Reise von Belgrad nach Salonik nebst vier Abhandlungen zur alten Geschichte des Morawagebietes

Johann Georg von Hahn

 

DRITTE ABTHEILUNG. Zur Geschichte des Morawagebietes.

 

  I. Ueberblick  228

 II. Herodot über die Flüsse Angros und Brongos  233

III. Strabo über die Sitze der Illyrier  235

IV. Zur Geschichte der alten Dardaner  245

 

 

          I. Ueberblick.

 

Wir schicken unseren Studien über das alte Morawagebiet einen kurzen ethnographischen Ueberblick auf die ganze Halbinsel voraus, damit er denjenigen Lesern, welche sich nicht näher mit diesem dunkeln Gebiete beschäftigt haben, in dem Gewirre wenig bekannter alter und neuer Namen als Leitfaden diene.

 

Bopp's Untersuchungen über die albanesische Sprache [1] führten zu dem Resultate, dass dieselbe der siebente selbständige Zweig des indogermanischen Sprachstammes ist, und Pott’s neueres Gutachten über diese Sprache [2] weist sie gleichfalls demselben Stamme zu.

 

Dasselbe Resultat ergibt auch die Vergleichung der Sitten der heutigen Albanesen mit denen der Alt-Römer und der Hellenen und der heutigen ethnographischen Verhältnisse Albaniens mit denen des alten Illyrien und Epirus [3].

 

Es kann mithin jetzt als unbestreitbar angenommen werden, dass die heutigen Albanesen Nachkommen der alten Illyrier und Epiroten sind [4].

 

 

1. Bopp, Ueber das Albanesische in seinen verwandtschaftlichen Beziezichungen, S. 1.

 

2. Pott, Beurtheilung des Gobineau'schen Werkes: „Sur l’inégalité des races humaines".

 

3. Hahn, Alban. Studien. I. Abschnitt. 3 und 4.

 

4. Fallmerayer, Das alban. Element in Griechenland, Abtheil. I und die dort Angeführten;

Zeuss, Die Deutschen und die Nachbarstämme, S. 258 und 263;

Schlosser, Weltgeschichte 1. Einleitung u. s. w.;

G. Stier. Ist die albanesische Sprache eine indogermanische ? Allgemeine Monatschrift für Wissenschaft und Literatur, 1860 ;

Ueber das Albanesische in seinen verwandtschaftlichen Beziehungen, von Franz Bopp, Berlin 1855.

Vgl. noch Camarda, Saggio di grammatologia comparata. Livorno 1864, und Dorza, Studj etimologici della lingua Albanese. Cosenza 1862.

 

 

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Wir sind in unseren „Albanesischen Studien“ noch einen Schritt weiter gegangen, und haben es versucht, den illyrischen Stamm als identisch mit dem pelasgischen zu fassen, und mithin auch die Pelasger, welche in der vorhistorischen Zeit den Hauptbestandteil der unhellenischen Bevölkerung von Hellas bildeten, dem illyrischen Stamme zuzuweisen, indem wir annahmen, dass dieselben von den später einwandernden hellenischen Eroberern überschichtet und sprachlich eben so verdaut wurden, wie dies unter unseren Augen mit den am Ende des Mittelalters in Griechenland eingewanderten Neu-Pelasgern oder Albanesen durch das neugriechische Element geschieht.

 

Doch liegt diese Frage weit ab von dem Felde der vorliegenden Studien, welche nur die historischen Zustände in Betrachtung ziehen, und für diese ist daher vor Allem die ethnographische Einteilung des Rumpfes der Südosthalbinsel in eine westliche illyrische und eine östliche thrakische Hälfte wichtig.

 

Diese erstere Hälfte erstreckte sich nach unserer Ansicht von dem Busenende des adriatischen Meeres und dem rechten Donauufer bis zu den Golfen von Arta und Volo, und zerfiel wiederum in eine nördliche und südliche Hälfte, deren Grenzlinie sich in dem heutigen Albanien in der Sprachgrenze der Nord- und Südalbanesen oder Gegen und Tosken unverändert erhalten hat. In dem nördlichen Illyrien, von dem Busenende der Adria längs der Küste gegen Süden vorgehend, sassen die Heneter, Japoden und Liburner, deren illyrische Nationalität jedoch entweder nicht unbestritten oder nicht unvermischt (Japoden) ist.

 

Hierauf folgten die Dalmater, etwa zwischen den Flüssen Kerka und Narenta, und hinter diesen die Pannonier, welche ost- und südwärts bis zur Donau und Sau reichten.

 

Etwa von der Mündung der Narenta an scheinen sich in früheren Zeiten die Ardiaeer über das heutige Montenegro verbreitet und die ganze Adria als Seefahrer und Seeräuber beherrscht zu haben, denn Strabo nennt das Küstenland längs der Adria Ardiaea.

 

 

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Alle diese illyrischen Stämme sind in der Völkerwanderung untergegangen und ihre Sitze von slavischen Völkern besetzt worden [1].

 

Oestlich von den Ardiaeern sassen die Autariaten im albanesischen Alpenknoten. Vermuthlich gehörten zu ihnen auch die Völkerschaften, welche in den diesem Alpenknoten westlich und östlich anlagernden Flachländern des Skodrasee's, der Metoja und des Amselfeldes wohnten.

 

Wiederum östlich von den Autariaten sassen die Dardaner in dem Quellgebiete und der Westhälfte der oberen bulgarischen Morawa. Um Durazzo her wohnten die Taulantier und in deren Rücken die Dassareten um den See von Ochrida und wenigstens in dem Thale des schwarzen Drin.

 

Zu den Nordillyriern rechnen wir endlich, was östlich von dem Grenzgebirge in dem macedonischen Reiche an Illyriern sass, wie die Orestier, Lynkesten u. s. w.

 

Alle diese nordillyrischen Stämme haben sich mit Ausnahme der macedonischen Nordillyrier [2] bis auf den heutigen Tag erhalten, und bilden jetzt die sogenannte Gegerei oder türkische Arnautlik, in der man einen etwas schwerfälligen an a- und nasalen Bastardlauten reichen Dialect spricht, welcher von dem südalbanesischen oder toskischen Dialecte etwa so weit absteht, wie Platt- und Hochdeutsch.

 

Die alten Südillyrier [3] sind uns die epirotischen und macedonischen Völkerschaften, von denen die ersteren, nämlich die Chaonen, Thesproten und Moloper, in den heutigen Lapen, Tschamen und Tosken fortdauern. Auch sind den beiden letzteren zahlreiche griechische Elemente ebenso beigemischt, wie schon zu Strabo’s Zeiten mehrere epirotische Völker zwei Sprachen redeten. Die eigentlichen Macedonen betrachten wir nach dem Vorgänge Ottfr. Müller'sals Illyrier, mit den Epiroten stammverwandt und ein ethnographisches Ganzes bildend, welches wir das südillyrische nennen [4], im Gegensatze zu den Nordillyriern,

 

 

1. Wenn daher diese Länder noch heutzutage Illyrien genannt werden, so hat dieser Name nur rein geographische Bedeutung, weil die slavischen Einwanderer den Volksnamen ihrer Vorgänger nicht angenommen haben, wie Gallier, Walachen und Griechen den Namen Römer adoptirten. Wie kam aber ein rein slavischer Stamm dieser Gegenden, die Morwlachen, zu dem Namen See-Walachen?

 

2. Doch finden sieh auch heute in jenen Landestheilen Albanesen mehr oder minder zahlreich eingesprengt.

 

3. Und genauer, tyrrhenische Pelasger.

 

4. Der Name folgt aus Strabo's bekannter Stelle über die Identität dieser Völker, kommt aber bei den Alten nirgends vor.

 

 

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denen sie eben so unfreundlich gegenüber standen, wie noch heut zu Tage Tosken und Gegen gegen einander stehen.

 

Ob auch der illyrische Volksstamm der Paeonen, welcher östlich und nördlich von dem macedonischen Reiche sass, zu ihnen oder zu den Nordillyriern gehörte, darüber vermögen wir nicht einmal eine Vermuthung aufzustellen.

 

Auch alle macedonischen Südillyrier sind von der Völkerwanderung verschlungen worden und Bulgaren und Osmanli an ihre Stelle getreten.

 

Die pelasgischeu Urwohner von Thessalien waren von den einwandernden Hellenen vertrieben oder unterthäuig gemacht worden, im Laufe der Zeit kehrten die Vertriebenen jedoch als Thessalier aus Epirus zurück und eroberten ihre Ursitze von den Hellenen, welche jedoch bereits so erstarkt waren, dass sie die Sieger hellenisirten. Auch die Hellenisirung der Macedonen, der Epiroten und der Illyrier an der südadriatischen Küste wurde durch zahlreiche, zum Theile uralte, griechische Colonien in den Küstenstrichen dieser Stämme begünstigt, doch fehlt es bei den Alten an näheren Zeugnissen über deren Ausdehnung und Intensität [1].

 

In der Urzeit theilte der Thraker mit den pelasgischen Illyriern nicht nur die ganze Südosthalbinsel, denn er reichte ja bis in deren Spitze hinein [2], sondern auch den grössten Theil von Ungarn, und bildete dort noch in historischer Zeit der Donaustrom die Grenze zwischen den thrakischen Daken und den illyrischen Pannoniern. In den Alt-Albanesen und den Alt-Walachen erkennen wir daher die ältesten Bewohner des Südostwinkels von Europa, so weit unsere geschichtliche Kunde reicht. Doch ist uns der primitive Zustand, in welchem noch Kaiser Augustus die Pannonier findet, eine sehr beachtenswerthe Erscheinung. Sie wohnten nicht in Städten, sondern geschlechterweise in Gehöften und Weilern. Sie haben weder gemeinsame Versammlungen noch Obrigkeiten; ihre streitbare Mannschaft beträgt an 100.000 Köpfe,

 

 

1. Die Quellen, welchen wir diese Ansicht entnommen haben, finden sich in den Anmerkungen zu Abschnitt IV und VI des I. Heftes der Alban. Studien.

 

2. Thraken in Pierien, Boeotien und Eleusis. Wir möchten überhaupt zu sehr gewohnt sein, Hellas von Süden aus, also gleichsam von unten nach oben zu betrachten. In vieler, namentlich in geistiger Hinsicht mag dieser Standpunet allerdings der richtige sein ; bei so materiellen Fragen aber, wie Völkerströmungen, ist wohl nur der entgegengesetzte der wahre, weil man sonst Gefahr läuft, über den mikroskopischen Studien des Capillarsystemes die allgemeinen Gesetze der Circulation zu vergessen oder zu missachten.

 

 

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doch auch diese bildeten keine vereinte Macht, aus Mangel an einem gemeinsamen Commando. Als daher der Kaiser gegen sie anrückte, flohen sie in die Wälder und überfielen die vom Heere abschweifenden Soldaten [1]. Nur die Segestaner leisteten eigentlichen Widerstand.

 

Offenbar sass also in jenen Breiten die Stärke des illyrischen Elementes nicht in den fruchtbaren Marschen von Ungarn, sondern an der mageren adriatischen Felsenküste, die weder den Ansiedler noch den Räuber locken konnte und höchstens dem Vertriebenen genügte [2]. Sollte dieses sonderbare Verhältniss sich als die Folge eines Völkerstammes erklären lassen, der die Urwohner in die Berge drängte, von wo aus sich nach Abzug der Fluth die fruchtbaren Ebenen allmählich wieder bevölkerten ? War ein deutscher oder ein keltischer Völkerstrom die Ursache dieser Erscheinung?

 

Auf einen solchen, jedoch der historischen Zeit angehörenden keltischen Strom werden auch wir bei unseren Untersuchungen stossen, der vermuthlich in einer gegen die allgemeine Völkerströmung rückläufigen Bewegung der Donau stromabwärts folgend, in den Gegenden zwischen Sau und Donau und dem albanesischen Alpenknoten stockte und festen Fuss fasste; wir sprechen von der Ansiedlung der keltischen Skordisker, welche nach Zeuss’ Vermuthung [3] den zahlreichen Keltenzügen zum Ausgangspuncte diente, von denen die Südosthalbinsel Europa’s und die ihr gegenüberliegende Halbinsel während anderthalb Jahrhunderten heimgesucht waren.

 

Endlich aber werden wir in den Bastarnern der kleinasiatischen Vorhut der deutschen Völkerwanderung in historischer Zeit auf unserem Felde begegnen, wie sie, von der Donaumündung südwestwärts ziehend, mit den illyrischen Dardanern zusammenstösst.

