Die altchristliche Kunst

Wladimir Sas-Zaloziecky

 

I. Die Architektur

 

1. Die Entstehung der altchristlichen Basilika in konstantinischer Zeit  8

2. Die Ausbreitung der altchristlichen Basilika im Westreich in der nachkonstantinischen Zeit  29

3. Die nachkonstantinischen Basiliken im Osten des Reiches  34

4. Die syrischen Basiliken und ihre Ausstrahlungen in Mesopotamien und Kleinasien  44

5. Sonderstellung der altchristlichen Basilika in Nordafrika  56

 

1. Die Entstehung der altchristlichen Basilika in konstantinischer Zeit

 

Die unterirdischen Sakramentskapellen der Katakomben oder die schwer bestimmbaren, versteckten Oratorien und die Privatbasiliken hinter sich lassend, erhebt sich in der konstantinischen Zeit stolz, das Tageslicht nicht mehr scheuend, der erste offiziell anerkannte, christliche Kultbau, die altchristliche Basilika.

 

Es ist sicher kein Zufall, daß sie sich in Rom zuerst festsetzt. Nach dem Sieg über Maxentius und der Eroberung Roms durch Konstantin d. Gr. ist nochmals die Bedeutung Roms als Zentrum des Reiches, wenn auch nur auf kurze Zeit, in Erscheinung getreten. Der Triumphbogen, den Konstantin hier errichten ließ, beweist am besten seine wiedererlangte Bedeutung. Es ist naheliegend, daß auch die neue kirchliche Reichspolitik Konstantins von hier ihren Ausgang nahm und daß, dieser neuen Bedeutung Roms Rechnung tragend, die ersten kirchlichen Anlagen der offiziell anerkannten Kirche hier entstanden sind.

 

Aus der herrschenden Stellung Konstantins innerhalb der sich festigenden kirchlichen Hierarchie ist es höchstwahrscheinlich, daß der Kaiser an der Schöpfung der neuen Architektur weitgehendst interessiert war, ja noch mehr, daß er an der Entstehung des ersten Prototyps der altchristlichen Basilika beteiligt gewesen ist. Es ist schwer zu entscheiden, ob sie »iussu imperatoris« (auf Geheiß des Kaisers) direkt entstanden ist, aber es ist anzunehmen, daß der tatkräftig in kirchliche Angelegenheiten eingreifende Kaiser einen erheblichen Anteil an der Entstehung der ersten, offiziell anerkannten, christlichen Kultbauten hatte.

 

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Fig. 1 Rom. San Giovanni in Laterano. Rekonstruierter Grundriß der alten Basilika, die durch Papst Silvester 324 geweiht wurde

 

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Daß die altchristliche Basilika tatsächlich zuerst in Rom entstanden ist, dafür sprechen mehrere, aus den historischen Tatsachen hervorgehende Überlegungen.

 

Es handelt sich dabei um die Frage, ob die Lateransbasilika (San Giovanni in Laterano) in Rom als der Prototyp der frühesten konstantinischen Kultanlagen bezeichnet werden kann.

 

Es spricht sehr vieles dafür, denn diese Annahme, die in der letzten Zeit vertreten wurde (Kirsch, Deichmann), wird mit allen ihren für die Entstehung und das weitere Schicksal der altchristlichen Basilika entscheidenden Folgen durch geschichtliche Überlegungen bestätigt.

 

Aus dem Schweigen der Quellen scheint hervorzugehen, daß die christliche römische Gemeinde im 3. Jh., d. h. vor Konstantin, keinen ständigen Sitz mit einer Bischofskirche besessen hat (Harnack). Erst durch die Konstantinische Stiftung erhielt sie einen ständigen Sitz am Lateran, wo bereits 313 in den kaiserlichen Palastanlagen (Domus Faustae) eine Donatistensynode abgehalten wurde.

 

Daß jedoch die lateranische Basilika in diesem Zusammenhang eine besondere und bevorzugte Stellung eingenommen hat, beweist sowohl die erwähnte Bevormundung des Laterans als auch die Tatsache, daß das Papstbuch die Lateransbasilika an erster Stelle nennt und sie als einzige unter den römischen Basiliken als konstantinische Basilika bezeichnet (Silvestri temporibus fecit Constantinus Augustus basilicas istas, quas et ornavit: Basilicam Constantianam, ubi posuit dona). Für die Bedeutung der Lateransanlage würde auch die Tatsache sprechen, daß seit 313 die Häupter der Apostelfürsten hier ihre Aufbewahrung gefunden haben (Kirschbaum).

 

Ihre Errichtung kann also erst nach dem Toleranzedikt bzw. nach dem Sieg über Maxentius im Jahre 312 erfolgt sein. Der Tatsache, daß sie 324 durch den Papst Silvester geweiht wurde, widerspricht nicht die Möglichkeit einer früheren Errichtung, vielleicht fällt sie in die zeitliche Nähe der Erbauung des konstantinischen Triumphbogens, der zur Jubiläumsfeier der zehnjährigen Regierung des Kaisers im Jahre 315 errichtet wurde.

 

Schwer ist es, ein Bild von der Bautätigkeit Konstantins d. Gr. (Apostelkirche, Kirche des Petrus und Marcellinus, Sant’ Agnese, zu gewinnen, da sich von den ihm zugeschriebenen Anlagen San Sebastiano, San Lorenzo) keine in ihrem ursprünglichen Zustand erhalten hat.

 

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Für die Entstehung der altchristlichen Basilika in der konstantinischen Zeit besitzen wir Anhaltspunkte in den zwei wichtigsten Anlagen, der Lateransbasilika (nach 313) und der Petersbasilika (324—325). Die Lateransbasilika, im 17. Jh. von Borromini umgebaut, läßt sich durch ein Fresko in San Martino ai Monti, das aus dem 17. Jh. vor dem Umbau stammt, teilweise wiederherstellen, während das ursprüngliche Aussehen der Petersbasilika sich aus einem im 17. Jh. gemalten Fresko in den Vatikanischen Grotten und aus alten Beschreibungen (Tiberius Alfaranus) dürftig rekonstruieren läßt (Fig. 1, 2 und 3; Abb. 1).

 

Die Grundform der konstantinischen Basilika, soweit sie sich aus den erhaltenen Resten der beiden Hauptbasiliken wiederherstellen läßt, besteht aus einer geschlossenen vierseitigen Vorhalle, einer fünfschiffigen Anlage mit einem Querschiff und einer nach dem Osten gerichteten Apsis.

 

Die provinziellen Basiliken aus der konstantinischen Zeit, wie sie sich auf italienischem Boden in Aquileja und Parenzo erhalten haben, unterscheiden sich von den hauptstädtischen hauptsächlich dadurch, daß sie einen saalartigen Bau bilden, der im Osten rechteckig abschließt und weder ein Querschiff noch eine nach außen vorspringende Apsis aufweist. Die Apsis ist in den Saal eingezogen worden. Ob es sich bei diesem saalartigen, ein- oder dreischiffigen Hallenbau um eine Vorstufe oder um eine Vereinfachung der konstantinischen Basilika handelt, ist schwer zu entscheiden. Manches spricht dafür, daß wir es hier mit einem Nachwirken der vorkonstantinischen, oratorienhaften Raumform des christlichen Kultgebäudes zu tun haben, wie sie uns in dem sogenannten Oratorium des Maurus in Parenzo entgegentritt.

 

Die baukünstlerische Bedeutung der konstantinischen Basilika besteht darin, daß sie ihre ganze künstlerische Gestaltung in das Innere verlegt. Nach außen hin erscheinen diese Anlagen als einfache, kubische Ziegelbauten, die sich durch nichts besonders auszeichnen. Man könnte, wenn man sie von außen betrachtet, von einfachen Nutzbauten sprechen. Die Wände sind schmucklos, rein flächig und werden nur von Fenstern als optische Belebung unterbrochen.

 

Was jedoch die altchristliche Basilika von den monumentalen römischen Bauten, wie z. B. der Maxentiusbasilika in Rom, nach außen hin unterscheidet, ist das Fehlen eines wuchtigen, geschlossenen Eindrucks.

 

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Fig. 2 Rom. Peterskirche. Grundriß der alten Basilika vor dem Neubau der Renaissance. Schwarz: Bauteile des 4. und 5. Jh. Schraffiert: Anbauten verschiedener Jahrhunderte

 

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Fig. 3 Rom. Peterskirche. Rekonstruktionperspektive der alten Basilika

 

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Während die Maxentiusbasilika durch die mächtigen Gewölbe einen wuchtigen, blockmäßigen, kubischen Eindruck macht, zeichnet sich die altchristliche Basilika der konstantinischen Zeit durch eine gewisse Leichtigkeit des Aufbaues aus. Die Mauern sind relativ dünn, weil sie ja nur eine Holzkonstruktion als Dachabschluß tragen.

