrgeiz, ein Stückchen Erde zu erwerben, um sich darauf ein Häuschen zu bauen. Das Geld der Auswanderer, das die Postkasse von Acquaviva im Depot hat, beläuft sich auf 400 000 Lire, und die Summe, die die Postkasse von S. Felice hat (50000 Lire), würde noch viel höher sein, wenn das Land sich in der Vergangenheit nicht speziell infolge des Wuchers in solchem Elend befunden hätte. Die Auswanderung ist heute in voller Entwickelung (wie übrigens im ganzen südlichen Italien), aber während sie in den Gemeinden S. Felice und Montemitro schon verschiedene Jahre zurückreicht, ist sie in Acquaviva erst seit sechs oder sieben Jahren bedeutend. Den kleinen Besitz hat sie schwer geschädigt, sie ist aber andererseits dadurch von Nutzen gewesen, daß sie die wirtschaftlichen Beschwerden zum großen Teil beseitigte, die auf dieser armen ländlichen Bevölkerung lasteten. Die Auswanderer von Acquaviva, S. Felice und Montemitro begeben sich fast alle nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika; wenige nur sind es, die es mit Argentinien versuchen, wohin diejenigen zu gehen vorziehen, die mit ihren Familien sich im Lande festsetzen wollen. In Argentinien widmen sie sich der Landwirtschaft, während sie in den Vereinigten Staaten mit dem Bau von Fahrstraßen und Eisenbahnen beschäftigt sind, oder als Bergleute oder Maurer arbeiten.

 

In seiner Heimat ist der Slawe von Molise Landmann. Aber aus der Menge ragen zahlreiche gutbegabte Männer hervor. Speziell unter den Leuten von Acquaviva linden sich ziemlich viel Studierte: Notare, Advokaten, Ärzte und Ordensbrüder, die aber außerhalb ihrer Heimat praktizieren; auch gibt es eine recht beträchtliche Anzahl von Studenten, die die Universität von Neapel und die Institute zweiten Ranges in den Provinzen Molise und Chieti besuchen.

 

Fast die ganze Bevölkerung wohnt, wie es allgemein in Molise Brauch ist, in geschlossenen Ortschaften. Auf dem Felde sind Häuser, sowohl einzelne wie in Gruppen stehende, selten. Häufiger trifft man Unterschlupfhütten und zu vorübergehendem Aufenthalt bestimmte Gebäude der Feldarbeiter; sowohl die Häuser zum festen Wohnsitz wie die Unterschlupfhütten sind mit der größten Einfachheit und in primitiver Weise erbaut (Abb. 5), und nicht selten findet man solche, deren Mauern aus luftgetrockneten Ziegeln bestehen. Die Bauern ziehen daher alle Tage beim ersten Morgengrauen aus den Ortschaften hinaus zur Feldarbeit (Abb. 6). Diese sicher nicht löbliche Gewohnheit erhält sich leider immer noch in vielen Teilen unseres Südens; sie müßte verschwinden. Die Kinder treiben die Schaf- und Schweineherden zur Weide, und der Bauer selbst geht in der Regel mit dem Esel und einer Ziege oder einem Schwein aufs Feld.

 

Die unter Kultur befindlichen Ländereien unserer Slawen sind im Gebiet von S. Felice und Montemitro besser und ausgedehnter als in dem von Acquaviva. Diese Gemeinde ist ziemlich unfruchtbar in der Richtung auf Tavenna und Palata, fruchtbarer dagegen nach dem Biferno hin. Sie produziert Getreide und wenig Weintrauben und Oliven. Auch besitzt sie einen ertragreichen Domänenwald. Das Weideland, das einst sehr aus gedehnt war, ist heute auch infolge der Auswanderung beschränkt. Das Gebiet von S. Felice ist in der Richtung auf Tavenna viel fruchtbarer als das von Acquaviva; es hat viel Weideland und viel Obstbau, der sich noch entwickeln ließe. Vor der Auswanderung versah S. Felice die umliegenden Ortschaften mit Obst und Weintrauben. Heute schickt der Acker seine Produkte nach Termoli. Aber im allgemeinen fehlt in diesem Gebiete jede landwirtschaftliche Initiative. Das Pflügen geschieht noch auf ganz primitive Art; nur die Bearbeitung der Weinberge ist gewissermaßen normal. Die lokale Rinderrasse ist durch Maul- und Klauenseuche sehr schlecht geworden, die zwar keine große Sterblichkeit verursacht hat, unter der aber doch das Vieh in außergewöhnlicher Weise gelitten hat, so daß die schwächlichen Exemplare in großer Zahl einem raschen Untergange geweiht sind; dazu kommt noch der Mangel an Futter, der durch die außerordentlich lange Trockenheit des letzten Jahres verursacht wurde. Man kann aber sagen, daß deshalb der Slawe von Molise das Vieh doch nicht vernachlässigt, und daß er es, wenn er nur irgend kann, gut aufzieht, wie man es in den Abruzzen beobachten kann. Ehe nicht bezüglich der Auswanderung ein gewisser Gleichgewichtszustand hergestellt sein und ehe nicht die Regierung für die wirtschaftliche Wiedergeburt von Molise und für die Vervollständigung des Straßennetzes gesorgt haben wird, kann man von diesem Gebiete nicht mehr verlangen. Die Straßen sind dort noch in der Verfassung von Maultierwegen.