 

Von Neu-Pelasgern möchten gegenwärtig kaum eine Million, von den Neu-Hellenen schwerlich mehr als zwei Milionen auf der Südosthalbinsel leben. An der Thraker Stelle sind durchweg Bulgaren getreten, und es leben in den übrigen Theilen der Halbinsel nur einige hundertausend Köpfe als Kutzowlachi in weit verzettelten Ansiedlungen. Dagegen ragt nordwärts der Donau der Thrakerstamm in seinem dako-getischen Zweige mit wenigstens 6 Millionen Seelen in die Gegenwart. Wie aber ein so zahlreiches Volk binnen fünf Generationen (von Trajan bis Aurelian) seine Muttersprache mit der

 

 

1. Appian, De reb. Illyr. Cap. 22.

 

2. Alban. Studien I, S. 4.

 

3. Die Deutschen und die Nachbarstämme, S. 170.

 

 

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des römischen Siegers vertauschen und ohne jemals wieder mit dem römischen Elemente in Berührung zu kommen [1] und trotz aller Ueberschichtungen durch Völker deutscher, tatarischer und slavischer Zunge an der neu erlernten Sprache mit eiserner Zähigkeit festhalten konnte, das erscheint uns von allen ethnographischen Räthseln als das wunderbarste.

 

 

II. Herodot über die Flüsse Angros und Brongos.

 

Der Vater der Geschichte nennt die europäischen Dardaner eben so wenig wie irgend ein anderer griechischer Schriftsteller der autonomen Zeit, gleichwohl verdanken wir ihm die einzige Beschreibung des Haupttiusses ihres Landes, welche sich aus dem Alterthume erhalten hat [2]. Nachdem er nämlich, von der Mündung der Donau gegen Westen vorgehend, sechs von der Haemoskette dem Hauptstrome in südnördlicher Dichtung zulaufende Flüsse genannt hat, kömmt er zu dem siebenten Nebenflüsse Skios [3], dessen Name wahrscheinlich verschrieben ist, und sagt, dass er in der Rhodope bei den Paeonen entspringe und die Haemoskette durchbreche. Dies ist mithin der heutige Isker, als der einzige, welcher, südlich von der Hauptkette des Balkan entspringend, die Wasser des Beckens von Sofia durch eine jenen Gebirgszug quer durchschneidende Spalte der Donau zuführt. Dann fährt er fort:

 

„Aus dem Illyrischen fliesst der Angros gegen Norden und fällt in die triballische Ebene und in den Fluss Brongos, der Brongos aber in den Ister, und somit nimmt der Ister diese beiden beträchtlichen Flüsse auf.“

 

In dieser Verbindung kann der Angros [4] wohl kein anderer Fluss als die bulgarische Morawa sein, denn diese entspringt in dem Gebiete der Dardaner, welche Illyrier sind, und vereinigt sich unmittelbar am Südende der Thalebene, welche die vereinigte Morawa durchmit

 

 

1. Alle Walachen bekennen sich zur griechisch-katholischen Kirche.

 

2. IV, 49.

 

3. Thukydides (II, 96) nennt ihn Oskios, Plinius (h. n. III, 29) Oescus, Procopius (de aedif. IV, 6) Jokós.

 

4. Wir wagen es nicht, den Namen aus dem Albanesischen zu deuten ; sein Anklang zu Angraria, der alten Form des Engerlandes, ist auffallend, und da dieses durch die Weser in Ostengern und Westengern gespalten wird, so wäre es nicht undenkbar, dass uns in dem Herodot’schen Angros auch ein alter Name der Weser erhalten sei.

 

 

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der von Westen kommenden serbischen Morawa, dem Brongos des Herodot, und darum fasst derselbe auch diese Vereinigung und den Eintritt des Angros in eins zusammen. Wir halten mithin Herodot's triballische Ebene für die breite Thalmulde der vereinigten Morawa, denn auf das Amselfeld, welches gewöhnlich für die triballische Ebene gehalten wird, passt Herodot’s Beschreibung nicht, da es zu dem Quellgebiete der serbischen Morawa gehört und daher von ihm nicht gesagt werden kann, dass der Fluss nach seinem Ursprünge in Illyrien in diese Ebene falle. Wir glauben daher, dass Herodot die bulgarische Morawa Angros, und die serbische Brongos nenne.

 

Weit schwieriger erscheint uns dagegen seine weitere Angabe, denn von dem folgenden Flusse Karpis sagt er, dass derselbe, aus dem weiter „oberhalb“ gelegenen Lande der Ombriker kommend und nebst dem Alpis nach Norden fliessend, in den Ister falle. Man bezieht diese Namen gewöhnlich auf Drau und Sau, weil sich später ein Ort Krapis an der Drau findet. Auch der Name Alpis passt zu den Quellgegenden dieser Flüsse, denn abgesehen von den grossen Alpen, aus denen sie kommen, liegen die Albii oder Alban montes um die Quellen der Kulpa, welche mit dem unteren Laufe der Sau eine gerade Linie bildet. Diese Flüsse fliessen aber gegen Herodot's Angabe von West nach Ost, und die von ihm bis daher eingehaltene Reihenfolge wird bei dieser Annahme verkehrt. Halten wir uns streng an seinen Bericht, welcher sich auf die untere Donau zu beschränken scheint, und legen wir, wie es die Genauigkeit der übrigen Angaben erfordert, Gewicht auf den den früheren Flüssen parallelen Lauf von Süden nach Norden, so fallen jene Namen auf die Kolubara und Drina oder auf die Drina und Bosna. Da dies jedoch Nebenflüsse der Sau sind, so bleibt das Bedenken, warum Herodot dies anzuführen unterlassen hat. Wie schwer übrigens dem Naturmenschen die scharfe Trennung von Haupt- und Nebenfluss wird, haben wir auf unseren Reisen vielfach zu erfahren Gelegenheit gehabt. Wir glauben nach diesen Erfahrungen voraussetzen zu dürfen, dass der Reisende in den Quellgebieten der Drina von allen Eingeborenen die Auskunft erhalten wird, dass sie in die Donau fliesse, und dass ihm die Herstellung des Factums, dass dies erst nach ihrer Vereinigung mit der Sau geschieht, grosse Mühe kosten dürfte.

 

Um unsere Philologen nachsichtiger gegen die geographischen Verstösse der Alten zu machen, möchten wir sie einladen, sich von einem Bauer, der keine geographische Karte gesehen, das geographische

 

 

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Bild einer Gegend entwerfen zu hissen, die ihnen unbekannt ist.

 

Keiner der späteren Geographen lässt sich auf so detaillirte Angaben über die Morawa ein. Bei Strabo VII. Cap. 5. pag. 318 heisst sie Margos und Bargos, doch spricht er offenbar nur von der vereinigten Morawa: und Ptolemaeus Lib. III. Cap. 9. g. 3 nennt sie Moschios. Plinius [1] dagegen fasst den ganzen Fluss unter dem Namen Margis: diesen Namen [2] scheinen einwandernde Slaven vorsrefunden und in Morawa verwandelt zu haben.

 

 

III. Strabo über die Sitze der Illyrier [3].

 

Strabo beginnt in dem fünften Capitol seines siebenten Buches die Beschreibung der Südosthalbinsel mit einem allgemeinen Ueberblick ihrer Hauptgliederung. Seine Auffassung ist so naturgetreu und seine Darstellung so geistreich und anschaulich, dass wir diese Schilderung als ein Muster ihrer Gattung bezeichnen können und uns das Vergnügen nicht versagen, sie dem Leser in möglichst wortgetreuer Uebersetzung vorzulegen. Er sagt:

 

„Der noch übrige Theil von Europa liegt zwischen dem Ister und dem ihn rings umgebenden Meere, welches vom Busen der Adria bis zur heiligen Mündung des Ister reicht. In diesem Theile liegen Hellas, die macedonischen und epirotischen Völker und die über diesen bis zu dem Ister und den beiderseitigen Meeren, dem adriatischen und dem politischen, reichenden Stämme, nämlich an dem adriatischen Meere die illyrischen und an dem andern bis zur Propontis und zum Hellespont herab die thrakischen und einige unter diese gemischte keltische und skytische Völkerschaften.

 

 

1. III, 29. Flumina clara e Dardanis Margis Pingus (der heutige Pek) Timachus (der heutige Timok); ex Bhodope Oescus (stimmt also zu Herodot), ex Haemo Utus Escamus Jeterus. Das Dardanien des Plinius reicht hiernach in nordöstlicher Richtung weit über seine politische Grenze, und Naissus ist auch nach ihm eine dardanische Stadt.

 

2. Derselbe Flussname findet sich in der von ihm abgeleiteten asiatischen Landschaft Margiana zwischen Oxus und Bactrien in einer an europäischen Parallelnamen reichen Weltgegend. Siehe Grimm, Geschiehte der deutschen Sprache, passim; Hahn, Alban. Studien, I. S. 304.

 

3. Ueber die südwestlichen Illyrier und ihr Verhältniss zu den Epiroten und Macedocenen s. des Verf. Albanesische Studien, 1. Abtheilung, IV. und VI.

 

 

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Diese Länder lassen sich in zwei Theile zerlegen, denn die illyrischen, paeonischen und thrakischen Gebirge laufen gewissermaßen mit dein Ister parallel, und bilden fast eine einzige Linie, welche von der Adria bis zum Pontos reicht. Im Norden dieser Linie liegen nun die Landstriche zwischen dem Ister und den Gebirgen, im Süden Hellas und das daran stossende Barbarenland bis zu jenen Bergen. Gegen den Pontos zu liegt das Haemosgebirge ; es ist das längte und höchste dieser Länder und spaltet Thrakien fast in der Mitte.

 

Gegen die Adria und fast hart an derselben liegt die ganze Ardia [1] und in der Mitte zwischen dieser und Thrakien, Paeonia, welches gleichfalls hoch gelegen ist; an dessen einer Seite zieht im Thrakischen die Rhodope, ein mit dem Haemos zusammenhängendes und hohes Gebirge, auf der anderen Seite aber gegen Norden liegen die illyrischen Gebirge, das Land der Autariaten und Dardaner.“

 

Nach dieser allgemeinen Uebersicht beginnt Strabo die nähere Beschreibung mit der Westseite der Südostinsel, indem er von Norden nach Süden vorgeht. In ihr sagt er:

 

„Die Okra ist der niedrigste Theil der Alpen, welche sich von Rhätien bis zu den Japoden erstrecken. In dem Lande der Japoden aber erheben sich die Berge abermals, und heissen die albischen.“

 

 

1. Sowohl der Ausdruck: „die ganze Ardia“, als auch deren Verbindung mit Paeonien und Thrakien zeigen, dass hier Strabo diesen Namen auf alle in diese Breiten fallenden illyrischen Landstriche, mithin auch auf die Gebiete der Autariaten und der Dardaner ausdehnt, denn wenn man ihn auf das Gebiet der Ardiaeer beschränkt denkt, so begreift sieh nicht, wie dieses an Paeonien grenzen und den westlichen Gegensatz von Thrakien bilden könne. Der Ardius mons der früheren Ausgaben wird zwar in den neueren Ausgaben Ἄδριον ὄρος geschrieben und scheint, auch selbst räumlich, nördlich von der Landschaft Ardia zu fallen, da er nach Strabo Dalmatien in zwei Theile theilt, den Küstenstrich und das Hinnenland (pag. 315), und daher auf die dinarischen Alpen beschränkt werden muss, während Ardien selbst in der weiteren Bedeutung schwerlich über die Mündungsgegenden der Narenta in nördlicher Richtung hinaus ging. Gleichwohl möchten wir bei der leichten Versetzlichkeit des r annehmen, dass sowohl das Meer als der Berg und das Volk ursprünglich demselben Wortstamme angehören. Skylax gibt von diesen Gegenden eine etwas abweichende Schilderung, er erwähnt nämlich der Ardiaeer eben so wenig, als der Dalmater (vielleicht ein später entstandener Gesammtname verschiedener verbündeter Völker, welcher dem Bundesorte Dalmion oder Dalminion entnommen wurde), sondern lässt auf die Liburner unmittelbar die Illyrier folgen und diese sich bis zu den Chaonen, also bis zu den Akrokerauniern erstrecken, nennt die Autariaten als einen Zweig derselben, und weist ihnen auch den See von Skodra zu „λίμνη δέ ἐστι τὸ εἴσω τοῦ ἐμπορίου μεγάλη, καὶ ἀνήκει ἡ λίμνη εἰς Αὐταριάτας, ἔθνος Ἰλλυρικόν.“ Edit. Gail. pag. 247, 19.