 

Was noch für die altchristliche Basilika bezeichnend ist, das ist ein gewisser abweisender, in sich geschlossener Charakter der Anlage. Schon das Atrium, d. h. die Vorhalle, ist nach außen hin abgeschlossen. Es besteht aus einer rechteckigen Bogenhalle, die sich jedoch nur ins Innere öffnet, nach außen aber von schmucklosen Mauern begrenzt wird. Schon darin spiegelt sich die Tendenz, den Bau nur nach innen zu baukünstlerisch zu gestalten. Nach außen erscheint er wie ein unfertiger Rohblock.

 

Das einzige, was der altchristlichen Basilika letzten Endes doch auch nach außen hin einen sakralen Eindruck verleiht, ist der Giebelabschluß der Fassade. Ob er ursprünglich mit Mosaiken geschmückt gewesen ist, wie im 5. und 6. Jh., ist nicht sicher. Entscheidend aber ist, daß man sich in diesem einzigen Punkt an die antiken Tempelanlagen angeschlossen hat. Gleichzeitig ist ein Vergleich mit den antiken Tempelanlagen sehr aufschlußreich für die Verschiedenheit des Verhältnisses zwischen Außen- und Innenarchitektur. Während in der antiken Architektur die Außengestaltung eines Tempels im Vordergrund stand und sich aus Säulenordnungen zusammensetzte, das Innere der Anlage dagegen, im Vergleich zu dieser monumentalen architektonischen Gestaltung, eher nüchtern gehalten war, haben wir es in der altchristlichen Basilika umgekehrt mit einer nüchternen Außengestaltung und einer außerordentlich reichen Ausstattung des Innenraumes zu tun.

 

Es ist bezeichnend, daß der Säulenschmuck im Gegensatz zum antiken Tempelbau von den Außenseiten in das Innere rückt. Einzig der Giebel ist als ein Wahrzeichen des sakralen Charakters der altchristlichen Basilika wie ein fernes Anklingen an die antike Tempelform übriggeblieben.

 

Der Hauptakzent der baukünstlerischen Gestaltung liegt bei der altchristlichen Basilika im Innenraum. Die äußere, in sich geschlossene Vorhalle, die in der Mitte einen Springbrunnen (Cantharus, Phiale) enthielt, diente zur Vorbereitung und inneren Sammlung.

 

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Fig. 4 Rom. Peterskirche. Die alte Basilika im Abbruch zugunsten des Renaissance-Neubaus. Im Vordergrund das Säulensystem der altchristlichen Anlage. Zeichnung des Marten van Heemskerck im 16. Jh.

 

 

Auch hier kann man vielleicht noch von einem Überrest der antiken sakralen Architektur sprechen, in der der Peribolos eine ähnliche Funktion erfüllte.

 

Von diesem, in sich geschlossenen Raum der Vorhalle gelangen wir durch entsprechende Türöffnungen in das Innere der altchristlichen Basilika, wo im Gegensatz zu der statischen Ruhe der Vorhalle ein kinetischer — bewegender — Eindruck den ganzen Bau beherrscht. Es ist das Langhausartige, d. h. eine Tiefenstreckung der Anlage, durch die sich nun die altchristliche Basilika von allen vorhergehenden Anlagen grundsätzlich zu unterscheiden scheint. Weder die antiken Tempelanlagen noch die römischen Nutzbauten, wie etwa die forensischen Basiliken, noch die privaten und kaiserlichen Basiliken oder Thronsäle, die man zur Erklärung der altchristlichen Basilika öfters herangezogen hat, zeichnen sich durch diese Tiefenstreckung der Anlage aus. Man kann sie als das entscheidende, charakteristische Merkmal des neuen christlichen Kultbaues bezeichnen.

 

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Wodurch wird dieser Eindruck des längsgerichteten Raumes hervorgerufen? Nicht nur durch die Längsrichtung der drei oder fünf parallel laufenden Schiffe und durch die Überwindung ihrer Breitenausdehnung (Hauptschiff — Länge zur Breite: Lateransbasilika — 75,50 zu 18,80; Peterskirche — 100 zu 27 m), sondern auch durch die Säulenstellungen, die das Auge in die Tiefe führen. In der Tiefe des Raumes befindet sich daher der eigentliche Mittelpunkt der Architektur; er wird durch den Altar und den ihn umgebenden Altarraum hervorgehoben, der nach den beiden Seiten in das Querschiff ausstrahlt.

 

Der Altarraum bildet in diesen konstantinischen Basiliken im Gegensatz zu den provinziellen eine nach außen ausladende, voll ausgebildete Apsis, die nicht nur die Blicke des Beschauers auffängt, sondern die Bedeutung dieses Raumteiles ganz besonders betont.

 

Es muß noch hervorgehoben werden, daß zwischen dem eigentlichen Altarraum und dem Gemeinderaum sich ein sogenannter Triumphbogen befindet, der auf zwei vorgestellten Säulen ruht und auf diese Weise den Gemeinderaum vom Altarraum trennt (späteres Beispiel: Paulsbasilika in Rom). Diese Trennung wurde noch durch Altarschranken, welche den Altarraum umgaben, verstärkt. Aus dieser architektonischen Gestaltung des Altarraumes geht hervor, daß er als sakraler Hauptraum den Schwerpunkt der ganzen Anlage bildet.

 

Die Raumgestaltung der altchristlichen Basilika bestimmt den architektonischen Raumeindruck dadurch, daß eine jede statische, auf dem Gleichgewicht zwischen Höhe und Breite beruhende Raumgestaltung einer kinetischen gewichen ist, d. h. daß der Beschauer durch entsprechende architektonische Elemente beim Eintreten sofort auf den wichtigsten Teil der altchristlichen Basilika, auf den Altarraum hingelenkt wird. Dieser Hinweis auf den Altarraum erfolgt sowohl durch optische Mittel, Säulenstellungen, die sich in Intervallen der Tiefe nach zum Altar hin erstrecken, als auch durch geistige Mittel, von denen gleich die Rede sein wird.

 

Bei der architektonischen Gestaltung des basilikalen Innenraums müssen wir noch auf zwei Dinge aufmerksam machen, das sind der Deekenabschluß und die lockere Zusammenfügung der einzelnen Bauteile.

 


 

Farbtafel I Rom. Callistus-Katakombe. Fresko. Guter Hirte. Mittelstück aus einer Deckendekoration. Mitte 3. Jh.

 

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Wir haben es im Gegensatz zu der reichsrömischen profanen Architektur nicht mit einer Überwölbung der Räume zu tun, sondern mit einer Sparrendach-Konstruktion, die jedoch den Augen des Beschauers durch einen horizontalen Deckenabschluß entzogen war. Auch hier haben wir es mit einem Nachklingen der römisch-antiken Sakralarchitektur zu tun.

 

Diese horizontalen Holzdecken haben den altchristlichen Basiliken, im Gegensatz zu der schweren und wuchtigen profanen römischen Wölbungsarchitektur, einen leichten, entlastenden Eindruck verliehen. Hierin kommt eine Auflösung des statischen Charakters der römisch-antiken Architektur zum Ausdruck. Diese neue, leichte Bauweise zeigt sich auch darin, daß die Säulen und die auf ihnen ruhenden Wände im Gegensatz zur römischen Architektur keine direkte, tragende Funktion auszuüben haben, weil auf ihnen nur die Last einer leichten Holzdecke und Holzkonstruktion ruht. Auch das hat den Raumeindruck der altchristlichen Basilika weitgehendst bestimmt.

 

Wir können außerdem eine lockere Aneinanderfügung der Teile in ihrem Verhältnis zueinander feststellen. Man hat den Eindruck, daß die Säulenreihen direkt in den Raum hineingestellt worden sind, ohne mit ihm fest verbunden zu sein. Es ist ein längsgerichteter, von Säulenreihen bestimmter Raum, der sich in einer x-beliebigen Länge hinziehen kann, ohne scharfe Unterbrechungsakzente zu besitzen.

 

Ganz locker ist z. B. das Verhältnis zwischen den Längsschiffen und dem Querschiff, genauso unorganisch locker ist der Triumphbogen mit den Wänden des Hauptschiffes verbunden. Wir können diese Teile ohne weiteres entfernen, ohne daß der Bau dabei konstruktiv eine Veränderung erfahren würde. Genau dasselbe gilt für das Verhältnis des Querschiffes zu der östlichen Abschlußwand mit der Apsis. Es macht den Eindruck, als ob hier eine Breitwand einfach an die Langhauswand angelehnt worden wäre.