 

Acquaviva lag in alten Zeiten unter dem Namen Cerritello in schöner Gegend, wo noch immer die Trümmer einer Kirche neben einigen Bauernhäusern vorhanden sind. Man erzählt, daß eine Seuche, die sich dort entwickelt habe, die Ursache für die Veränderung der Lage des Dorfes gewesen sei. Die neue Ortschaft wurde außer von den Überlebenden von Cerritello auch von solchen aus Collecroce (Kruč), heute S. Angelo, einer Örtlichkeit, die, dicht bei dem gegenwärtigen Orte Acquaviva gelegen, ohne Häuser blieb, gegründet. Acquaviva stand zuerst unter der Herrschaft des Kreuzritterordens von Malta, ging nachher im Staate der Bourbonen auf und kam schließlich zum italienischen Staat, dem die Bauern von Cerritello noch heute eine bestimmte Geldsumme zahlen. Es scheint, daß die Vorfahren der heutigen Bewohner von Acquaviva „servi glebae“ (Leibeigene) eines Benediktinerklosters namens S. Angelo di Palazzo gewesen sind.

 

„Im Jahre 1552 lebte ein gewisser Komtur Pelleta, der ohne alle Habsucht und nur aus Mitleid und Nächstenliebe erlaubte, daß jene armen umherschweifenden Auswanderer illyrischer Nationalität, die sich vorher dort aufgehalten hatten, wo das alte Kloster von S. Angelo sich befand, und die ohne jegliche Bürgerrechte waren und im Umherschweifen fast vor Hunger starben, einen Ort erbauten, dem der Name »Acquaviva Colle di Croce« gegeben wurde“ [14].

 

Im 13. Jahrhundert war Acquaviva Collecroce noch nicht erbaut, aber es gab dort Vasallen oder Leibeigene, die nach dem Brauch jener Zeiten keine Ortschaften oder Bürgerrechte hatten und nur in armseligen Hütten lebten; der einzige Komplex von Hütten befand sich damals in Cerritello und in Colle di Croce.

 

 

13. Enrico Presutti, Fra il Trigno a il Fortore. Inchiesta sulle condizioni economiche ecc. Neapel 1907.

 

14. Felice Maria Zara, Per l’Universita di Acquaviva Collecroce (Neapel 1776), S. 29 ff.

 

 

58

 

Nach Dokumenten und aus dem Hauptarchiv von Neapel stammenden fiskalischen Akten ist S. Felice ursprünglich ein altes Gehöft der Stadt Larino, und wie auch immer der Charakter und die Art der ersten seiner Bewohner gewesen sein mögen, die heutige Bevölkerung stammt ohne Zweifel von einer Kolonie von Schiavonen, die im Anfänge des 16. Jahrhunderts durch die Barone der Familie Pappacoda herbeigerufen wurde, um das unbewohnte Lehnsgut zu besiedeln. Außer diesem Bericht und außer dem, was im Jahre 1665 der Tavolario Salvatore Piulo in seiner Arbeit über die Stadt Larino und die Gehöfte S. Felice und S. Leuci mitteilt, sind in den Akten die durch königliche Einwilligung bestätigten Zugeständnisse vorhanden, die im Jahre 1518 zwischen den ersten schiavonischen Kolonisten und Ettore Pappacoda abgemacht und im Jahre 1552 von ihren Nachkommen und Pardo Pappacoda, dem Sohne des ersteren, erneuert worden waren. Dabei ist vor allem bemerkenswert, daß der erste Baron Pappacoda sich verpflichtete, zu den Kosten der Gebäude des Ortes beizutragen, und daß er den Bewohnern die Häuser, die Weinberge, die Gärten, die Backöfen, die Schenken und die Schlachthäuser frei und ledig aller Steuern überließ und dazu noch das Recht, auf dem Herrengute nach Belieben Ähren und Eicheln zu suchen.

 

Unter den slawischen Bauern ist die Liebe zu ihrer Muttersprache und Nationalität lebendig, zugleich aber auch die Liebe zum italienischen Vaterlande.