 

 

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Hierauf beschreibt er die beiden Handelsstrassen, welche von Nauportos und von Triest aus über dieses Gebirge zu den Mündungen der Drau und Sau in die Donau führen. Er hat jedoch von diesen Flüssen eine so verwirrte Vorstellung, dass wir derselben nur die Angabe zu entnehmen vermögen, dass die Kolapis (Kulpa) bei den Japoden in den albischen Bergen entspringe, und dass um die Saumündung gallische Skordisker sitzen.

 

Nach Aufzählung der östlich von Dalmatien und Ardien sitzenden pannonischen Völkerschaften fährt er fort: „Der ganze von dem Ende der Adria bis zu dem Rizonischen Busen (Bocche di Cattaro) und zu dem Lande der Ardiaeer und zwischen den pannonischen Völkern und dem Meere streichende Landstrich ist gebirgig“ und in diesem stossen an die Istrier, welche an der illyrischen Küste zu oberst sitzen, die Japoden.

 

„Diese sitzen auf dem albischen Gebirge, welches der letzte Zweig der Alpen und sehr hoch ist, und reichen auf der einen Seite bis gegen die Pannonier und den Ister, auf der anderen bis zum Meere. Ein rauhes Land, dessen Bewohner sich hauptsächlich von Spelz und Hülsenfrüchten nähren.“

 

Hierauf nennt Strabo die Liburner und Dalmater, und sagt:

 

„Mitten durch Dalmatien zieht das adrische (ardische) Gebirge und theilt das Land in zwei Theile, in das Küstenland und das innere.“

 

Hierauf folgt der Fluss Naron, an welchem nebst anderen Völkern auch die Ardiaer, der Insel Pharos (Lesina) gegenüber, wohnen. Die Ardiaeer werden von den Späteren Waralier genannt [1], denn (?) die Römer drängten sie von der See, welche sie durch ihre Raubzüge beunruhigten, in das Innere und zwangen sie zum Feldbau. Das Land war aber rauh und unfruchtbar, und die Bewohner verstanden sich nicht auf denselben, daher gingen sie gänzlich zu Grunde, und sind beinahe verschwunden. Dasselbe widerfuhr auch den andern dortigen Völkern, indem die, welche früher am mächtigsten waren, nun gänzlich herabgekommen und verschwunden sind, denn die galatischen Bojer und Skordisker, die illyrischen Autariaten, Ardiaeer und Dardaner und die thrakischen Triballer unterjochten

 

 

1. Der bekannte venetianische Geograph P. Coronelli setzt auf seiner Karte : Corsodelli fiurni Drino e Bocana nella Dalmatia vom Jahre 1688 die Wrali Popoli im Süden der Troïtza, des Knotenpunctes der Albaneser Alpen, an, östlich von den Clementi Popoli und westlich von Pulati superiore. Da er kein einziges altes Volk anführt, so müssen diese Wrali als zu seiner Zeit noch existirend angesehen werden. Da die ihnen benachbarte Tara den Stamm der alten Autariaten erhalten hat, so tragen wir kein Bedenken, in Coronelli’s Wrali Popoli die Nachkommen der strabonischen Waralier zu erkennen.

 

 

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sich anfangs gegenseitig, und wurden dann von den Macedonen und Römern unterjocht.

 

Nach der ardiaeischen Küste folgt der rizonische Meerbusen und der Fluss Drilon, welcher gegen Osten bis Dardanien schiffbar ist [1]. Dieses Land stösst gegen Süden an die makedonischen und paeonischen Völker, eben so auch die Autariaten und Dassareten und andere Völkerschaften, welche anderwärts an einander und an die Autariaten gränzen [2].

 

Zu den Dardanern (Δαρδανιᾶται) gehören auch die Galabrier [3], bei welchen eine alte Stadt, und die Thunaten, welche gegen Osten an die Maeder, eine thrakische Völkerschaft, stossen.

 

Die Dardaner sind so roh, dass sie Höhlen [4] in die Misthaufen graben und darin wohnen; doch lieben sie die Musik, sie haben daher fast immer Spielleute bei sich [5] oder spielen selbst auf Flöte und Laute.

 

 

1. Dies ist die einzige, uns überhaupt bekannte Angabe über die Schiffbarkeit des Drin von seinem Eintritte in die Küstenebene an stromaufwärts.

 

2. Wir suppliren vor συνάπτει ein ἤ. Strabo scheint hier die an der Nordgrenze von Macedonien sitzenden Völker von Osten nach Westen aufzuzählen.

 

3. Siehe: Erste Abtheilung unter Wranja.

 

4. Dies ist eine sehr beachtenswerthe Angabe, denu diese Banart findet sieh noch gegenwärtig auf der Halbinsel. Alle walachischen Bauernhäuser nördlich von der Donau stehen bis zum Dache in der Erde, und ihre ziemlich flach aus dem Boden hervorragenden, strohgedeckten Dächer sind für den Fremden schwer von Misthaufen zu unterscheiden. Alle uns bekannten Süddonauwlachen wohnen dagegen in oberirdischen Häusern, und dasselbe gilt von den Albanesen, welche in der Hegel an oder neben ihre Wohnungen ein hoch gelegenes, thurmartiges Réduit anbauen (siehe Alban. Studien I, S. 170). Bei den Malisor des Bisthums Pulati sind dies auf vier Baumstämmen ruhende, viereckige Holzhäuschen, welche den anderwärts in den Niederungen erbauten luftigen Schlafstätten (Alban. Studien I, S. 92) gleichen. Uebrigens hiess es von den Dardanern bekanntlich, dass sie nur zwei Mal badeten, hei ihrer Gehurt und bei ihrem Tode. Die heutigen Mirediten und Malisors tragen auch jetzt noch keine Hemden.

 

5. Die handwerksmässige Musik, welche hei Festen und Gastmahlen aufspielt, ist jetzt meist Sache der Zigeuner. Nach unseren Beobachtungen singen die Albanesen mehr als die Slaven. Die auf der ganzen Halbinsel bekannten Pferdetreiber von Tyranna brüllen fast während des ganzen Tagmarsches, und nachdem sie im Nachtlager eingestellt, geht der Spectakel erst recht los. Die Lapen, welche hinter Awlona in Kurwelesch sitzen, sind aber die renommirtesten Sänger und Citherspieler. Wir wurden einst von dreissig solcher Lapen drei Tage lang escortirt, und konnten uns nur dadurch helfen, dass die Sänger in die Vor- und Nachhut verwiesen wurden. Unter dem Trupp befand sich ein besonders geweckter, männlicher Bursche, mit dem wir gerne sprachen, doch auch er beurlaubte sich von Zeit zu Zeit, um zu singen, und nachdem er sich ausgesungen, kam er uns wieder nahe. Im zweiten Nachtlager erhielten sie einen Hammel und Wein, den nur wenige verschmähten. Dies erregte eine solche Fröhlichkeit, dass die jüngeren die ganze Nacht durch tanzten und sangen, ohne zu schlafen. — R. Im Alterthum hielt man den bösen Blick von Männern und Frauen mit doppeltem Augenstern für besonders gefährlich. Plinius h. n. VII, 2, legt diese Eigenschaft unter andern auch den Triballern und Illyriern bei:

 

Esse ejusdem generis in Triballis et Illyris adjicit Isigonus, qui risu quoque effascinent, interimantque quos diutius intueantur, iratis praecipue oculis; quod corum malum facilius sentire puberes. Notabilius esse, quod pupillas binas in oculis singulis habeant.

 

Wir verdanken diese Notiz, gleich allen mit R bezeichneten, der Güte des Herrn Dr. Robert Rösler, Privatdocent an der Universität in Wien.

 

 

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Diese wohnen also in den Mittellanden, und wir werden später auf sie zurückkommen. (Dieser weitere Bericht ist leider verloren gegangen.)

 

Die ganze illyrische Küste ist sehr hafenreich, und zwar sowohl die Küste des Festlandes, als die benachbarten Inseln im Degensatze zu der hafenlosen italienischen. Das Land ist warm und äusserst fruchtbar [1]. Es ist reich an Oel und Weinpflanzen, mit Ausnahme einiger weniger gänzlich unfruchtbarer Strecken. Trotzdem wurde die illyrische Küste vordem nur wenig beobachtet, vielleicht aus Unbekanntschatt mit ihrer Vortrefflichkeit, doch wohl mehr noch wegen der Wildheit und der Raubsucht ihrer Bewohner. Alles, was über der Küste liegt, ist dagegen gebirgig und kalt und hat vielen Schnee; dies gilt von den nördlichen Strichen in noch höherem Grade, so dass dort sowohl in den höheren als auch in den niederen Gegenden der Weinstock selten fortkommt.

 

Die Landstriche, welche die Pannonier inne haben, sind dagegen eben. Diese Ebenen dehnen sich gegen Westen bis zu den Dalmatern und Ardiaeern aus, gegen Norden stossen sie bis an den Ister, und gegen Osten reichen sie bis zu den Skordiskern und von diesen bis zu den macedonischen und thrakischen Gebirgen. Die Autariaten waren das grösste und tapferste Volk unter den Illyriern. Sie lagen vordem mit den Ardiaeern in beständigem Kampfe um das Salz, welches sich aus einem in einem Grenzthale laufenden Wasser im Frühling absetzt. Wenn man dies Wasser schöpfte und stehen liess, so setzte sich in fünf Tagen das Salz ab.

 

 

1. Diese Angabe dürfte mehr auf die südliche Flachküste von Skodra bis zu den Akrokerauniem zu beziehen sein, denn an der nördlichen Küste bilden die fruchtbaren Strecken die Ausnahme. Auf diese fetten, aber ungesunden Ebenen sind auch die Wunder von Fruchtbarkeit zu beschränken, welche die Alten von Illyrien erzählen.

 

 

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Sie hatten sich über den gemeinsamen Gebrauch dieser Salzquelle vertragen ; nachdem sie aber den Vertrag gebrochen hatten, kam es zum Kriege.

 

Die Autariaten unterjochten einstmals die Triballer, welche sich 15 (?) Tagreisen weit von den Agrianern bis zum Ister erstreckten, und herrschten dann auch über die übrigen Thraker und Illyrier ; sie wurden jedoch zuerst von den Skordiskern und dann von den Römern aufgerieben, welche auch die Skordisker, nachdem sie lange Zeit hindurch mächtig gewesen, unterjochten.

 

Diese wohnten am Ister und waren in zwei Theile getheilt, welche die grossen und die kleinen Skordisker hiessen. Die ersteren sassen zwischen zwei in die Donau fallenden Flüssen, dem Noaros (Sau) und dem Margos, welchen einige auch Bargos nennen (Morawa): die kleinen aber jenseits des letzteren und grenzten an die Triballer und Myser. Die Skordisker besassen auch einige (Donau-) Inseln, und nahmen in dem Grade zu, dass sie bis zu den illyrischen, paeonischen und thrakischen Gebirgen vordraugen, und nun bemächtigten sie sich auch der meisten Inseln des Ister. Ihre Städte waren Eorta und Kapedunon.

 

Auf das Land der Skordisker folgt längs des Ister das der Triballer und Myser und die Sümpfe des sogenannten kleinen Skythien. Die Klein-Skythen, die Krobyzer und die sogenannten Troglodyten wohnen oberhalb der Umgebungen von Kallatis, Tomi und Istros. Dann folgen die um den Haemos und an dessen Fusse bis zum Fontos sitzenden Völker, die Koraller, Besser, ein Theil Maeder und Danthelaten. Das alles sind sehr räuberische Völker. Die Besser haben den grössten Theil des Haemusgebirges inne, und werden wegen ihrer Raubsucht auch Räuber genannt ; einige wohnen in Hütten und leben sehr armselig. Sie reichen bis an die Rhodope und die Paeonen und unter den Illyriern an die Autariaten und Dardaner. Zwischen diesen aber und den Ardiaeern sitzen die Dassareten und Hybrianer und andere unbedeutende Volksstämme, welche die Skordisker so lange verheerten, bis sie das Land verödet und dasselbe mehrere Tagreisen weit mit unzugänglichen Wäldern erfüllt hatten.“ So weit Strabo.

 

Nach seinen Angaben haben wir also die Dassareten und Hybrianer zwischen den Autariaten und Ardiaeern in solcher Nähe von den zwischen dem albanesischen Alpenknoten und der Sau und Donau sitzenden Skordiskern zu suchen, dass sie von denselben bequem erreicht werden konnten. Nach Livius [1] sassen die Dassareten

 

 

1. Lib. 43, cap. 9; lib. 27, cap. 32.

 

 

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um den Lychnidus-See und reichten gegen Norden bis zum Skardus. Nach Plinius [1] grenzten sie südlich an die Epiroten, und sassen sie im Rücken der Parthener. Vereinigen wir alle diese Angaben, so nöthigen sie uns, die Dassareten und Hybrianer nordwärts über die Thäler des schwarzen und weissen Drin, etwa bis zum Glieb, auszudehnen und ihnen nebst dem Becken des Ochrida-See’s die beiden Dibra und die Metoja zuzuweisen, die Penesten aber mit ihrer Stadt üskana als einen Zweig der Dassareten zu betrachten.