 

Die Quelle der Beleuchtung einer altchristlichen Basilika bilden die Fenster-Obergaden, die sich über den Säulenintervallen in den über die Seitenschiffe erhöhten Wänden des Mittelschiffs befinden. Durch diese Fensterreihen wird das Mittelschiff beleuchtet, wogegen die Nebenschiffe in Halbdunkel getaucht sind. So wird nicht nur die Bedeutung des Hauptschiffes hervorgehoben, sondern es kommt durch diese Alternierung von beleuchteten Säulen und

 

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Altdiristliche Kunst halbdunklen Säulenintervallen ein optisches Element in der Behandlung der unteren Teile des Innenraumes zum Ausdruck. Eine stärkere Beleuchtung erfährt auch die Apsis, deren Wand, durch große Fensteröffnungen durchbrochen, einen stärkeren Lichtakzent bildet (späteres, erhaltenes Beispiel: Santa Sabina in Rom, Abb. 3).

 

Durch dieses optische Element, das in der Folgezeit immer stärker an Bedeutung gewinnt, unterscheidet sich der altchristliche Sakralraum von dem Sakralraum der römisch-antiken Architektur. Daß ein diffuses, gedämpftes Licht an bestimmten Stellen bevorzugt wurde, beweisen die durchbrochenen (perforierten), aus Marmor oder Alabaster bestehenden Fensterfüllungen (Beispiel: San Lorenzo fuori le mura in Rom).

 

Für den architektonischen Gesamteindruck des basilikalen Innenraums ist noch der einfache, kastenartige Eindruck bezeichnend, der im Hauptschiff nicht nur durch die Seitenwände und den Fußboden, sondern auch durch die horizontale Begrenzung der Holzdecke hervorgerufen wird.

 

Nachdem sich die ursprünglichen Holz decken nicht erhalten haben, hat man daraus geschlossen, daß die altchristlichen Basiliken oben nur mit einem Sparrendach versehen waren. Aber die Bezeichnungen, die wir bei manchen Basiliken (z. B. die Lateransbasilika als »aurea«, Sant’ Apollinare Nuovo in Ravenna, wo die Kirche »in ciel d’oro« bezeichnet wird) finden, würden dafür sprechen, daß wir es mit einer vergoldeten Holzdecke zu tun hatten. Ebenso scheint sich die Erneuerung der Lateransbasilika durch Leo I. auf die Vergoldung der Decke zu beziehen (vgl. Duchesne, Rohault de Fleury, Lauer).

 

Auch die ganze Innendekoration mit den Mosaiken der Seitenwände läßt sich schwer mit einem offenen Sparrendach in Verbindung bringen. In dieser kastenartigen Gestaltung des Hauptraumes der altchristlichen Basilika spiegelt sich ein charakteristisches Stilmerkmal der altchristlichen Architektur, die in ihrer Einfachheit und in ihrem Purismus in scharfem Gegensatz zu der üppigen, reichgestalteten, barock wuchernden Formensprache der spätrömischen Profanarchitektur steht.

 

Außer der optischen Auflösung der Wand können gleichermaßen farbige Auflösungstendenzen an der Verschiedenfarbigkeit der Säulen (Basilika am Lateran) und der Wanddekoration (Baptisterium am Lateran) festgestellt werden.

 

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Fig. 5 Bethlehem. Geburtskirche. Grundriß. Schwarz: die konstantinische Anlage mit dem Oktogon. In Umrissen: Erweiterungen Justinians

 

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Auch die architektonische Gestaltung der Einzelteile wird diesen neuen stilistischen Tendenzen unterworfen, die wir in der Gesamtraumgestaltung festgestellt haben.

 

Die Säulen sind in den frühen konstantinischen Basiliken glatt, nicht kanneliert, verlieren die prononcierte, antike Schwellung des Säulenschaftes (Entasis) und sind mit ionischen oder korinthischen, oder abwechselnd mit ionischen und korinthischen Kapitellen geschmückt (Basilika am Lateran, Abb. i). Es fällt auch die Verwendung von Spolien (d. h. von antiken Architekturteilen) und die unregelmäßige Anwendung der Kapitellformen auf. Das dekorative Einzelmotiv wird unterdrückt und gegenüber dem liebevollen Eingehen darauf in der Antike vernachlässigt.

 

Man kann das ursprüngliche Verhältnis zwischen Wand und Säule vielleicht am besten an der noch erhaltenen konstantinischen Basilika in Bethlehem feststellen (Fig. 5). Im Gegensatz zu einer antiken Gebälksordnung liegt über den Säulen kein antiker Architrav, sondern ein einfacher durchgehender Wulst, über dem sich unmittelbar die glatte Wand bis zur Decke erhebt. Es ist also das alte antike Verhältnis zwischen Säule und Architrav weitgehendst aufgelöst worden, und es tritt ein dem antiken Empfinden ganz fremdes Verhältnis zwischen steiler Wand und Säulenordnung in Erscheinung. Auch hier die Ausscheidung des tektonischen Kräftespieles der antiken Architektur und die Entkräftung der substantialen Wirkung der Wand durch Flächigkeit. Nur in der Basilika am Lateran ruhen über den Säulen Arkaden.

 

Die neuen Bauformen, d. h. die Tiefenstreckung, das parallele Verlaufen der Seitenschiffe und Säulenstellungen und die besondere Hervorhebung des Altarraumes entsprechen einer neuen sakralliturgischen Bedeutung der Anlage. Der Altarraum ist nun der sakral-liturgische Mittelpunkt, im schärfsten Gegensatz zu einer antiken römischen Tempelanlage, wo die Cella als Wohnung des Gottes mit einer Statue desselben geschmückt war. Jede körperliche, plastische Abbildung der Gottheit ist durch den bloßen Altarraum, auf dem sich die Transsubstantiation, d. h. die Wandlung der hl. eucharistischen Gaben vollzogen hat, ersetzt worden.

 

Also etwas ausgesprochen Unsichtbar-Unkörperliches und Geistiges ersetzt die greifbare, sinnliche Darstellung der Gottheit, »es ist ein schwebendes Ereignis, das da vor sich geht, kein auf der Erdbasis aufruhendes Etwas bildet mehr den Mittelpunkt religiöser Anregung« (Witting).

 

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Daher mußte auch mit ähnlich vergeistigten Mitteln der architektonischen Sprache auf diesen substanzlosen Mittelpunkt, wo die Feier der Eucharistie stattfand, hingewiesen werden. Es sind alles jene architektonischen Mittel, von denen bereits die Rede war, d. h. eine Entstofflichung der Architektursprache durch optische und farbige Mittel. Es ist eine ausgesprochen geistige Verbindung, die zwischen dem Altarraum und der Gemeinde besteht, eine Teilnahme, die mit dem inneren subjektiven Erlebnis gewisser objektiver Heilstatsachen in Zusammenhang steht.

 

Die altchristlichen Basiliken sind daher »Hallenkirchen«, in denen eine Gemeinde an dem sakral-liturgischen Vorgang der Eucharistiefeier durch geistige Mittel innerlich beteiligt erscheint. Die Liturgie, die sich am Altar abspielt als optischer Vorgang, bildet die geistige Bindung, im Gegensatz zum früheren, vorbasilikalen Stadium, wo die Gemeinde ohne Priesterschaft selbst unmittelbar an der Eucharistiefeier teilgenommen hat (Witting). Die Wandlung, die sich im Mysterium des Opfers vollzieht, verbindet die Gemeinde mit übernatürlichen Vorstellungen, die durch eine liturgisch bestimmte Auswahl von bildlichen Darstellungen in Mosaik oder Fresko vermittelt werden. Daher ist die ganze bildliche Ausschmückung der Mosaiken ein unzertrennlicher Bestandteil, nicht nur der Bauanlage, sondern auch ihrer sakral-liturgischen Bedeutung.

 

Man hat in der letzten Zeit den Versuch unternommen, die altchristliche Basilika mit der Vorstellung des himmlischen Jerusalem in Verbindung zu bringen (Stange, Kitchelt). Es finden sich jedoch keine konkreten geschichtlichen Beweise, um eine derartige Erklärung der Bedeutung der Basilika zu rechtfertigen. Vielmehr weisen die Liturgie und der bildliche Schmuck auf gewisse übernatürliche Vorgänge hin, die einerseits symbolhaft das Meßopfer begleiten, anderseits die Herrlichkeit des Erlösers in überweltlicher Entrücktheit darstellen.

 

Es ist auch eine große Wandlung gegenüber dem Schmuck der Katakomben, die sich hier vollzogen hat und die hauptsächlich darin besteht, daß nun das Sieghafte und Triumphale des Christentums besonders eindringlich hervorgehoben wird. Der Triumphbogen, der zum Altarraum überleitet, beweist am besten, daß wir es hier mit einer triumphalen Idee zu tun haben, die nach dem Mailänder Edikt besonders stark in Erscheinung getreten ist.