 

„Unter den Märtyrern der italienischen Freiheit strahlt auch in hellem Licht ein Slawe aus Acquaviva: Nicola Neri, der im Jahre 1799 zusammen mit Pagano, Caraffa, Caracciolo und so vielen anderen verehrungswürdigen Patrioten auf dem Richtplatz starb. Dieser große Italoslawe pflegte, wenn er von seinen Mitbürgern, die er nicht selten besuchte, Abschied nahm, zu sagen: »Sehet zu, daß ihr unsere Sprache nicht verliert« (Ne mojte sgubit nas jezik). Es lebte noch in seinem Heimatsort, als ich dort war (Oktober 1864, es ist Ascoli, der spricht), Neris Witwe; sie empfing mich auf der Schwelle in einer Weise und mit Worten, die mich in die slawische Sage versetzten.“

 

So schreibt Ascoli in seinen schönen Studien über die Slawen von Molise. Und in der Tat verehrt man noch heute Neri als eine der glänzendsten heimischen Gestalten. Sein Biograph, Angiolo Vetta aus Acquaviva, der ebenso wie der oben erwähnte De Rubertis Mitglied der Kgl. Akademie von Belgrad ist [15], besang in folgendem, bisher noch nicht veröffentlichtem Sonett, das ich mit Vergnügen wieder gebe, seinen großen Mitbürger:

 

O di Nicola Neri ombra onorata,

Oggi dal lungo sonno alfin si desta;

Accorri dei nepoti alla chiamata,

E sol per poco in mezzo a noi ti arresta.

Oggi la Serbia in libertà tornata

L’Italia amica ad abbracciar s’appresta,

E quei vincoli stringe, ond’hai tu data,

Italo-slavo martire la testa.

S’inneggia a te che la favella avita

Raccomandando con pietosa cura

Consacravi all’ Italia affetti e vita,

E, come sol che bassa valle indora,

S’oggi il tuo nome un lauro a me procura

Nel biografo tuo sol te si onora [16].

 

Acquaviva und S. Felice nahmen an der Hochzeit Victor Emanuels mit Elena von Montenegro lebhaften Anteil. Der Sindaco von Acquaviva fügte, als er dem Gemeinderate, der in außerordentlicher Sitzung zusammengetreten war, den Zweck der Versammlung darlegte, hinzu, daß jetzt, wo alle Gemeinden des Königreiches um die Wette bestrebt seien, ihre Ergebenheit und ihre Glückwünsche zu dem glücklichen Ereignis auszudrücken, daß da die Gemeinde von Acquaviva Collecroce als jugoslawische Kolonie, in der man noch die Sprache des alten Vaterlandes rede, vor allen anderen die Pflicht fühle, an der gemeinsamen Freude Italiens und Montenegros teilzunehmen. Darauf schlug er vor, den Vermählten in der Sprache der Väter eine warme Glückwunschadresse zu übersenden, die er folgendermaßen formulierte: „Bog ćesti vaša dobrosretna ženitba da bi vas ciuva za blaženstvo naše otačbine Italjie! Živio Zarninika kraljevska! Živio Italjia! Živio Crnagora!“ Dasselbe tat mit gleichem Enthusiasmus in gemeinderätlicher Sitzung die Gemeinde von S. Felice.

 

Angiolo Vetta hielt bei dieser Gelegenheit im Casina nazionale Frentana in Larino eine mit Beifall aufgenommene Rede.

 

Im August des Jahres 1903, als die königlichen Herrschaften sich zu den großen Manövern in Molise begaben, empfingen sie eine slawische Gesandtschaft von jungen Männern, die von den Gemeinden eigens entsandt war, um dem König und der Königin zu huldigen; und gern erinnert sich das Volk dieses Ereignisses.

 

Viele unter unseren Slawen hoffen, die Regierung werde in den Schulen der drei Gemeinden auch den Unterricht ihrer Muttersprache einrichten. Das wäre nur eine Rücksicht, auf die diese letzten Überbleibsel ein Anrecht hätten. Italien würde davon den Vorteil haben, daß es mit Hilfe seiner Illyrier neue wirtschaftliche und politische Beziehungen zu den Kroaten und Serben jenseits der Adria anknüpfen könnte.

 

 

15. Giovanni De Rubertis und Angiolo Vetta, Bürger von Acquaviva, wurden am 30. Januar (13. Februar) 1885 zu Mitgliedern der Kgl. Akademie von Belgrad ernannt. Über dieses Ereignis schrieb auch „L’Unione liberale“ von Terni am 19. April 1885. Vetta erwarb die Ehre der Akademie hauptsächlich durch die von ihm geschriebene Biographie des Nicola Neri, die, als sie in dieser Akademie vorgelesen wurde, sehr gefiel und von Kovačić übersetzt wurde.

 

16. Als Risto Kovačić das Diplom der beiden neuen Akademiker überbrachte, ernannte Acquaviva (30. April 1885) den berühmten Slawisten zum Ehrenbürger, und auf dem Fest wurde dieses Sonett von Dr. Chiavaro, dem Urenkel Neris, verlesen.

 

[Back to Index