 

Den Autariaten würde dann das Amselfeld und den Ardiaeern der südwestliche Tlieil der albanesischen Alpenknoten zufallen. Da aber beide Völker auch unmittelbar an einander stiessen und die Ardiaeer bis zu den Narentaquellen reichten, so müssen wir beider Gebiet auch auf den Nordabfall des albanesischen Alpenknotens erstrecken und an diesen die bestrittene Salzquelle verlegen.

 

Hier findet sich nun das Quellthal der Tara, dessen westliche Wand durch eine von dem hohen Kutschkom nordwärts laufende alpine Kette gebildet wird, die, wie sie heute die Ostgrenze von Montenegro macht, wohl allezeit eine Völkerscheide abgab [2]. Sollte sich der Flussname aus dem Alterthume erhalten haben und der Name Autariaten von ihm abgeleitet sein? Av oder Af ist bekanntlich ein häufiger, Wasser bedeutender Vorschlag und — at eine echt albanesische Derivationsendung [3].

 

Nach dem vierten Fragmente Strabo’s grenzen die Autariaten, Dardaner und Ardiaeer gegen Süden an Paeonien, und reicht dies letztere bis zum Strymon, und nach dem 36. Fragmente entspringen sowohl der Axios als der Strymon in Paeonien [4]. Diese ausdrückliche Angabe Strabo’s zwingt uns, das Quellbecken des Axios, das heutige Tettowo, zu Paeonien zu schlagen. Dies wird gegen Westen durch die Scharkette von dem Dibrathale getrennt, welches wir den Dassareten zugewiesen.

 

 

1. Natur. hist. III, 27. A Lisso Macedoniae provincia: gentes Partheni et a tergo eorum Dassaretae. — IV. 1. Epirus ipsa ad Magnesiam (Thessaliam) Macedoniamque tendens a tergo suo Dassaretos supra dictos, liberam gentem, mox feram, Dardanos, habet: Dardanis (meridiem spectantibus) laevo Triballi praetenduntur latere et Moesica gentes: fronte junguntur Medi ac Denselatae.

 

2. Hiemit würde auch die Angabe des Skylax, pag. 9, stimmen, dass die Autariaten über den Quellen des Naron (Narenta) sitzen, denn diese sind von der angegebenen Grenze nicht weit entfernt. Dass Skylax die Ardiaeer übergeht, wurde schon oben bemerkt.

 

3. Alban. Studien II, S. 118 f. Kiliát, Dodát, Menksát, also auch mit demselben Accente.

 

4. Οὐ μόνον δὲ Ἀξιὸς ἐκ Παιόνων ἔχει τὴν ῥύβιν, ἀλλὰ καὶ ὁ Στρυμών.

 

 

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Wir müssen nun annehmen, dass hier Strabo diese Wildnisse (denn die Dassareten waren ja von den Skordiskern ausgemordet) zu dem Lande der Ardiaeer rechne [1]), wenn Paeonien überhaupt mit diesem grenzen soll. Wenn wir dann die Autariaten vom Amselfelde über die nördliche Hälfte des Schar gegen Süden zwischen Kalkandele und den Lepenatz vorziehen, so erhalten wir ihre von dem Fragmente behauptete Grenzung mit Paeonien. Weiter gegen Osten muss dann die Grenzlinie einen Bogen in südlicher Kichtung um die den Dardanern gehörige Beckenebene von Skopia beschrieben und sich nach Kreuzung des Axios zwischen jener Stadt und Welese nordöstlich gewandt und in dieser Richtung die Kurbetzka Planina und an ihrem Ende die Strymonquellen erreicht haben, worauf wir im folgenden Capitel zurückkommen werden.

 

Wir möchten die beschriebene Linie, wenn nicht ganz, so doch wenigstens bis zu der sich von der Kurbetzka nördlich abzweigenden Snegpol Planina zugleich als die Südgrenze des ethnographischen Dardanien betrachten, und diesem ausser der Ebene von Skopia auch den Karadag, das Morawitzathal und das ganze Gebiet der bulgarischen Morawa zuweisen, weil Ptolemaeos Naissus, die Geburtsstadt Constantin des Grossen nach Dardanien verlegt, Plinius [2] aber nicht nur den Margis (Morawa), sondern auch den Pingus (Pehk) und den Timachos (Timok) in Dardanien entspringen lässt, und es dadurch sowohl in östlicher als in westlicher Dichtung beträchtlich über die Ebene von Nisch hinausrückt.

 

Ueber die nördliche Ausdehnung der Dardaner scheint eben so wenig als über die Nordgrenzen der Autariaten und Ardiaeer irgend eine Spur vorhanden [3].

 

 

1. Wie sie Prokop in der in dem Abschnitte: „Skopia“ der Reiseskizzen angeführten Stelle zu Dardanien rechnet, weil er dies mit dem Gebiete von Epidamnos grenzen lässt. Wie man aber auch die Stelle des Strabo verstehe, so bezeugt sie die Ardiaeer als Nachbarn des Quellgebietes des Axios, welcher heutzutage Wardar heisst, und dieser Name klingt auffallend an die von Plinius gebrauchte Form Vardaei an. III, 26. „Populatoresque quondam Italiae Vardaei non amplius quam XX decuriis“, d. h. wohl den Römern unterworfene, denn am Nordabhange des albanesischen Alpenknotens haust auch heute ausser den slavischen Wassojevich eine Anzahl kleiner Albanesenstämme in völliger Unabhängigkeit von der türkischen Herrschaft. Siehe Alban. Studien I, S. 30, not. 42.

 

2. Nach der im zweiten Capitel citirten Stelle: III, 20.

 

3. Die nördlich von den Albaneser Alpen bis zur Sau und Donau sich erstreckenden Gegenden waren den Römern so unbekannt, dass uns keine einzige Detailangabe über sie überliefert ist, obwohl sie dieselben in ihren Feldzügen gegen die Skordisker zu wiederholten Malen betreten haben müssen. Vermuthlich waren sie durch diese Kriege gänzlich verwüstet worden. Florus 3. 4. sagt nur ganz allgemein: „Saevissimi omnium Thracum (?) Scordisei fuere, sed calliditas quoque ad rohur accesser.it. Silvaruin et montium situs cum ingenio consentiebat“.

 

 

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Aus Ptolemaeus [1] erfahren wir nur, dass in der römischen Provinz Obermoesien zu seiner Zeit längs des Südufers der Donau gegen Dalmatien zu die Trikornesier, gegen den Kiambros [2] zu die Myser und in der Mitte die Pikensier, gegen Macedonien zu aber die Dardaner sassen.

 

Von diesen Namen hat sich der der Pikensier in dem bereits oben angeführten kleinen Pekflusse erhalten. Da nun Plinius dessen Quellen nach Dardanien verweiset und seine südliche Wasserscheide durch die Komtschi Planina gebildet wird und diese in ihrer Fortsetzung über Stawa Stol und Wratanitza bis zum Zibru, und weiterhin den südlichen Uferrand der Donau von seinen Hinterlanden scharf trennt, so liegt die Vermuthung wohl nahe, dass sich sowohl das Gebiet der Pikensier als das der Myser auf diesen Uferrand beschränkt haben dürfte.

 

Zur Abgrenzung der Trikornesier von den Dardanern fehlt es an jedem Anhaltspuncte. Auffallend ist übrigens die Uebereinstimmung des ersteren Namens mit dem der Triballer, denn balle-a bedeutet wenigstens im Albanesischen dasselbe, was corn und carn im Keltischen, nämlich Bergspitze, und ob hier tri drei [3] oder in bedeutet, ist gleichgiltig.

 

Geht man nun von der Ansicht aus, dass bei jeder Eroberung die Vermutliung nicht für die Ausrottung und Verdrängung der Ueberwundenen, sondern für deren Ueberschichtung durch die Eroberer spreche, so liesse sich in Bezug auf die Nationalität der vorerwähnten drei nördlichen Nachbarvölker der Dardaner als wahrscheinlich annehmen, dass noch zu Ptolemaeus’Zeiten die Südufer

 

 

1. III. cap. 9. §. ‘2.

 

2. Bei Dio Cassius Κέβρος; der Name hat sich im heutigen Zibru oder Dscibra erhalten. R.

 

3. Wir sahen uns auf der Reise von Belgrad durch das Morawathal vergebens nach drei zur Namengebung geeigneten Bergspitzen um. Die Triconesier sind eine Ableitung aus ihrem auf den Peutinger-Tafeln verzeichneten vermuthlichen Hauptorte Tricornium: fiele dieser Ort mit der heutigen kleinen Festung Semendria zusammen, welche an der Mündung des linken Morawaarmes in die Donau liegt (was jedoch nach den Angaben der Tafeln unmöglich ist), so könnte die barocke Figur ihrer auf vortrefflichen antiken Substructionen ruhenden Mauern zur Erklärung benutzt werden, denn sie beschreiben ein gleichseitiges Dreieck.

 

 

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der Donau etwa bis zur Mündung der Drina von Völkern thrakischen Stammes bewohnt waren.

 

Unter den nördlichen Thraken brachte es einst der Stamm der Triballer zu einer so hervorragenden Stellung, dass er eine Zeit lang zu ihrem Gesammtnamen erhoben und auch die Thalebene der vereinten Morawa nach ihm genannt wurde; Später wurde ihre Macht durch ihre gegen Norden vordringenden illyrischen Nachbarn, an deren Spitze die Autariaten standen, gebrochen, und was sich vor ihnen nicht unterwarf, auf die stromabwärts gelegenen Gegenden [1] beschränkt, in welchen sie noch Ptolemaeus kennt. Hierauf erobern die keltischen Skordisker diese Gegenden von den Autariaten und setzen sich in denselben fest, werden aber ihrerseits von den Römern aufgerieben und verdrängt. Im Hinblick auf die obige Voraussetzung finden wir es daher wahrscheinlich, dass nach Entfernung der Skordisker die alten, thrakischen Ureinwohner wieder auftauchten, und erst in Folge der grossen Völkerwanderung vernichtet oder slavisirt wurden. Die Wahrscheinlichkeit spricht daher dafür, dass zur Römerzeit die Nordostgrenze des ethnographischen Illyrien in den Dardanern bis in die Nähe der unteren Donau reichte, dass aber der von der Natur markirte südliche Ufer streifen von dem thrakischen Elemente besetzt blieb.

 

Wir haben in den Albanesischen Studien [2] nachzuweisen versucht, dass dieselbe Grenze, welche im Alterthume die Illyrier von den Epiroten trennte, noch heutzutage die Sprachgrenze zwischen den Nordalbanesen oder Gegen und ihren südlichen Stammverwandten, den Tosken, bildet. Die obigen Untersuchungen berechtigen uns, diese Parallelgrenze etwas weiter ostwärts über die Grenzscheide zwischen den alten Dassareten und heutigen Dibranern und dem nun von Bulgaren bewohnten Pelagonien auszudehnen, denn da nach Strabo’s ausdrücklicher Angabe der Axios in Pelagonien entspringt, so werden wir von der Natur selbst angewiesen, die Südhälfte der mauerartig von Süd nach Nord streichenden alpinen Scharkette als die Ostgrenze der alten Dassareten zu bezeichnen, wie sie heutzutage die Dibraner gegen Tettowo abgrenzt. Wie wir in den Reiseskizzen bemerkt haben,

 

 

1. III, cap. 10, §.9. Im östlichen Untermoesien. Wenn Thukydides sie bereits in diesen Sitzen kennt, so beweist dies unbedingt nicht, dass sie zu seiner Zeit die triballische Ebene verloren hatten. Er sagt nämlich II. 96: „Τὰ δὲ πρὸς Τριβαλλοὺς, καὶ τούτους αὐτονόμους, Τρῆρες ὥριζον καὶ Τιλαταῖοι. οἰκοῦσι δ’ οὖτοι πρὸς βορέαν τοῦ Σκομίον ὄρους, καὶ παρήκουσι πρὸς ἡλίου δύσιν (?) μέχρι τοῦ Ὀσκίου ποταμοῦ."