 

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Es ist der Triumph der christlichen Religion und Kirche, der in den ersten offziellen Kultdenkmälern des Christentums seinen Niederschlag findet. An der Stelle, wo sich die Wandlung der hl. Gaben vollzieht, wurden unter der einfachen Mensa des Altares, in der sog. Confessio, zu der Stufen hinunterführten, die Reliquien der ersten Märtyrer beigesetzt. Sie erfreuten sich damals nach der endgültigen Überwindung des Heidentums besonderer Verehrung.

 

Mit dem Reliquienkult hängt wohl auch die räumliche Gestaltung des Querschiffes zusammen. Es leuchtet ohne weiteres ein, daß es im Zusammenhang mit dem Altarraum eine liturgische Bedeutung besessen hat. Es sind nicht nur die zu segnenden Gaben, die von den Laien in diesem Raum hinterlegt wurden, sondern das ungeteilte Querschiff spricht dafür, daß hier einer aus den Nebenschiffen strömenden Menge freier Zutritt zu den unter dem Altar befindlichen Reliquien ermöglicht worden ist. Es scheint gerade dieser Umstand für die Entstehung des Querschiffes entscheidend gewesen zu sein.

 

Aber nicht nur der freie Zutritt, sondern eine besondere Hervorhebung und Akzentuierung des Querschiffes durch eine unterschiedliche Baugestaltung sollte diesen Raum zu einer Art von erhöhtem »Reliquienschrein« erheben.

 

Das freie Zirkulieren im ungeteilten Querschiff bedeutet, daß gerade im Westen, wo sich Liturgie und Reliquienkult in der altchristlichen Basilika engstens verschmolzen haben, ein inniger Kontakt zwischen der Reliquie und dem Laien hergestellt werden sollte. Es sind vor allem die Katakomben, welche diese Verbindung hervorgerufen haben, wo die Sarkophage (loculi) sich in engster Berührung mit den christlichen Besuchern befanden. Es ist wohl kein Zufall, daß in Rom eine erhebliche Anzahl von Basiliken an den Friedhöfen errichtet wurden (San Sebastiano, Sant’ Agnese, Apostelbasilika usw.).

 

Es scheint also der Reliquienkult und die enge Berührung mit der Reliquie für die Gestaltung des Altarraumes und des Querschiffes von besonderer Bedeutung gewesen zu sein. Hier unterscheidet sich auch der lateinische Westen von dem griechischen Osten (Grabar). Auch der Osten hat im 4—6. Jh. einen Reliquienkult aufzuweisen. Aber erstens trägt dieser Reliquienkult im Osten einen mehr kommemorativen Charakter und hat den Memorialbau hervorgebracht,

 

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der zur Erinnerung an die göttlichen Theophanien im hl. Lande diente und daher eine andere Bauform aufweist (Achteck, Rundbau), und zweitens hat er dort, wo er sich dem Reliquienkult des Westens näherte (Reliquie eines Märtyrers), doch nicht diese Rolle gespielt wie im Westen.

 

Im Westen verbindet sich beinahe gleichwertig Liturgie und Reliquienkult, während im Osten die Liturgie immer stärker den Reliquienkult verdrängt.

 

Diese Verschiedenheit hat sich in der Gestaltung des Altarraumes besonders stark ausgedrückt. So wurden vor allem die beiden Apostelfürsten in den frühen, altchristlichen Kultanlagen unter den Altären beigesetzt (Peters- und Paulsbasilika).

 

Die Feier der Eucharistie als liturgischer Vorgang und der Reliquienkult haben also dem Altarraum eine besondere Bedeutung und Weihe verliehen. Durch einen besonderen Aufbau mußte dieser Raum in seiner sakralen Bedeutung anschaulich gemacht werden. Aus einem Relief einer Capsella aus Samagher bei Pola (um 420) und durch die neuesten Feststellungen bei Grabungen in der Peterskirche kann der alte konstantinische Altar der Peterskirche mit einem alten Promemoria, das sich über dem Petrusgrab befunden hat, wiederhergestellt werden (Kirschbaum).

 

Wichtig ist, daß wir es hier mit einem der frühesten Beispiele von Ciborienaltären zu tun haben. Zwar besitzt dieser Altaraufbau noch kein auf Arkaden ruhendes Zeltdach oder einen kuppelartigen Abschluß, aber der altchristliche Ciborienaltar liegt hier bereits vor.

 

Der Hauptaltar der konstantinischen Peterskirche befand sich über dem Grab des hl. Petrus und bestand aus einer marmorumkleideten Memoria und einer Altarmensa. Darüber stand ein ciborienartiger Aufbau von vier aus dem Orient (Jerusalem, Salomontempel) stammenden Säulen, auf denen ein gerades Gebälk und ein durchbrochener Bogenbaldachin ruhten.

 

Dieser frühe Ciborienaltar wurde später durch einen auf Arkaden ruhenden Aufbau mit zeitdachoder kuppelartigem Aufsatz ersetzt. In der Umgestaltung des Altarraumes in der Zeit Gregors d. Gr. um 600 tritt uns diese reife Gestalt eines Ciborienaltares entgegen, der nunmehr mit einer Ringkrypta verbunden wurde (Fig. 6).

 

Durch den Ciborienaufbau hat der Altarraum als »Architektur in der Architektur« eine besondere Bedeutung erhalten. Wie eine schützende Hülle umgibt er den Altar und Memorialbau.

 

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In diesem Zusammenhang wirkt der Baldachin als eine erhöhte Sphäre (Goldgrund, Himmelsgewölbe).

 

Man hat öfters die altchristliche Basilika mit der antiken Architektur in Zusammenhang gebracht (antike Marktbasilika, antikes Haus). Zwischen der altchristlichen Basilika und der Marktbasilika kann eine große Ähnlichkeit festgestellt werden. Auch hier haben wir es mit einem mittleren, von Säulen umgebenen Raum zu tun, der entweder als Breitraum gebildet (Basilica Ulpia, Basilioa Julia) oder längsgerichtet war (Pompeji). Der Hauptunterschied jedoch zur altchristlichen Basilika besteht darin, daß der mittlere, peristyle Raum bei allen Marktbasiliken stets geschlossen und daher nicht von der Tiefenachse beherrscht war.

 

In der letzten Zeit wurde ein Versuch unternommen, die altchristliche Basilika mit dem antiken Thronsaal in Verbindung zu bringen. Tatsächlich finden sich in der antiken Architektur ähnliche Thronsäle (z. B. der römische Palast am Palatin, die Hadriansvilla in Tivoli, Privatbasilika in Porto, der Peristyl in Spalato und der sogenannte Theoderichspalast in Ravenna). Auch hier haben wir es mit einem basilikalen Innenraum und einer Apsis zu tun, in der sich der Thron des Kaisers befunden hat. Aber auch Unterschiede können festgestellt werden. Es fehlt die ausgesprochene Dreischiffigkeit und die Überhöhung des Mittelschiffes. Es handelt sich hier vielleicht um gewisse Annäherungen, aber nicht um eine direkte Übernahme von der antiken, römischen Architektur.

 

Solche Parallelen hat es in dieser Zeit, wo sich das Kaisertum und die christliche Religion und Kirche einander näherten, mehrere gegeben. Es ist sicher, daß die christliche Liturgie durch diese Annäherung gewisse Formen des kaiserlichen Zeremoniells angenommen hat und umgekehrt, daß sie wiederum auf das kaiserliche Zeremoniell einwirkte, denn im Moment, wo die christliche Liturgie offiziell, d. h. allgemein zugänglich geworden ist und das Kaisertum die christliche Kirche voll anerkannte, hat der kaiserliche Hof, der nun an den liturgischen Handlungen beteiligt gewesen ist, auf dieselben eingewirkt. Es bahnt sich hier ein Weg an, der dann in der römischen Osthälfte des Reiches seinen Gipfelpunkt erreichte.

 

Auch die Tendenz zur Hierarchisierung der Kirche, die sich in der besonderen Hervorhebung der wichtigsten Bischofssitze äußerte, hat zu dieser Annäherung an den antiken Thronsaal beigetragen, befand sich doch an derselben Stelle, an der sich im antiken Thronsaal ursprünglich der Sitz des Kaisers befand,

 

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Fig. 6 Rom. Peterskirche. Ringkrypta in der alten Basilika. Um 600

 

 

die Cathedra des Bischofs. Sonst aber ist durch die liturgische Bedeutung des Altares dieser Teil von dem antiken Thronsaal grundverschieden.

 

Daß eine Beziehung zwischen der altchristlichen Basilika und dem antiken Thronsaal besteht, haben schon alte Schriftsteller wie Isidor von Sevilla bestätigt — er behauptet, daß die Basiliken früher als Wohnung der Könige bezeichnet wurden, von denen sie auch ihren Namen haben. (Heute heißen die Gotteshäuser Basiliken, weil dort dem »König aller«, d. h. Gott, Opfer dargebracht werden.) Daraus kann entnommen werden, daß der Name »Basilika« eine Anspielung auf die Verbindung zwischen kaiserlicher und christlicher Liturgie bildet.