 

2. I, S. 217.

 

 

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finden sich jedoch unter die östlich von dem Schar wohnenden Bulgaren albanesische Elemente eingestreut, und dringt sich daher namentlich für die in den Felswildnissen des Karschiak zwischen Treska und Wardar sitzenden Albanesen die Frage auf, ob sie nicht Ueberbleibsel der aus der Skopiaebene von den Bulgaren verdrängten alten Dardaner seien. Wer dieselben im Hinblick auf den grellen Gegensatz jener Kummerfelsen mit dieser Marschebene nicht als spätere freiwillige Einwanderer zu betrachten geneigt ist, der wird in denselben eine Spur erkennen, um die Nordgrenze zwischen Paeonien und Dardanien in den zwischen Skopia und Welese streichenden Bergstrichen zu suchen, durch welche der Wardar bei seinem Austritte aus der Skopiaebene sich winden muss.

 

Wir müssen darauf verzichten, diese ohnehin schon sehr problematische Grenzparallele jenseits des Wardar fortzusetzen.

 

 

IV. Zur Geschichte der alten Dardaner.

 

Als erste geschichtliche Thatsache im Bereiche des Morawagebietes dürfte wohl die Herrschaft des thrakischen Volksstammes zu betrachten sein, indem nach der oben erwähnten Angabe Strabo’s das Reich der Triballer von den Agrianen 15 (?) Tagmärsche weit bis zum Ister reichte.

 

Dieser Periode folgt die Oberherrschaft des illyrischen Stammes in den Autariaten, welche die Triballer unterjochten. Als dritte Periode kommt dann die Oberherrschaft der keltischen Skordisker, und dieser folgt die Römerzeit, in welcher sowohl Triballer als Autariaten und Skordisker dem römischen Reiche einverleibt erscheinen. Nach Appian’s [1] Darstellung freilich sollte man glauben, dass die Triballer in ihren Kämpfen mit den Skordiskern aufgerieben und was von ihnen übrig geblieben, jenseits der Donau in das Getenland verdrängt worden sei. Indessen weist sein Zeitgenosse Ptolemaeus den Triballern noch genau dieselben Sitze an, in welchen sie Thukydides bereits kannte, und Alexander der Grosse aufsuchte.

 

 

1. Illyr. 3.:

 

 

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Es lässt sich nicht entscheiden, ob etwa Appian die Angaben des Ptolemaeus stillschweigend widerlegen wollte, oder ob seine Quellen das Unglück der Triballer, wie dies in der Regel geschieht, übertrieben haben, und Ptolemaeus hier nicht aus älteren Quellen geschöpft hat, sondern von den Triballen seiner Zeit spricht: es kommt aber auch wohl wenig darauf an [1].

 

Ueber die Unterjochung der Triballer durch die Autariaten fehlt es an jeder Zeitangabe; dass dieses Ereigniss aber in die Zeit nach Alexander dem Grossen zu verlegen sei, das scheint uns aus der Lage der Dinge vor dessen Zuge nach Asien klar hervorzugehen. Denn um sich für diesen die nöthige Ruhe von Seite seiner Nachbarn zu verschaffen, wendet sich Alexander nicht etwa nach Westen oder Norden, gegen seine unmittelbaren Nachbarn, die streitbaren Illyrier, sondern nach Osten und Nordosten, d. h. gegen das thrakische Element, und führt seinen Hauptschlag gegen dasselbe an den Ufern der untern Donau, also in weiter Entfernung von den Grenzen Macedonien’s. Schiebt man nun Strabo’s Notiz von einem grossen Triballerreiche hier ein, welches südlich auf die Agrianen drückte und auch deren südlichen Nachbarn gefährlich zu werden drohte, so verliert Alexander's Zug an den Ister jeden abenteuerlichen Anstrich, und erhält er einen wohlberechneten Zweck. In diesem Triballerreiche scheint damals der Schwerpunct des ganzen thrakischen Elementes gelegen zu haben, und durch diese unruhige und vergrösserungssüchtige [2] thrakische Macht mochte sich die ganze übrige Halbinsel bedroht finden. Wollte Alexander also ohne Furcht für sein

 

 

1. Nach Dio Cassius LI. cap. 27. verbunden mit LXVII. cap. 6. wäre ihr Name in dem der Mysier aufgegangen.

 

2. So verstehen wir Arrian I. 1., denn νεωτερίζω heisst vor Allem Neuerungen, Unruhen anstiften, schlechthin: sich erheben von (Unterworfenen) ist abgeleitete Bedeutung. Aus diesem Ausdrucke lässt sich daher wohl nicht der Schluss ziehen, dass die Triballer bereits Alexander's Vater unterthänig gewesen seien.

 

 

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väterliches Reich nach Asien ziehen, so musste er vorerst diese thrakische Conföderation zu brechen suchen, so musste er zeigen, dass er im Stande sei, bis in das Herz derselben einzudringen. Wir setzen daher den Zweck dieses Feldzuges in die Demüthigung und Einschüchterung der zu mächtig gewordenen Triballer.

 

Von Amphipolis aus zieht er in dieser Absicht quer durch das südliche Thracien bis zu dessen Nordostwinkel, wo die Balkankette in das schwarze Meer abfallt, forcirt deren Küstenpässe [1] und kommt zu dem Lyginus, dem heutigen Pravati, der bei Warna mündet, von dem aus er in drei Tagmärschen den Ister vermuthlich in der Umgegend von Rustschuk erreicht. Nach einem vergeblichen Versuche, eine der dortigen Donauinseln zu nehmen, auf welche sich die Triballer geflüchtet hatten, setzt er etwas oberhalb über den Ister und zerstört die an dessen nördlichem Ufer gelegene Getenstadt, welche wohl in der Nachbarschaft des heutigen Dschurdschewo zu suchen ist. Bei seiner Rückkehr auf das redite Ufer findet er die Gesaudten des Triballerkönigs Syrmos und anderer freier Donau Völker, ja sogar der Kelten vor, welche nach Arrian damals am jonischen Meerbusen wohnten. Arrian spricht in seiner bündigen Weise nur von einem Bündniss Alexander’s mit den Kelten, deren Gesandte wohl mehr den Auftrag hatten, die Vorgänge zu beobachten, als Alexander zu becomplimentiren, und scheint es als selbstverständlich zu betrachten, dass sich derselbe auch mit den übrigen Gesandten vertragen habe. Von dem Ister zieht Alexander vermuthlich längs des Oeskos (Isker) nach dem Lande der Agrianer und Paeonen, und auf diesem Marsche erfährt er, dass Clitus von Skodra und Glaucias von Taulantien (vielleicht auf das Gerücht von seinem Untergange an der Donau hin) abgefallen seien, und dass er auf seinem Marsche von den Autariaten angegriffen werden solle.

 

 

1. Wir folgen hierin der Ausführung von General A. Jochmus in seinen Notes on a journey into the Balkan in 1847, S. 40. „Nature has so strongly marked the best amongst the many (13 fahrbare S. 20) difficult passes of the Haemus, that at the distance of thousand years the three great Commanders (Darius, Alexander, Diebitsch) are fo- und to have operated by the same lines“. Die gleichzeitige Erscheinung byzantinischer Schiffe auf dem Isterstrome betrachtet er nicht als eine Zufälligkeit, sondern sieht hierin einen Beleg für die Planmässigkeit dieses Feldzuges, und setzt ihre Aufgabe namentlich in die Verproviantirung des Landheeres während seines Marsches längs der Küste und am Strome. S. jedoch auch über die Schwierigkeiten die Arrianische Insel Peuke (Exped. Alex. I, 2) mit der übrigen OertUchkeit und den Zeitangaben des Feldzugs in Einklang zu bringen — R. Rösler, „Die Geten und ihre Nachbarn“, Wien 1864, S. 23 ff.

 

 

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Dies ist unseres Wissens seit Skylax die erste Erwähnung, welche von diesem illyrischen Volksstamme geschieht, der vielleicht durch die beiden stammverwandten Könige zum Angriffe auf die rückkehrenden Macedonen aufgereizt worden war. Doch wird dieser Angriff von Langaros, dem Könige der Agrianer, welchen seine von den Triballern stets bedrohte Stellung zum treuen Bundesgenossen der Macedonen machte, durch einen Einfall in das Gebiet der Autariaten abgewandt.

 

Wir vermögen nicht zu bestimmen, ob die Macht der Triballer durch Alexander's Zug [1] oder durch weitere Ereignisse gebrochen wurde, wir glauben nur ein Anzeichen für die Annahme gefunden zu haben, dass die Autariaten bald nachher zur Ueberraacht im Süden der Donau gelangt seien, dass sie sich aber nicht lange in derselben behaupten konnten [2]. Denn bereits unter Kassander drücken sie, wie wir oben sahen [3], auf die Paeonen, welche im Süden ihrer Stammlande sassen, mithin in umgekehrter Richtung, in welcher sie sich bis dahin ausgebreitet, und der den Paeonen zu Hilfe eilende Kassander schlichtet den Streit durch das auffallende Auskunftsmittel, dass er deren Bedrängern neue Wohnsitze in den Strichen des Orbelosgebirges anweist. Diese Uebersiedlung von 20,000 Autariaten, deren Stamm bis zur Donau gewaltig war, aus ihrem vermutlichen Ursitze, dem Amselfelde, in östlichere Gegenden, glauben wir uns in befriedigender Weise [4] nur durch die Annahme erklären zu können, dass sie durch einen Druck von Norden oder Nordwesten her veranlasst wurde, dass die auf die Paeonen drängende Volksmasse aus Flüchtigen bestand, welche von den plündernden oder erobernden keltischen Skordiskern südwärts gedrängt und neue Wohnsitze zu suchen genöthigt wurden, und dass Kassander ihnen diese gewährte.

 

Ob sich die Skordisker auf dem Amselfelde und in der Metoja festgesetzt, ist nicht zu bestimmen, da die Quellen hierüber schweigen

 

 

1. Denn, was von den Thrakerstämmen nicht freiwillig zu ihr hielt, benutzte wohl diese Gelegenheit zum Abfall.

 

2. Indessen spricht Dio Cassius LI, cap. 23, aus dem Jahre 29 vor Christus noch von Dardanern, die in dem Lande der Triballer sassen.

 

3. Diodor XX, 19.

 

4. An einer anderen Stelle sagt Diodor (III, 30) freilich, dass die Autariaten durch einen Froschregen gezwungen wurden, ihre Heimat zu verlassen und in die Striche zu ziehen, in welchen sie jetzt sitzen. Nach Appian, Illyr., Cap. 3, ist aber diese Plage die Strafe für ihre Betheiligung bei dem Zuge der Skordisker gegen Delphi.

 

 

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und Völker ihrer Art gleich den Raubthieren eines grossen Jagdreviers zum Unterhalte bedürfen; jedenfalls müssen aber ihre wiederholten Raubzüge nach den von den Hybrianern und Dassareten bewohnten Drinthälern durch jene Gegenden gegangen sein. Nimmt man aber eine bleibende Niederlassung in denselben oder auch im Becken von Nowi Pazar an, so erklärt sich der ihnen vielleicht nur von den Nachbarn gegebene Name der keltischen Skordisker sehr einfach aus den Massengebirgen, denen jene Gegenden anlagern, und deren Gesammtname bei den Eingebornen vermuthlich Scodre, bei den Römern Scodrus oder Scordus, bei den Griechen Scardos war, und der sowohl den albanesischen Alpenknoten als die südlichere Scharkette und die Gebirge des Dukadschin begriff [1]. Uns scheint daher jeder Versuch vergeblich, diese verschiedenen Namensformen eines Gebirgscomplexes dessen einzelnen Theilen gesondert zuzuweisen.

 

Wir halten es nach dem Obigen für wahrscheinlich, dass die Uebermacht der Ostillyrier in den Donaulanden bereits zu den Zeiten gebrochen war, in welche die Kämpfe der Römer mit den Macedonen fallen. In den uns über diese Kämpfe erhaltenen römischen Nachrichten wird gelegentlich auch der Dardaner,

 

 

1. In dieser Ausdehnung fasst wenigstens den Namen Livius XLIV, 31 : „Mons Scodrus longe altissimus regionis ejus, ab oriente Dardaniam subjectam habet, a meridie Macedoniam, ab occasu Illyricum“. Ptolemaeus dürfte seinen Skardos mehr auf den Schar beschränken, da er das namenlose Gebirge von ihm unterscheidet, auf dem die heutige Drina entspringt, die er ἕτερος ποταμὸς Δρεῖνος nennt. II. cap. 16. Illyr. §§. 6 und 7. Ebenso Polybios XXVIII. cap. 8: „οἳ (πρεσβευταὶ) καὶ ποιησάμενοι τὴν πορείαν ὑπὲρ τὸ Σκάρδον ὄρος διὰ τῆς ἐρήμου καλουμένης Ἰλλυρίδος" (in Livius XLIII. 20, wörtlicher Uebersetzung : „hi trausgressi jugum Scordi montis per Illyrici solitudines“) „ἣν οὐ πολλοῖς χρόνοις ἀνώτερον ἀνάστατον ἐποίησαν Μακεδόνες, διὰ τὸ δυσέργους ποιῆσαι τοῖς Δαρδανεῦσι τὰς εἰς τὴν Ἰλλυρίδα εἰσβολάς“. — Die von Perseus an Gentius geschickten Gesandten reisten offenbar auf der von Kalkandele über den einzigen Pass des Schar in das Drinthal und durch das Dukadschiner Gebirge nach Skodra führenden Strasse, welche wir in unseren Bemerkungen über die Peutinger’schen Tafeln bis zu jenem Passe als Römerstrasse nachgewiesen haben. Zu Gentius’Zeiten mag dieselbe nicht besser gewesen sein, als heutzutage. Diese Strasse gehört zu den schwierigsten der Halbinsel, denn sie führt durch eine ihrer unfruchtbarsten und zerrissensten Felspartien. Auf ihr gab es daher mit alleiniger Ausnahme des Zuzammenflusses der beiden Drinarme nichts zu verheeren. Von diesem Puncte führt aber auch der einzige Weg nach Süden, nämlich durch das Thal des schwarzen Drin nach dem See von Ochrida, dem alten Lychnidus. Hier mögen also die Macedonen den keltischen Skordiskern vorgearbeitet haben, welche, wie wir oben sahen, Strabo als die Verheerer dieser Gegend nennt.

 

 

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und auffallender Weise nur der Dardaner [1] als der nördlichen Nachbarn des macedonischen Reiches gedacht, und erscheinen sie dann stets als Erbfeinde desselben, auf welche sich Livius [2] Bemerkung über die thrakischen Maeder ausdehnen lässt, dass sie gewohnt waren, in Macedonien einzufallen, so oft sie erfuhren, dass dessen Könige in äusseren Kriegen beschäftigt wären und das Reich ohne Schutz sei.

 

Die erste Notiz über diese Verhältnisse finden wir bei Polybios [3], nach welchem König Philipp während des achaischen Bundesgenossenkrieges aus dem Peloponnes durch die Nachricht zurückgerufen wird, dass die Dardaner sich zu einem Angriff auf Macedonien vorbereiten. Doch imponirte die rasche Rückkehr des Königs nach Pella den Dardanern so sehr, dass sie ihren Plan aufgaben. Später, vermuthlich im Jahre 216 [4] vor Christus, besetzte Philipp Bylagora (das heutige Welese), die grösste Stadt von Paeonien, welche für Einfälle von Dardanien nach Macedonien besonders vortheilhaft gelegen war [5], so dass er durch diese Besetzung fast aller Furcht vor den Dardanern frei wurde. Denn es war für diese nicht leicht, in Macedonien einzufallen, wenn Philipp die Pässe der genannten Stadt besetzt hatte. Gab der Einfall der Dardaner, von welchem Justin spricht [6] und in dem sie 20,000 Sclaven aus Macedonien wegführten, die Veranlassung zu jener Besetzung? Wir haben die Mittel nicht, um diesen Einfall chronologisch zu bestimmen.

 

Eine ähnliche Notiz gibt uns Livius [7] aus dem Jahre 211 vor Christus. Philipp will sich zu einem Feldzuge gegen die Aetoler vor den Angriffen seiner illyrischen Nachbarn Ruhe verschaffen; er wendet sich in dieser Absicht zuerst gegen Westen und macht einen raschen Einfall in das Gebiet der Apolloniaten und Oriker. Nachdem er diese angrenzenden illyrischen Gebiete verheert, wendet er sich mit derselben Schnelligkeit nordwärts nach Pellagonien und

 

 

1. Wie Arrian nur von Autariaten spricht, so sprechen Polybius und Livius nur von Dardanern; dass die ersteren aber auch noch nach der Eroberung von Macedonien in ihren Ursitzen sassen, ersehen wir aus den Geographen, welche beide Stämme neben einander weiter unten nennen.

 

2. XXVI. cap. 25.            3. V. cap. 46.

 

4. Conf. Polybios V. cap. 108. in fine et cap. 160. in fine cum Liv. XXII. 25.

 

5. Polyb. V. 97., auch von Livius XLIV. 26. erwähnt.

 

6. Justin. XII. cap. 4.            7. A. a. O.

 

 

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nimmt von da die dardanische Stadt Sintia weg, von welcher aus die Dardanen in Macedonien einfallen konnten [1].

 

Drei Jahre später (208 vor Christus) wird Philipp von seinem Feldzüge im Peloponnes durch die Nachricht abgerufen, dass ein gewisser Eropus sich der Stadt Lichnidus und einiger Orte der Dassareten bemächtiget habe, und dass, von ihm aufgeregt, die Dardaner in Macedonien eingefallen, die Stadt Orestis bereits besetzt hätten und bis in das Gebiet von Argeste vorgedrungen seien [2]. Auch im folgenden Jahre kehrt er aus Thessalien in der Absicht nach Macedonien zurück, um gegen die Dardaner zu ziehen [3].

 

Sieben Jahre später (200 vor Christus) erblicken wir Bato, den Sohn des Longarus von Dardanien, neben Pleuratus, dem Sohne des Seerdilaedus, und Amynander, König der Alhamanen, bei dem gegen Philipp zu Felde liegenden Consul Sulpicius, welcher zwischen Apollonia und Dyrrhachius im Lager stand; sie bieten ihm ihre Hülfe gegen Philipp an, und der Consul nimmt sie für den Fall an, wenn er sein Heer nach Macedonien führen werde. Philipp aber schickt dem zu Folge den jungen Perseus in der Begleitung erfahrener Freunde mit einer Truppenabtheilung zur Besetzung der Grenzpässe von Pelagonia (ad obsidendas angustias, quae ad Pelagoniam sunt) [4] ab. Doch wird dieser rasch zum Hauptheer zurückberufen, und dadurch wird der Weg nach Macedonien für Pleuratus und die Dardaner frei. Diese fallen auch bald in Macedonien ein, ziehen sich aber wieder allmählich zurück, als sie hören, dass auch Sulpicius sich nach Macedonien nach Apollonia zurückgezogen habe.

 

Philipp schickt nun seinen Feldhern Athenagoras gegen sie [5], welcher die Dardaner auf ihrem Rückzuge erreicht und ihre Nachhut beunruhigt [6]; so oft sich hierauf die Dardaner zurückwandten und in Schlachtordnung aufs teilten, da wurde stets ohne Entscheidung gestritten: wenn aber die Dardaner wieder ihren Marsch fortsetzten, da begannen die Königlichen mit der Reiterei und den leichten

 

 

1. XXVI. cap. 25. „Inde Dardanorum urbem Sintiam, in Macedoniam transitum Dardanis facturam, cepit“. Diese Stadt scheint sonst nirgends erwähnt zu werden, und wir vermögen sie daher nicht zu placiren, denn Livius will sie durch Zusatz Dardanorum urbs von der thrakischen Sintia unterscheiden.

 

2. XXVII. 33.            3. XXVIII. 8.

 

4. XXXI. 28., ebenso cap. 33.            5. XXXI. 42.            6. XXXI. 43.

 

 

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Truppen die von jeder Hülfe dieser Art entblössten schwerbewaffneten Dardaner zu necken, und wurden hierin von der Oertlichkeit selbst unterstützt. Indessen wurden nur sehr wenige hierbei getödtet und einige mehr verwundet, gefangen aber Niemand, weil die Dardaner nicht leicht ihre Glieder verlassen, sondern geschlossen fechten und marschiren.

 

Wir ersehen aus dieser beachtenswerthen Stelle, dass das Dardanisch-illyrische Heer [1] aus Schwerbewaffneten bestand, welche mit der Taktik dieser Waffenart vollkommen vertraut waren. Dies setzt eine hohe militärische Bildung voraus, welche zu dem halbwilden Zustande der Dardaner, von dem andere Quellen sprechen, nicht recht zu stimmen scheint. Wir haben bereits oben bemerkt, dass man wohl zwischen den dar dänischen Städtern und Bewohnern der reichen Ebenen und den armen Bewohnern der Bergstriche, wie heutzutage, so auch in der alten Zeit unterscheiden müsse. Gleichwohl lässt sich die Abwesenheit aller leichten Truppen auf Seiten der Dardaner in dem vorliegenden Falle nur durch die Annahme erklären, dass die langsam marschirenden schwerbewaffneten Corps ihres Heeres aus irgend einem Grunde von dem leichtbewaffneten Theile verlassen waren, als sie Athenagoras erreichte; denn dass die dardanischen Heere nur aus Schwerbewaffneten bestanden haben sollten, ist bei der Armuth der Bergstriche, aus denen sie den grössten Theil ihrer Mannschaft bezogen, ganz abgesehen von der Unzweckmässigkeit einer solchen Heerverfassung, geradezu undenkbar.

 

Philipp’s Niederlage bei Kynos Kephalae (197 vor Christus) blieb von den Dardanern nicht unbenutzt; sie fielen in Macedonien ein und verheerten dessen nördliche Striche. Auf diese Nachricht ermannte sich jedoch Philipp rasch, raffte in aller Eile 0000 Fussgänger und 500 Beiter zusammen, und überfiel die Dardaner unversehens bei der Stadt Stobi. Er tödtete eine grosse Menge in der Schlacht und eine noch grössere Menge von solchen, welche sich der Plünderung wegen in der Umgegend zerstreut hatten, und diejenigen, welche fliehen konnten, zogen sich, ohne irgend Widerstand zu versuchen, in ihr Gebiet zurück [2].

 

Von dieser Niederlage der Dardaner bis zum Tode des alten Königs Philipp (179 vor Christus) scheint es zu keinem bedeutenden Zusammenstosse zwischen ihnen und den Macedonen gekommen zu sein,

 

 

1. XXXI. cap. 40. Dardanorum et Pleurati cum Illyriis transitum in Macedoniam.

 

2. Livius XXXIII. 19.

 

 

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wenigstens gedenken unsere Quellen keines solchen. Dagegen erwähnen sie im Jahre 189 vor Christus des Durchzuges eines bedeutenden keltischen Heerhaufes durch Dardanien, der sich dort in zwei Theile theilte, von denen der eine sich vermuthlich rückwärts wandte, der andere aber nach Thrakien und von da nach Asien zog [1]. Mit Philipp’s Tode beginnt aber der für uns interessanteste Theil der Geschichte der Dardaner, nämlich ihr erster Zusammenstoss mit den Bastarnern, denn in diesen erkennen wir, gestützt auf die bestimmten Zeugnisse von Tacitus, Plinius und Strabo, mit Zeus und Grimm einen deutschen Volksstamm, und zwar den ersten, welcher in die Geschichte eintritt. Die Geschichte unseres Volkes beginnt sonach nicht mehr mit dem Einfall der Kimbern und Teutonen in Italien, sondern 70 Jahre früher mit dem Eingriffe der Bastarnen in die Geschichte von Macedonien und Dardanien.

 

Von seiner Niederlage an lebte nämlich Philipp nur noch einem Gedanken, seiner Rache an den Römern, welchem er sogar seinen tüchtigen Sohn Demetrius zum Opfer brachte. Doch sah er, dass er zu seiner Durchführung fremder Kräfte bedürfe, und um diese zu erreichen, hatte er seit langem schon sein Auge auf die Bastarner geworfen, welche vermuthlich erst um diese Zeit bis zur Donau vorgedrungen waren [2]. Um mit ihnen in Verbindung zu treten, hatte er bereits im Jahre 182 vor Christus eine Gesandtschaft an sie geschickt, und mit dieser waren einige junge Männer aus dem königlichen Stamme nach Pella gekommen, und einer von ihnen hatte seine Schwester dem Sohne Philipp’s (Perseus?) zur Ehe versprochen [3]. Die Unterhandlungen scheinen fortgesetzt worden zu sein [4] und zu einem Allianzvertrage zwischen Philipp und den Bastarnern geführt zu haben, denn wenige Tage nach Philipp’s Tode erhob sich das seit langer Zeit herbeigerufene Volk der Bastarner aus seinen Sitzen und setzte über den Ister. Antigonus und Cotto wurden vorausgeschickt, um dies dem Könige zu verkünden.