 

Es wurde auch der Versuch unternommen, die Form der altchristlichen Basilika aus dem frühen, altchristlichen Kultbau zu erklären (Dyggve). Eine altchristliche Memoria, begleitet von locker angefügten Seitenschiffen, die einen freien, von keinem Dach bedeckten, mittleren Raum einfassen, wie sie sich in Manastirine und Marusinac in Salona vorgefunden hat, soll als »basilica discoperta« die Vorstufe der altchristlichen Basilika bilden.

 

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Von diesen Ableitungen abgesehen, hat man die altchristliche Basilika mit den unterirdischen Anlagen der Mysterienkulte in Zusammenhang gebracht. Es ist ja wahr, daß in der Spätantike, wo sich eine allgemeine Dämonisierung des antiken Götterglaubens bemerkbar machte, verschiedene Mysterienkulte zur Errichtung von Kultstätten geführt haben (Mithraskult, Osiriskult usw.). Bezeichnend ist, daß diese Kultanlagen in unterirdischen Räumen untergebracht waren und schon dadurch sich im Gegensatz zur altchristlichen Basilika befanden.

 

Es ist das Höhlenhafte in diesen unterirdischen Bauten (Mithräen), das dem Bedürfnis nach einem düsteren Mysterienkult entgegenkam. Auch das Christentum war eine Geheimlehre (Arkandisziplin), und es bestand eine Zeitlang große Rivalität zwischen Mithraskult und Christentum. Die Überwindung des Mithraskultes durch das Christentum geht auf die klare Formulierung der christlichen Lehre im Gegensatz zu der verschwommenen, im Kosmischen sich auflösenden Mithraslehre zurück.

 

Darauf beruht auch der Unterschied zwischen einer christlichen Kultstätte und den Kultstätten der Mysterienreligionen. Man kann zwei Beispiele von solchen unterirdischen Mysterienanlagen anführen, und zwar den Grundriß eines Tempels auf dem Janiculum in Rom, der einem syrischen Sonnengott geweiht war, und die unterirdische Anlage vor der Porta Maggiore, die einer Mysteriengenossenschaft zu Kulthandlungen gedient hat.

 

Die letztere Anlage hat zwar einen dr eischiff igen, basilikalen Charakter und einen Apsisabschluß, der Unterschied zu der altchristlichen Basilika aber besteht in der Überwölbung aller Raumteile durch Tonnengewölbe sowie durch die Verwendung von schweren Pfeilern und dem Mangel an Fenstergaden im Mittelschiff. Diese Unterschiede zur altchristlichen Basilika zeigen die Zugehörigkeit zur römischen Wölbungsarchitektur. Man kann daraus entnehmen, daß die Kultbauten der Mysterienreligionen in keinem Zusammenhang mit der altchristlichen Architektur stehen und daß sie von grundverschiedenen Voraussetzungen religiöser Natur ausgegangen sind.

 

Es taucht nun die Frage auf, ob die altchristliche Basilika in den verschiedenen römischen Provinzen unabhängig voneinander entstanden ist, oder ob sie auf eine Urform zurückgeführt werden kann.

 

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Fig. 7 Jerusalem. Grabeskirche. Grundriß und Schnitt (326-334, Weihe 333)

 

 

Man kann, nach der heutigen Kenntnis der Entwicklung der Basilika, die zweite Lösung für wahrscheinlicher halten. Dafür sprechen sowohl die Denkmäler als auch die historische Tatsache, daß zur Entstehung der altchristlichen Basilika Kaiser Konstantin sehr viel beigetragen hat.

 

Für die konstantinische »Urform« einer altchristlichen Basilika spricht vor allem die Tatsache, daß die monumentale Bauform einer fünfschiffigen Basilika mit oder ohne Querschiff in den verschiedensten Gebieten des Ost- und Westreiches außerhalb Roms bestand und sich teilweise auch erhalten hat, und zwar z. B. im Westen in Mailand, in Ravenna, Basilika Ursiana (um 400), in Orleansville in Nordafrika (325) und im Osten in Nicopolis, Basilika B (Epiros, Griechenland, 5./6. Jh.), in Bethlehem, Geburtskirche (326) und in Jerusalem, Grabeskirche (326—334, Weihe 335).

 

Obwohl die östlichen Basiliken sich in ihrer Fünfschiffigkeit an die westlichen anschließen, unterscheiden sie sich von diesen durch das Fehlen des Querschiffes und durch den veränderten Ostabschluß. In der Geburtskirche in Bethlehem befand sich ein achteckiger, polygonaler Zentralbau, der ursprünglich über der Geburtshöhle errichtet wurde und später, in der justinianischen Zeit, in eine Dreikonchenanlage verwandelt wurde (Fig. 5). Die Grabeskirche in Jerusalem war zwar mit einer Apsis ohne Querschiff abgeschlossen, aber durch eine Hofanlage mit einem monumentalen Rundbau verbunden, der sich über dem Grabe Christi befand (Fig. 7). Die allgemeine Form der konstantinisdien, altchristlichen Basilika hat sich im Osten durchgesetzt, wurde jedoch dort mit einem Memorialbau verbunden, dessen Form durch die Verehrung der historischen Stätten bedingt gewesen ist. Wenn man die östlichen und westlichen konstantinischen Anlagen als »Martyria« bezeichnet hat (Grabar), so möchte man doch baugeschichtlich eine Scheidung vornehmen. Während die westlichen Basiliken durch die Verbindung mit dem Reliquienkult viel eher als Martyria-Basiliken bezeichnet werden könnten, würde für die östlichen Anlagen die Bezeichnung Memorialbau passen.

 

Die Vergleiche bestätigen die Annahme, daß wir es mit einer Urform der christlichen Basilika zu tun haben, die nach 313 in Rom entstanden ist und erst nach der Besiegung des Licinius, d. h. um 324, auch im Osten ihre Verbreitung durch Konstantin d. Gr. gefunden hat.

 

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Es ist unwahrscheinlich, daß die Basilika in Tyrus, deren Beschreibung uns Eusebius überliefert hat, aus der Zeit um 314 stammt. Man darf nicht vergessen, daß im Ostreich damals Licinius und nicht Konstantin herrschte (Crowfoot, Orlandos).

 

Das Zurückführen der altchristlichen Basilika auf eine Urform schließt jedoch eine Veränderung ihrer Bauformen in den verschiedensten römischen Provinzen nicht aus. Sie hat sich mit den verschiedenen, dort vorherrschenden Kunsttraditionen, wie wir noch weiter sehen werden, auseinandergesetzt.

 

 

2. Die Ausbreitung der altchristlichen Basilika im Westreich in der nachkonstantinischen Zeit

 

Die bedeutendste unter den kaiserlichen Stiftungen in der nachkonstantinischen Zeit ist im Westreich die Paulsbasilika in Rom. Sie wurde im Jahre 386 von den Kaisern Valentinian, Theodosius und Arkadius an Stelle einer älteren Basilika errichtet. Die Fertigstellung des Baues erfolgte erst in der Zeit des Honorius. (Leider ist die Basilika im Jahre 1823 einem Brande zum Opfer gefallen. Sie wurde wiederhergestellt.) In ihrer Grundrißgestaltung schließt sie sich der Lateransbasilika an und bildet eine fünfschiffige Anlage mit Querschiff (Fig. 8). Neu in der Raumgestaltung sind die ausgeglicheneren Raumproportionen, eine viel reichere Ausschmückung und ein gewisser kühler, klassizistischer Charakter, der wohl auf den theodosianischen Klassizismus zurückgeführt werden kann. Die ursprüngliche Basilika zeichnete sich durch kannelierte Säulen, reiche korinthische Kapitelle und plastischen Schmuck der Arkadenzwickel und Archivolten aus. Ferner ist in der alten Basilika eine Stelzung der Arkadenbogen zu bemerken, die auf die neuen Tendenzen der Entstofflichung der architektonischen Bauteile zurückgeführt werden kann.

 

Allerdings sind alle diese Elemente des alten Baues von dem neuen nicht übernommen worden, daher ist der kühle Klassizismus des ursprünglichen Baues in dem Neubau des 19. Jh. noch stärker spürbar.

 

Die nächsten Bauten (Santa Maria Maggiore, errichtet von Papst Liberius 352—366, wiederrichtet von Papst Sixtus III., 432 bis 440; Santa Sabina, laut Inschrift von Papst Coelestin I., 422 bis 432 errichtet) sind keine kaiserlichen Stiftungen mehr, sondern verdanken ihre Entstehung dem päpstlichen Rom.