 

 

1. Livius XXXVIII. 16.

 

2. Scymus fragm. V. 50. Οὗτοι δὲ Θρᾷκες· Βαστάρναι τ᾿ ἐπήλυδες nach Zeuss, S. 129. — Die Ortschaft Bastáre liegt über die Ostwand des Thales von Bena zwischen Tiranna und der Thalmulde von Matja ausgestreut in der ptolemäischen Hibania. S. Reise durch die Gebiete des Drin und Wardar, Abtheil. II, S. 6. — Wir möchten diesen Namen künftigen Forschern zur näheren Beachtung empfehlen.

 

3. Livius XL. cap. 5.

 

4. XL. 67. Gens Bastarnarum, diu sollicitata — Histrum trajecit.

 

 

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Cotto war ein edler Bastarner, Antigonus öfter vom Könige zusammen mit Cotto als Gesandter an die Bastarner geschickt worden, lim sie einzuladen. Nicht weit von Amphipolis erreichte sie die Nachricht von dem Tode des Königs. Dies Ereigniss brachte den ganzen Plan in Verwirrung. Man war nämlich dahin übereingekommen, dass Philipp den Bastarnern sicheren Durchzug durch Thrakien und Unterhalt zu gewähren habe ; um dies zu ermöglichen, hatte er die Fürsten jener Gegenden mit Geschenken bearbeitet und sein Wort verpfändet, dass bei dem Durchzuge der Bastarner Ruhe und Ordnung herrschen sollten. Er hatte den Plan, das Volk der Dardaner zu vernichten und auf ihrem Gebiete neue Sitze für die Bastarner zu gründen. Man versprach sich davon den doppelten Vortheil, dass sowohl die Dardaner, welche stets den Macedonen feindselig waren und sie in unglücklichen Zeiten stets bedrohten, aus dem Wege geräumt, als auch, dass die Bastarner unter Zurücklassung von Weib und Kind in Dardanien zur Verheerung von Italien ausgeschickt werden könnten. Den Bastarnern würden die Skordisker [1] leicht den Durchzug gewähren, da sie weder in Sprache noch in Sitten sehr verschieden von ihnen wären, und sie würden sich ihnen vielmehr zugesellen, wenn sie sähen, dass es zur Plünderung des reichsten Volkes ginge. Jedes Ergebniss könne dann nur zweckdienlich sein, denn entweder würden die Bastarner von den Römern vernichtet, so wäre man doch der Dardaner los und fände Trost in der Beute aus der Verlassenschaft der Bastarner und in dem freien Besitze von Dardanien; oder sie hätten Glück, so würden die Römer durch den Krieg mit den Bastarnern beschäftigt, und er könne dann, was er in Griechenland verloren, wieder gewinnen. Dies waren Philipp’s Plane.

 

(Cap. 58.) Die Bastarner zogen auf Cotto’s und Antigon’s Wort in guter Ordnung ein, aber bald nach der Nachricht von Philipp’s Tode wurden die Thraker schwierig im Verkehre, und

 

 

1. Der Weg von Dardanien nach Italien ging mithin durch das Gebiet der Skordisker, welches demnach bis zu dem Nordabfall des albanesischen Alpenknotens des alten Scodrus oder Scordus reichen musste, der sowohl ihnen als der Labeaten-Hauptstadt Scodrajlen Namen gab. Sie sassen daher, wenn sie nicht bis in das Amselfeld und die Metoja hineinreichten, wenigstens im Kessel von Nowi Pazar. Das Land von diesem bis zur Donau ist sowohl Strabo als Ptolemaeus gänzlich unbekannt, sie kennen daher wohl die oben angegebenen Nordgrenzen des Skordiskerlandes zur Römerzeit, schweigen aber über dessen Südgrenzen. Wir kennen überhaupt keine einzige Angabe der Alten über das innere Bosnien und das westliche Serbien.

 

 

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konnten die Bastarner weder in Bezug auf die Zufuhr zufrieden gestellt, noch in geschlossenem Zuge erhalten und vom Wege abzuschweifen verhindert werden. Es kam daher von beiden Seiten zu Beleidigungen, und diese häuften sich von Tag zu Tag so, dass es zuletzt zum Kampfe kam. Endlich verliessen die Thraker, welche der Stärke und Zahl der Feinde nicht widerstehen konnten, ihre Dörfer in der Ebene, und zogen sich auf ein Gebirge von ungeheurer Höhe, Donuca genannt, zurück. Als ihnen die Bastarner dahin folgen wollten, wurden sie von einem Unwetter überfallen, das dem ähnlich war, wodurch der Sage nach die Delphi plündernden Gallier zu Grunde gingen, so dass keiner den Gipfel des Gebirges erreichen konnte, denn es stürzte nicht nur heftiger Platzregen und dichter Hagel mit ungeheurem Donner und augenblendenden Blitzen auf sie, sondern die Blitze zuckten auch in dem Grade von allen Seiten, dass sie die Menschen zu suchen schienen und nicht nur Soldaten, sondern auch Oberste erschlagen wurden. Da sie nun in schleuniger Flucht über hohe Felsen stürzten, so verfolgten sie zwar die Thraker, doch sagten diese selbst, dass die Götter diese Flucht verursacht und der Himmel auf sie gestürzt sei. Als die vom Sturme Zerstreuten wie aus einem Schiffbruche und meist nur halbbewaffnet in das Lager zurückkehrten, von wo sie ausgezogen waren, da begannen sie über Das zu berathen, was nun zu thun sei, und hierbei zeigte sich ein grosser Zwiespalt, indem die einen für die Bückkehr, die andern für den Angriff auf Dardanien stimmten. Ungefähr 30,000 Mann zogen unter Anführung des Clondicus dorthin, die übrige Menge kehrte auf demselben Wege, den sie gekommen war, nach dem Mittellande (mediterraneam regionem) zurück.

 

Vier Jahre später (175 vor Christus), während welcher Perseus sich gegen die Anklage, dass er die Bastarner in das Land gelockt halje und sie insgeheim unterstütze, vor dem Senate zu vertheidigen suchte, finden wir die Bastarner noch in Dardanien, denn Livius erzählt von ihnen Folgendes [1]:

 

„Als die Dardaner sahen, dass die Bastarner gegen Erwarten nicht nur ihr Land nicht verliessen, sondern, gestützt auf die Hülfe der benachbarten Thraker und der Skordisker, von Tag zu Tag drückender wurden, so meinten sie, dass sie einen kühnen Schlag wagen müssten, und versammelten sich bewaffnet von allen Seiten in der Stadt, welche dem Lager der Bastarner am nächsten lag. Es war Winter, und sie hatten diese Jahreszeit gewählt, weil dann die Thraker und Skordisker nach

 

 

1. XLI. cap. 10.

 

 

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ihrer Heimath abzogen. Als sie hörten, dass dieses Statt hatte und die Bastarner nur allein seien, da theilten sie ihre Streitkräfte in zwei Partien, in der Absicht, dass die eine, um die Feinde zu reizen, auf dem geraden Wege und offen Vorgehen, die andere aber auf einem Umweg durch den Wald ihnen in den Rücken fallen solle. Es kam jedoch zum Kampfe, bevor die Umgehung ausgeführt werden konnte, und die besiegten Dardaner wurden auf die Stadt zurückgeworfen, welche fast 12 Miglien von dem Lager der Bastarner entfernt war. Die Sieger schlossen eiligst die Stadt ein, indem sie nicht zweifelten, dass sie sich entweder am folgenden Tage aus Furcht übergeben, oder dass sie sie erobern würden. Unterdessen hatte das andere Corps der Dardaner, welches die Umgehung ausführte, unbekannt mit der Niederlage der Seinen, das Lager der Bastarner ohne Bedeckung gefunden.

 

— Hier schneidet leider eine Lücke den weiteren Bericht über diesen Kampf ab. Ueber diese dardanische Expedition der Bastarner erfahren wir nur aus Polybius [1], dass die Dardaner sich in ihrer Noth nach Rom wandten, und deren Gesandte den Senat um Hülfe gegen die Bastarner baten, indem sie sich über die Menge derselben, ihre Körpergrösse und ihren Muth in Gefahren verbreiteten, das Einverständniss des Perseus mit denselben auseinandersetzten und behaupteten, dass sie von diesem noch mehr als von den Bastarnern zu leiden hätten, worauf der Senat eine Untersuchungscommission an Ort und Stelle zu schicken beschloss.

 

Auch in Bezug auf den Ausgang dieser Expedition können wir aus des Kallikrates Anklage gegen Perseus [2] vor dem Senate nur so viel entnehmen, dass die Bastarner gezwungen wurden, Dardanien wieder zu verlassen, denn er beschuldigt den Perseus, dass er die Bastarner zu Aller Schrecken nach Dardanien geführt habe, in welchen, wenn sie sich in diesen neuen Sitzen hätten halten können, Griechenland drückendere Anwohner erhalten haben würde, als Asien an den Galliern.

 

Endlich hat uns Livius [3] die Andeutung eines glücklichen Feldzuges gegen die Dardaner erhalten, welchen Perseus in seinem vorletzten Regierungsjahre (168 vor Christus) auslührte.

 

Nach dem Falle dieses Königs erscheinen die Dardaner vor dem in Amphipolis mit der Organisation des eroberten Macedonien beschäftigten Aemilius Paulus,

 

 

1. Polybius XXV. cap. 9.

 

2. Livius XLI. cap. 13.

 

3. XLIII. cap. 18 und 19.

 

 

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und reclamiren Paeonien, weil es ihnen früher gehört habe und mit ihrem Gebiete Zusammenhänge. Aemilius antwortet ihnen jedoch, dass er allen die Unabhängigkeit schenke, welche unter Perseus' Herrschaft gestanden haben; er gestattet ihnen den Salzhandel mit Stobi, verordnet, dass der von ihm gebildete vierte macedonische District die erforderlichen Quantitäten dahin liefern solle und bestimmt die Salzpreise [1] (107 vor Christus).

 

Ueber die weiteren Schicksale der Ostillyrier gibt uns zunächst Appian Aufschluss [2]. Ihm zu Folge betheiligten sich die Autariaten bei dem bekannten Zuge, welchen Μοlistomos [3] und die keltischen Kimbrer (280 vor Christus) gegen den Tempel von Delphi unternahmen, ging aber der grösste Theil vor der Ausführung des Anschlages durch liegen, Sturm und Blitz zu Grunde. Bei ihrer Rückkehr in die Heimath entstand eine unendliche Masse von Fröschen, welche, als sie zu faulen begannen, die Quellen verdarben, aus der Erde aber stiegen schädliche Dünste auf, und es entstand eine Pest unter den Illyriern, von welcher besonders die Autariaten heimgesucht wurden. Endlich flohen diese aus der Heimath, schleppten aber die Pest mit sich, so dass sie aus Furcht vor derselben Niemand aufzunehmen wagte. Sie legten einen Weg von mehr als 23 Tagereisen zurück, und liessen sich zuletzt in der sumpfigen Einöde der Geten, in der Nachbarschaft des Bastarnervolkes nieder [4]. Den Kelten aber erschütterte der Gott das Land und stürzte ihre Städte um, und die Noth nahm kein Ende, bis auch sie ihre Heimath verliessen und bei den Illyriern, ihren Mitschuldigen, einfielen, welche von der Pest geschwächt waren. Sie verheerten deren Land, verliessen es aber, nachdem sie von der Pest angesteckt worden, und zogen raubend bis zu den Pyrenäen, wandten sich aber von dort wieder gegen Osten.

 

Appian gedenkt nun ihres Einfalls in Italien und ihrer Vernichtung durch Marius, und fährt dann fort: Sie aber, schwach geworden, und wegen ihrer Schwäche von aller Welt ausgeschlossen, kehrten in ihre (illyrische) Heimath zurück, nachdem sie viel vollbracht und viel gelitten hatten (cap. V).

 

 

1. XLV. cap. 29.

 

2. De rebus illyricis, cap. 4 und 5.

 

3. Sollte dies der persönliche Name des von den anderen Quellen Brennus Genannten sein, da letzteres nur ein, Häuptling bedeutendes keltisches Gemeinwort ist ?

 

4. Das Factum der Froschplage erzählt auch Diodor III. 30, jedoch ohne Zeitangabe.

 

 

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Solches Schicksal legte der Gott den Illyriern und den Kelten für ihre Gottlosigkeit auf. Und dennoch Hessen sie vom Tempelraub nicht ab, denn wiederum überzogen die Illyrier, und unter diesen hauptsächlich die Skordisker, Maeder und Dardaner im Vereine mit den Kelten Macedonien sowohl als Griechenland, und raubten neben vielen anderen Tempeln auch den delphischen aus.