 

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Fig. 8 Rom. San Paolo fuori le mura. 386 an Stelle eines älteren Baus errichtet. Viele spätere Ergänzungen. 1823 weitgehend zerstört und anschließend neu aufgebaut. Stichansicht vor dem Brand von Piranesi

 

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Die Tendenz zur Vereinfachung der altchristlichen Basilika im Gegensatz zu den kaiserlichen Stiftungen kommt hauptsächlich darin zum Ausdruck, daß wir es nun nicht mehr mit fünfschiffigen, sondern mit dreischiffigen Basiliken ohne Querschiff zu tun haben.

 

In der Basilika Santa Maria Maggiore, die leider durch mehrere Umbauten verändert (Querschiff unter Papst Nikolaus V., 1288 bis 1292; Kassettendecke Ende des 13. Jh.; Wanddekoration Ende des 16. bis Anfang des 17. Jh.) ihren ursprünglichen Raumeindruck nicht mehr bewahrt hat, ist eine Rückkehr zu dem geraden Gebälk der Peterskirche feststellbar. Neu gegenüber den konstantinischen Basiliken sind die Raumverhältnisse. Santa Maria Maggiore zeichnet sich durch eine besondere Betonung der Tiefenachse aus (70,50 : 16,32); durch diese Tiefenstreckung werden die von uns bereits erwähnten Tendenzen zur Überwindung des Ausgleichs zwischen Tiefe und Breite besonders hervorgehoben (Eig. 9 und Abb. 2).

 

Die Basilika Santa Sabina hat sich in einem beinahe unveränderten Zustand im Außen- und Innenbau erhalten, so daß sie als eines der besten Beispiele für das Aussehen einer altchristlichen Basilika des 5. Jh. bezeichnet werden kann. In der Eleganz ihrer Proportionen und den kannelierten Säulen sind noch Einflüsse der Paulsbasilika feststellbar.

 

Fig. 9 Rom. Santa Maria Maggiore. Grundriß. Schwarz: Bau unter Papst Liberius 332—366. Umriß: Erweiterung des 13. Jh.

 

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Zugenommen hat die farbige Auflösung der Wand durch Inkrustationen, wodurch Tendenzen zum Ausdruck kommen, die später zur höchsten Steigerung dieser koloristischen Auflösung in Ravenna führen (Abb. 3).

 

Es ist anzunehmen, daß sich eine vereinfachte konstantinische Form einer dreischiffigen Basilika mit Querschiff aus dem 5. Jh. in Rom erhalten hat. San Pietro in Vincoli (432—446) könnte als Beispiel einer solchen Anlage angeführt werden (Krautheimer, Deichmann), obwohl das Querschiff in diesem Fall erst in der Renaissance verändert und gewölbt worden ist (Fig. 10). Auch Beispiele solcher Basiliken im Osten würden die Annahme von der Existenz einer dreischiffigen Basilika mit Querschiff im 5. Jh. bestätigen.

 

Am Ausgang des 5. Jh., das im allgemeinen eine verminderte Bautätigkeit aufweist, werden entweder antike Anlagen in Kirchen verwandelt (Cosma und Damiano, das sich an einen antiken Rundbau anschließt; Santa Maria Antiqua, wo ebenfalls ein antiker Bau in eine christliche Kirche verwandelt worden ist), oder es treten fremde Einflüsse, wie z. B. ravennatische (Sant’ Agatha dei Goti in Subura, San Giovanni a Porta Latina) auf.

 

Am Ausgang des 6. und im 7. Jh. machen sich dagegen bereits Einflüsse des Ostens, hauptsächlich wohl der Konstantinopler Architektur (in der Bevorzugung von Emporen) bemerkbar, obwohl dieselben stets den hier vorwaltenden, lokalen architektonischen Tendenzen angepaßt worden sind. Es muß aber bemerkt werden, daß Emporenbasiliken höchstwahrscheinlich auch ohne östliche Beeinflussung in der Westhälfte des Reiches bestanden, dafür würden vor allem die alten Beschreibungen alt christlicher Basiliken in Frankreich (Clermont-Ferrand, 470; Perpetuusbasilika zu Tours, 472) sprechen.

 

Spuren dieser neuen östlichen Einflüsse in Rom können wir in der Doppelkirche San Lorenzo fuori le mura und Sant’ Agnese an der Via Nomentana feststellen. Die Ostkirche von San Lorenzo geht auf eine konstantinische Stiftung zurück, im Westen ist unter Sixtus III. eine größere Anlage gebaut worden.

 


 

Farbtafel II Codex von Rossano. Pilatus auf seinem Thronsessel, einem Schreiber diktierend. Obere Hälfte eines Blattes, das Christus und Bar abbas vor Pilatus zeigt. 6. Jh.

 

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Fig. 10 Rom, San Pietro in Vincoli (432-446). Grundriß

 

 

Die östliche Kirche wurde durch Papst Pelagius II. gegen Ausgang des 6. Jh. mit Emporen versehen, die sich auch über die Schmalseite erstrecken (Fig. 11 und Abb. 5).

 

Noch deutlicher können wir diese Verwandlung einer altchristlichen Basilika in eine Emporenbasilika in der Anlage von Sant’ Agnese fuori le mura in Rom beobachten, die von Honorius I. 625—630 errichtet wurde. Auch hier haben wir es mit umgehenden Emporen zu tun. Ebenfalls die Marmorausschmückung der Apsis erinnert an Konstantinopler Anlagen.

 

Fig. 11 Rom. San Lorenzo fuori le mura. Grundriß. Schwarz: Altbau aus der Zeit des Papstes Pelagius II. (gest. 390). Umriß: Erweiterungsbau des 13. Jh.

 

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Aber diese östliche Form der altchristlichen Basilika hat durch die Streckung der Proportionen, durch die oberen Lichtgaden und durch die weitgehendste Auflösung nach oben zu eine Wandlung im weströmischen Sinne erfahren. Das Fehlen plastischen Schmuckes in der Wanddekoration und eines geraden Architravs über den unteren Säulenstellungen sprechen für die Ablehnung direkter östlicher Vorbilder (Fig. 12).

 

Einige Forscher (Rave, Wulff, Kohl, Watzinger) haben den Ursprung der Emporenbasilika mit der Synagoge in Zusammenhang bringen wollen. In der letzten Zeit wurde in Galiläa eine Reihe von solchen Synagogen entdeckt und wiederhergestellt. Diese rechteckigen Synagogen (Irbid, Arbela, Teil Hum) besitzen an drei Seiten Emporen. Sie unterscheiden sich jedoch durch die quadratische Raumgestaltung und das Fehlen des überhöhten Hauptschiffes so gründlich von der altchristlichen Basilika, daß eine baugeschichtliche Ableitung abgelehnt werden muß.

 

 

3. Die nachkonstantinischen Basiliken im Osten des Reiches

 

In der Osthälfte des Reiches, einschließlich Griechenlands und der Balkanländer, können wir vor allem drei Kunstgebiete unterscheiden: ein von der weströmischen Architektur stärker beeinflußtes Gebiet, das Griechenland und die Balkanländer umfaßt; weiterhin ein von Konstantinopel beeinflußtes Gebiet, das sich sowohl in Griechenland als auch in den Balkanländern bemerkbar macht und sich dort mit den weströmischen Einwirkungen begegnet, und schließlich das eigentliche Gebiet des Nahen Ostens mit Syrien, Palästina, Ägypten und Kleinasien. Hier wiederum müssen wir zwischen den Ausläufern der konstantinischen Architektur, den kaiserlichen Stiftungen, die mit Konstantinopel Zusammenhängen, und einer lokal bedingten Architektur unterscheiden. Auch diese, lokal je nach Landschaft verschieden differenzierte Architektur setzt sich mit den ost- und weströmischen Problemen der Basilika auseinander.

 

Für den weströmischen Einfluß in Griechenland sprechen Basiliken mit Querschiff, wie z. B. fünfschiffige Basiliken, ähnlich der Lateransbasilika, der Peterskirche und der Paulskirche in Rom, und zwar in Epidauros (Ende 4. Jh.) und in Nikopolis die B-Basilika (vom Ende des 5./Anfang des 6. Jh.).

 

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Fig. 12 Rom. Sant' Agnese fuori le mura. Perspektivischer Querschnitt durch den Kirchenraum. Von Constantina 324 errichtet, unter Papst Honorius L (623-638) erneuert

 

 

Dreischiffige Anlagen in der Art von San Pietro in Vincoli in Rom finden wir in Daphnusiu in Lokris, in Korinth (aus dem 5. Jh.) und in der Demetriuskirche in Nikopolis (Basilika A aus dem 6. Jh). Neu gegenüber den römischen Anlagen ist die Dreiteilung des QuerSchiffes, die durch die neue Gestaltung der Liturgie bedingt ist.

 

Eine rein basilikale Form, d. h. eine dreischiffige Basilika mit Emporen ohne Querschiff, können wir in der Basilika in Salona (um 400),

 

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in der Eski Djuma in Saloniki und in der Anlage in Stobi (Makedonien) feststellen, um die wichtigsten zu nennen. In der Eski Djuma z. B. spiegelt sich der weströmische Einfluß in der Vorherrschaft der Tiefenstreckung, die an Santa Sabina in Rom erinnert, in den Arkadenstellungen der Seitenschiffe, der glatten Behandlung der Wände, der mit Fenstern durchbrochenen Apsis und in der Verbindung zwischen Kapitell und Kämpfer in den unteren Bogenstellungen. Dagegen bilden die umlaufenden Emporen, die den Bau architektonisch zusammenfassen und so die lockere Aneinanderreihung der einzelnen Bauteile, die für den Westen charakteristisch ist, überwinden, und eine gewisse monumentale Behandlung der Bogenarkaden, Säulen und Basen eine Abwandlung der weströmischen Basilika in Griechenland. Es wäre nicht ausgeschlossen, daß sich darin bereits hauptstädtische Einflüsse geltend machen. Was die Entstofflichungstendenzen durch Marmorbelag der Wände und durch Mosaiken anbelangt, so kann darüber kaum etwas Näheres gesagt werden, da die Basilika in ihrem heutigen Zustand außer an den Arkadenbogen weder Mosaiken noch Marmorausschmückung aufweist.

 

Während in den erwähnten Basiliken letzten Endes doch noch die Basilika der Westhälfte für die ganze Gestaltung entscheidend gewesen ist, besitzen wir in Griechenland und in den Balkanländern eine Gruppe von Bauten, die in der basilikalen Gestaltung entscheidende Neuerungen einführen. Zu diesen gehören die Terrassenbasilika (Basilika A) in Philippi (um 500), die Demetriusbasilika in Saloniki (um 412 gestiftet, nach einem Brand im 7. Jh. wiederhergestellt), die Basiliken in Tropaion Trajani, in Dobrudscha, in Hissar in Bulgarien (Basilika 4 B). Alle Basiliken dieser Gruppe sind dreioder fünfschiffig und sind mit einem Querschiff versehen.

 

Obwohl den Ausgangspunkt auch dieser Basiliken die T-Form der ältesten römischen Basilika gebildet hat, so unterscheiden sie sich doch durch die verschiedene Gestaltung dieses Querschiffes. Das Quer schiff in der römischen Basilika war ungeteilt, so daß ein freier Querschiffraum am Gemeinderaum angeschlossen war. Hier münden das Hauptund die Nebenschiffe frei in das Querschiff ein. Der Hauptakzent in diese Basiliken liegt nun auf dem zum Querschiff erweiterten Altarraum, der außerdem von den Nebenschiffen durch Arkadenstellungen scharf getrennt ist.

 

In der Demetriusbasilika in Saloniki und der Terrassenbasilika in Philippi, die wir als die hauptstädtischen bezeichnen können, tritt uns ein verschiedenes Verhältnis des Gemeinderaumes zum Altar und Querschilf im Vergleich zu den weströmischen Basiliken entgegen.

 

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Für das Verständnis dieser Unterschiede, die nicht nur die Architektur, sondern das ganze religiöse und geistliche Leben des Westens und Ostens bestimmen, ist ein Vergleich dieser beiden Basiliken mit den westlichen aufschlußreich.

 

Im Westen verlangt der Altar nicht nur die Reliquie, sondern der ganze Körper der Heiligen ist unter dem Altar in der Grabkammer beigesetzt, während im Osten jeder Altar zwar eine Reliquie besitzt, aber im Gegensatz zum Westen der Altar und der Körper des Heiligen in keinem Zusammenhang stehen und für das Grab des Heiligen ein Bau in Form eines Martyriums für sich besteht (Grabar).

 

Tatsächlich bestätigen die beiden griechischen Basiliken diese Feststellung. In keiner von ihnen befindet sich unter dem Altar oder in dessen Nähe das Grab des Märtyrers mit seinem Körper, es befanden sich hier nur Reliquien: in der Demetriusbasilika in einer Phiole das hl. Blut des Märtyrers in einer Grabkammer eines Nebenschiffes, in Philippi dagegen in der Grabkammer unter dem Altar ein nicht mehr auffindbarer Reliquienschrein.

 

Noch wichtiger und entscheidender ist die Tatsache, daß diese Reliquien zwar einen Bestandteil des Altares gebildet haben oder sich in seiner Nähe befanden, aber für die Laien unzugänglich waren. In Saloniki war der Zugang zur Grabkammer zu eng, in Philippi höchstwahrscheinlich geschlossen. Daß auch der große Strom der Laien keinen Zugang zu diesen »Reliquienstätten« hatte, beweisen das nunmehr ganz veränderte Querschiff und der Altarraum.

 

Altarraum und Querschiff schließen sich vom Laienraum und von den Nebenschiffen ab, so daß ein freies Zirkulieren im Querschiff ganz ausgeschlossen ist. Der Laie wird nun von dem Altarraum durch einen entsprechenden architektonischen Aufbau getrennt und ferngehalten. Er hat keinen freien Zutritt mehr zum Altarraum.

 

Diese architektonische Abschließung des zum Querschiff erweiterten Altarraumes erfolgt durch das Herumführen der Hauptschiffarkaden und -wände im Querschiff und durch einen Schrankenvorbau, der sich weit in das Hauptschiff vorschiebt, wie z. B. in der Terassenbasilika in Philippi.

 

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Diese Dreiteilung wird außerdem durch die Priesterbänke betont, die eine Verbindung zwischen den Altarschranken und der Apsis bilden. Die Schranken besitzen einen vorspringenden Mitteleingang in der Richtung des Hauptschiffes und seitliche Eingänge neben den Priesterbänken zu dem in das Querschiff vorgeschobenen Altarraum. Vor den Altarschranken befindet sich noch die Kanzel, außerdem war das Mittelschiff durch niedrige Brüstungen von den Nebenschiffen getrennt.

 

Es ist auch bezeichnend, daß alle diese Anlagen, im Gegensatz zu den westlichen, Emporen besaßen, die sich um das Hauptschiff und den erweiterten Altarraum herumgezogen haben. Es wäre nicht ausgeschlossen, daß nur ein Teil des Hauptschiffes von den Laien eingenommen worden ist, da die geräumigen Umgänge und Emporen das Gros der Laienschaff faßten. Man fragt sich, was diesen auffallenden Unterschied zu der weströmischen Basilika bedingte. Es wurde bereits darauf aufmerksam gemacht, daß im Westen der Reliquienkult eine bedeutende Rolle für die freie Gestaltung des Querschiffes hatte, während in der hauptstädtischen griechischen Basilika die Liturgie wichtiger gewesen ist als der Reliquienkult. Gerade die Liturgie hat die räumliche Ausdehnung und Dreiteilung des in das Querschiff erweiterten Altarraumes und seine Abtrennung gegenüber dem Laienraum erfordert.

 

Die Liturgie entwickelt sich in der oströmischen Hauptstadt zu einer pompösen, weitgehendst durch das Hofzeremoniell bestimmte Handlung. Nicht umsonst nennt Clemens von Alexandrien die Liturgie das mystische Drama, das sich ohne Maske und Kothurne im Altarraum abspielt, und nicht ohne Grund hat man den oströmischen Altarraum mit einer griechischen Theaterszenerie in Zusammenhang gebracht.

 

Die große Zeit der Entwicklung der östlichen Liturgie fällt in das 4. und 5. Jh., sie hat in der oströmischen Hauptstadt ihre Prägung erhalten. Es entstehen hier zwei große Liturgien, und zwar die Liturgie des Kappadokiers Basileios im 4. und die des Johannes Chrysosthomos am Anfang des 5. Jh. Man hat die Trennung zwischen Laienraum und Altarraum, die drei Eingänge, die den Laienraum mit dem Altarraum verbunden haben, und die Bilderwand mit dem großen Einzug, den der sogen. Herubiscus Hymnus begleitete, in Zusammenhang gebracht. Er trat zum erstenmal in der Sophienkirche in Konstantinopel in Erscheinung (Holl).

 

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Die Übertragung der eucharistischen Gaben von der Prothesis durch die nördliche Tür des Altarraumes zum Gemeinderaum und durch die mittlere Tür zum Altarraum, die dieser Liturgie zugrunde liegt, ist bereits vom Jahre 500 an feststellbar, das würde also mit der Entstehung des erweiterten Altarraumes in der Terrassenbasilika in Philippi durchaus übereinstimmen.