 

Damals waren jedoch bereits 32 Jahre [1] verflossen, seit sich die Körner zum ersten Male gegen die Kelten versucht, und sie hatten seitdem zu wiederholten Malen gegen sie gestritten, und da sie bereits die Schutzherren der Griechen und Macedonen waren, so zogen sie wegen dieses Tempelraubes gegen die Illyrier unter Anführung des Lucius Scipio zu Felde. Es heisst nun, dass die Nachbarn den Tempelräubern nicht beigestanden, sondern sie von freien Stücken dem Scipio überlassen hatten, und dies in Erinnerung an die Leiden, welche der Autariaten wegen über alle Illyrier gekommen wären. Scipio aber habe die Skordisker vernichtet, und was von ihnen übrig geblieben, das sei flüchtig geworden und habe sich an den Ister und auf die Insel des Stromes übersiedelt. Mit den Maedern und Dardanern aber habe er sich verglichen, nachdem sie ihn mit dem heiligen Golde bestochen, und ein italienischer Geschichtsschreiber behauptet, dass besonders aus diesem Grunde seit Lucius die Parteikämpfe bei den Körnern bis zur Einherrschaft immer zugenommeu hätten [2].

 

 

1. Nach dieser Angabe fiele dieser zweite Zug der Gallier gegen Delphi in das Jahr 81 vor Christi.

 

2. Welch’ tiefen Eindruck die Tempelräubereien der Gallier an Delphi auf die damalige Welt machten, zeigt auch Justin’s im gleichen Geiste gehaltene, aber aus andern Quellen geschöpfte Darstellung XXXII. cap. 3. Nach ihm bleibt ein Theil der von dem ersten, und zwar verunglückten Zuge gegen Delphi und den hierauf nach Thracien und Asien unternommenen Streifzügen in ihre alte Heimath zurückkehrenden Gallier unter dem Namen Skordisker an der Mündung der Sau in die Donau sitzen, die Tektosagen aber kehren nach ihrer alten Heimath Tolosa (Toulouse) zurück ; da sie aber an einer pestartigen Krankheit litten, so erhielten sie nicht eher ihre Gesundheit wieder, als bis sie auf den Ausspruch ihrer Zeichendeuter das Gold und Silber, welches sie durch Krieg und Tempelraub erworben, in den tolosischen See versenkten, welches nach langer Zeit der römische Consul Caepio wieder herausholte. Dieses Sacrilegium war die Ursache des Unterganges des Caepio und seines Heeres, und über die Römer wurde die Plage des cimbrischen Krieges als Strafe für dies heilige Geld verhängt. Von dem Volke der Tektosagen kehrte ein beträchtlicher Theil aus Beutelust nach lllyrien zurück, und setzte sich, nachdem er Istrien ausgeplündert, in Pannonien fest.

 

Das Versunken der Schatze in den See erinnert an das Versenken des Nibelungenhortes in den Rhein. Beachtenswerth ist auch das Bestreben beider Historiker, die Geschichte aller gallischen und deutschen, im europäischen Süden zu verschiedenen Zeiten streifenden Stämme auf einen einzigen zurückzuführen.

 

 

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Dass es jedoch, auch abgesehen von diesen Hergängen, zwischen Römern und Dardanern trotz der früheren Freundschaft zum Bruche kommen musste, sobald beide nach der Eroberung von Macedonien zu Nachbarn geworden, das wäre seihst unter der Voraussetzung unvermeidlich gewesen, dass den Römern die Erhaltung des freundnachbarlichen Verhältnisses angelegen hätte, denn wir dürfen wohl voraussetzen, dass sich der Charakter dieses Volksstammes im Laufe der Zeit nicht wesentlich verändert hat, und die alten Dardaner, nicht weniger unbeständig, leicht reizbar, raub- und händelsüchtig, kurz nicht weniger schlechte Nachbarn waren, als ihre heurigen Enkel, Wir vermochten jedoch über ihre Kämpfe mit den Römern nur einige magere Notizen aufzufinden. So berichtet Eutropius [1] unter dem Jahre 608 der Stadt (88 vor Christi), dass Sylla im Kriege gegen Mithridates, nachdem er dessen Feldherrn in Attika aufs Haupt geschlagen und Griechenland den Römern bewahrt, die Dardaner, Skordisker und Dalmater theils besiegt, tlieils deren Unterwerfung angenommen habe, und weiter [2] unter dem Jahre der Stadt 677—681 (77—73 vor Chr.), dass C. Scribonius Curio die Dardaner besiegte, bis zur Donau vordrang [3], den Krieg (d. h. wohl die Unterwerfung jener Länder) binnen drei Jahren beendete und sich den Triumph verdiente.

 

Doch scheint die Unterwerfung der Dardaner noch keine unbedingte gewesen zu sein, denn Dio Cassius [4] hat uns die Notiz von einer verunglückten Expedition des Antonius gegen dieselben erhalten. Derselbe war dieser zu Folge verheerend in Dardanien eingefallen, wagte aber den Angriff der sich sammelnden Bewohner nicht abzuwarten, sondern machte sich mit der Reiterei aus dem Staube, worauf dann das Fussvolk von den Dardanern aus dem Laude getrieben und seiner ganzen Beute verlustig wurde.

 

 

1. Eutrop. V. cap. 7. Diese Notizen lassen sich wahrscheinlich noch vermehren, da uns nicht alle betreffenden Quellen zu Gebote stehen.

 

2. VI. cap. 2.

 

3. Nach Jordanis, De regnor. success. Primuraque omnium Romanorum Danubium usque profectus cuncta ejus loca vastavit. — S. weiter Florus 1.59, Livius epit. 92. 95; Eutrop. IV. 2, Triumphus a. 081 de Thracibus et Dardaneis.

 

4. Dio Cassius XXXVIII. 10. Liv. epit. 103.

 

 

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Aus einer weiteren Angabe desselben Schriftstellers zum Jahre der Stadt 725 (29 vor Chr.) ergiebt sich ferner, dass die Dardaner um diese Zeit abermals von ihren alten deutschen Gegnern heimgesucht wurden, indem um diese Zeit die Bastarner, welche er für nomadische Skythen hält, über den Ister setzten, und sich das ihnen gegenüberliegende Mysien, dann auch die an dieses grenzenden Triballer und die in deren Lande wohnenden Dardaner unterwarfen [1].

 

Die definitive Unterwerfung von Illyrien in allen seinen Theilen ist Augustus Hauptkriegsthat vor dem Entscheidungskampf mit Antonius um die Weltherrschaft [2]. Dieselbe fällt nach Appian’s Angabe in das dritte Jahr der zweiten fünfjährigen Triumviratperiode, mithin, wenn die erste Periode im Jahre 43 vor Christi begann, auf das Jahr 35.

 

Am Schlüsse seines Berichtes über August’s Feldzüge gegen alle nördlichen illyrischen Stämme sagt uns Appian [3]: Nach Unterwerfung der Dalmater flehten die Derbaner den gegen sie anrückenden Kaiser um Vergebung an, sie gaben ihm Geissein und versprachen die rückständigen Abgaben zu leisten. Auch stellten die Stämme der Gegenden, welche der Kaiser berührte, Geisseln nach den Bestimmungen der Verträge.

 

 

1. Idem LI. 28. Dio fährt fort: So lange sie sich hierauf beschränkten, bekümmerten sich die Römer nicht darum. Als sie aber den Haemus überschritten und in das Dentheletische Thracien einfielen, welches den Römern verbündet war, da zog ihnen Marcus Crassus entgegen, der damals Macedonien administrirte und für dieses zu fürchten begann, drängte sie bis zur Donau zurück und vernichtete sie mit Hilfe eines Getenchefs Namens Rolos. Dann wandte er sich gegen die Mysier und unterwarf sie mit Ausnahme einiger Weniger nicht ohne Beschwerden und Gefahren, hatte aber bei seiner Rückkehr in den fremden Strichen sowohl von der Kälte, als von den Thrakern viel zu leiden. Als hierauf die Bastarner abermals in das Land der Dentheten einfielen, besiegt sie Crassus wiederum und dietirt ihnen den Frieden nach seiner Willkür (σπονδὰς ὁποίας ἠθέλησεν ἔδωκεν). — Kaiser Probus siedelte nach dem Perserkriege 100.000 Bastarner in Thracien an, welche sich allmählich romanisirten. Vopiscus in Probo c. 18. und Zos. 1. 71. Aber Jornandes, De reb. geticis cap. XII., kennt noch zu Justinian’s Zeiten Bastarner in dem nördlichen Dacien jenseits der Donau, wo sie auch die Peutinger’sche Tafel als Blastarni an die Alpes Bastarnicae (Südkarpathen) ansetzt. Hanc Gothicam, quum Daciam appellavere majores (quae nunc, ut diximus, Gepidia dicitur) tunc . . . . . a septemtrione Sarmatae et Basternae, a meridie amnis Danubii fluenta terminant. S. auch Zeuss, S. 127 und 442.

 

2. Appian, De reb. illyr. cap. 15, 16, 28 in fine.

 

3. Appian, cap. 28.

 

 

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Die aber, welche er Krankheits halber [1] nicht berührte, gaben weder Geissein, noch unterwarfen sie sich. Doch erscheinen auch diese später als unterworfen. Auf diese Weise unterwarf der Kaiser alles illyrische Land, das von den Körnern abgefallen, und das ihnen früher noch nicht unterthänig war, und der Senat bewilligte ihm einen illyrischen Triumph, welchen er unmittelbar nach seinem Feldzuge gegen Antonius abhielt.

 

Da nun der Derbaner als eines illyrischen Volkes von keinem einzigen Schriftsteller gedacht wird, und nach dem Gange des Krieges von allen Illyriern nur noch die südlich an die Dalmater stossenden Dardaner übrig bleiben, so betrachten wir es für mehr als wahrscheinlich, dass jener Name von den Abschreibern aus Dardanern in Derbaner entstellt wurde.

 

Ptolemaeus führt Dardanien als den südlichen Theil der Provinz Obermoesien an. Als aber Aurelian einsah, dass er die an der Donau gelegene Provinz Dacia vor dem Andrange der Gothen nicht mehr schützen könne, und deren römische Bewohner auf das Südufer der Donau zurückzog und sie in dem westlichen Unter- und östlichen Obermoesien ansiedelte, da wurde auch Dardanien zu dieser neu geschaffenen Provinz gezogen, welche, um den Namen Dacia nicht aus dem Verzeichnisse der Provinzen zu streichen, Dacia Aureliana genannt wurde [2].

 

Bei der neuen Keichseintheilung unter Diocletian wurde Dardania zu einer selbstständigen Provinz gemacht, und als solche figurirt es noch bei Hierocles und in der Notitia Imperii unter der Präfectur des östlichen, zu dem morgenländischen Kaiserthume gehörigen Illyricum.

 

 

1. Auch die Dalmater waren gegen das Ende des Krieges von einer Epidemie befallen worden, die sich auf die Nachbarvölker ausgedehnt haben mag. Appian, l. c.

 

2. Jordanis, De reb. geticis cap. 12., schreibt Aurelian die Bildung zweier Provinzen, Dacia Mediterranea und Ripensis, zu, was erst später geschah. Aurelianusque Imperator evocatis exinde legionibus, in Moesia collocavit, ibique aliquam partein Daciam Mediterraneam Daciamque Ripensem constituit et Dardaniam junxit. — R. Das den Colonisten Daciens eingeräumte Land am rechten Donauufer umfasst das obere Moesien und Dardanien. Es hiess zuerst Dacia schlechthin ; bald jedoch entstand der Gebrauch, den dacischen Theil Moesiens Dacia ripensis und Dardanien Dacia mediterranea zu nennen. Officiell begegnet der erste Name im J. 364, Dacia mediterranea wird seit 386 erwähnt. In den nächsten 20 Jahren erfolgte eine neue Theilung dieser Provinz; fortan führt der südliche an Macedonien und Prärolitana grenzende Theil wieder den Namen Dardania und wurde Dacia mediterranea auf das Uebrige beschränkt.

 

 

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Wir müssen in Ermanglung der nöthigen Quellen darauf verzichten, die Geschichte der Ostillyrier weiter zu verfolgen, wir bescheiden uns aber um so lieber, als demnächst von Fallmerayer’s Meisterhand eine ausführliche Geschichte der Neu-Pelasger zu erwarten steht, deren, den Ursprung und das Alterthum der Albanesen behandelnde Einleitung [1] bereits erschienen ist.

 

 

1. Das albanesische Element in Griechenland. Abtheilung I. Ueber Ursprung und Alterthum der Albanesen, von Dr. J. Ph. Fallmerayer. Aus den Abhandlungen der kön. baierischen Akademie der Wissenschaften. III. CI. VIII. Bd. II. Abtheil, besonders abgedruckt. München 1857.

 

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