 

Aber nicht nur in der entscheidenden Veränderung des Altarraumes und des Querschiffes, die auch die Raumproportion der ganzen Basilika zuungunsten der Tiefenstreckung weitgehendst beeinflußt hat, sondern auch in der Außengestaltung zeigen sich in Philippi stilistische Veränderungen, die auf Konstantinopel hinweisen. An die Basilika schließen sich zwei Hofanlagen und ein momumentales Propylon (Eingangstor) mit Stiegenaufgang an. Die erste Hofanlage, die dem Atrium entspricht, besitzt im Westen einen monumentalen Brunnenaufbau mit zwei Säulenordnungen und einer Nische in der Mitte. Die Säulenordnungen werden von einem horizontalen Gebälk begleitet, das auf hellenistische Einflüsse zurückgeht. Gerade die reiche Gestaltung der Hofanlagen und des Propylons beweisen, daß wir es hier mit dem Einfluß der hauptstädtischen Architektur zu tun haben.

 

Auch die Demetriusbasilika in Saloniki unterscheidet sich von den römischen Basiliken nicht nur durch die Verschiedenheit des Altarraumes, sondern ebenso durch eine ganz andere Behandlung der Wände und des Raumes. Entscheidend ist, daß nicht nur Mosaiken die Wand bedeckten und zur Entstofflichung des Raumes beitrugen, sondern im Hauptschiff auch farbige Marmorplatten und Marmorinkrustationen. (Allerdings scheint dieser Raumeindruck auf den späteren Umbau nach dem Brand im 7. Jh. zurückzugehen.)

 

Wir können eine viel monumentalere Formensprache in den Säulen und Arkaden feststellen: die Säulen ruhen auf festen Sockeln, die Arkaden, deren Archivolten durch farbige Marmorplatten besonders hervorgehoben werden, lasten mit voller Wucht und Schwere auf den Stützen; außerdem werden die Arkadenreihen durch je zwei massive Pfeiler unterbrochen, wodurch eine Art von Stützenwechsel in Erscheinung tritt, vor allem aber wird der statische Charakter der Wand betont (Fig. 13 und Fig. 14). Wir haben es nirgends mit farbigen Architekturkulissen zu tun, wie etwa in den ravennatischen Basiliken (Basilika Ursiana, Sant Apollinare Nuovo), sondern mit einer monumentalen Sprache der Architektur, die doch letzten Endes eine festgefügte Wand bevorzugt und eine architektonische Verklammerung der einzelnen Teile zum Ausdruck bringt.

 

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(Auch die geringere Höhe der Nebenschiffe würde dafür sprechen, daß wir es hier mit zwei deutlich voneinander zu unterscheidenden Bauperioden zu tun haben und daß höchstwahrscheinlich in den Nebenschiffen noch die älteren Teile aus dem 5. Jh. erhalten sind, während das Hauptschiff bereits die neuen Bautendenzen aufweist.)

 

Es handelt sich hier wie in den meisten griechischen Basiliken um eine Emporenbasilika. Das festere architektonische Gefüge, der Mangel an Entstofflichung der Wände durch Mosaiken, die Monumentalität der Einzelteile sprechen wieder für die Abhängigkeit von Konstantinopel.

 

Fig. 14 Saloniki. Demetriusbasilika. System der Arkaden und Emporen (ohne Quer schiff einbauten )

 

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Fig. 13 Saloniki. Demetriusbasilika. Um 412 gestiftet. Nach Brand im 7. Jh. wiederhergestellt, dabei wohl Änderung des Querschiffs. Grundriß

 

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Es ist wahrscheinlich, daß die dreischiffige Basilika mit Querschiff, die wir in Griechenland vorgefunden haben, in Konstantinopel vorgebildet gewesen ist. Ausgrabungen im zweiten Hof des Serails (Bossert) haben eine derartige Basilika aus der zweiten Hälfte des 5. Jh. zutage gefördert.

 

Von den Basiliken in Konstantinopel haben sich außer der Basilika des Studios-Klosters nur dürftige Überreste erhalten. Wir sind daher auf eine Rekonstruktion der alten Sophienkirche, die 415 geweiht wurde und die aus den Ausgrabungen im Atrium der heutigen Sophienkirche gewonnen wurde, und auf die Studios-Basilika angewiesen, um uns ein Bild von der Baugestaltung der Basilika von Konstantinopel zu machen. Es fällt vor allem eine grundverschiedene Gestaltung der Fassade im Gegensatz zu den weströmischen Basiliken auf. In der theodosianischen Sophienkirche besteht die Fassade aus zwei Säulenreihen an den Seiten und einem monumentalen mittleren Portal, das einen Porticus mit vier vorspringenden Säulen aufweist, die durch einen monumentalen gesprengten Giebel bekrönt werden. Auffallend ist die reichverkröpfte, barocke, mit einem Lämmerfries versehene Dekoration des Giebelabschlusses.

 

Ähnlich ist auch die ursprüngliche Fassade des Studios-Klosters, das im Jahre 463 vom Patrizius Johannes Studios errichtet wurde. Diese Fassade hat sich jedoch nicht in ihrem ursprünglichen Zustand erhalten. Aber auch hier sehen wir an der Vorhalle einen monumentalen Porticus mit Säulen, auf denen ein reichgeschmückter Architrav ruht, und zwei Nebeneingänge, die reichprofilierte Türen aufweisen. Wenn wir diese reichen Porticusausschmückungen mit den weströmischen Basiliken, etwa in Rom oder Ravenna, vergleichen, dann müssen wir feststellen, daß wir es hier im Gegensatz zum Westen mit einem ausgesprochen architektonischen, auf griechisch-hellenistische Vorbilder zurückgehenden Aufbau aus einer peristylen Säulenordnung und monumentalem Portal mit gesprengtem Giebel zu tun haben.

 

Der Unterschied kann nicht größer gedacht werden; im Westen eine rein flächige, optische Auflösung der Wände, hier eine starke plastische, tektonische Gliederung. Diese verschiedene Behandlung der Fassade in den ost- und weströmischen Basiliken hängt mit den hellenistischen Traditionen zusammen, die sich in allen hellenistischen Städten der römischen Osthälfte des Reiches erhalten haben.

 

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Fig. 15 Konstantinopel. Basilika des Studios-Klosters. Stiftung des Patriziers Johannes Studios 463. Grundriß

 

 

Einen ähnlichen, monumentalen Portaleingang mit gesprengtem Giebel wie in der theodosianischen Sophienkirche linden wir in den Propyläen von Baalbek und von Damaskus.

 

Verschieden ist in den ost- und weströmischen Basiliken auch ; die Raumgestaltung. Es ist auffallend, daß die Studios-Basilika in Konstantinopel kein Querschiff besitzt, die Apsis schließt unmittelbar an das Mittelschiff an. Wir könnten diese Vereinfachung vielleicht damit erklären, daß wir es mit einer Klosterkirche zu tun haben. In den Proportionen fehlt die ausgesprochene Tiefenrichtung. Das Verhältnis zwischen Breite und Tiefe im Hauptschiff (25:12) beweist, daß wir es mit einem weitgehenden Ausgleich zwischen Tiefe und Breite zu tun haben, so daß im Grunde genommen im Inneren der Eindruck eines geschlossenen peristylen Hofes entsteht (Fig, 15).

 

Zu dieser Wirkung tragen noch das horizontale Gebälk, das auf den unteren Säulen aufruht, und die breiten Interkolumnien bei. Dem östlichen Typus der Basilika entsprechen auch die Emporen (Abb. 4). Bezeichnend ist noch die massive, blockmäßige Wirkung der ganzen Anlage nach außen zu, wobei jedoch die Mauern durch einen Wechsel von weißen Quadersteinen und roten Ziegeln eine farbige Wirkung erreichen,

 

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dagegen scheinen die Fenster nicht wie in den westlichen Basiliken aus den Mauern herausgeschnitten, sondern sind mit Marmorrahmen versehen, die sich von den Wänden scharf abheben.

 

 

4. Die syrischen Basiliken und ihre Ausstrahlungen in Mesopotamien und Kleinasien

 

Die syrischen Basiliken verteilen sich auf folgende drei wichtigste Gebiete: Nordsyrien mit Antiochia und seinem Hinterland, das Haurângebiet südöstlich von Damaskus und Mittelsyrien südlich und südöstlich von Aleppo.

 

Obwohl die Grundgestalt der syrischen Anlagen in allen diesen Gebieten nur wenig abwechselt, ist erkennbar, daß sich Nordsyrien am engsten an die allgemeinen Grundformen der Basilika anschließt, Mittelsyrien vom 6. Jh. an Pfeilerbasiliken vorzieht, Haurân dagegen in seinen Querbogenbasiliken am weitesten vom eigentlichen Basilikenbau ab weicht.

 

Die altchristliche Architektur erfreut sich in Syrien nur einer kurzen Blütezeit, vom 5. bis zum 6. Jh.; dann wird diese durch persische Einfälle (573, 611) unterbrochen. Nach kurzer Überwindung des persischen Vordringens durch Heraclius (628) geht das Land 638 Byzanz für immer verloren.

 

Es unterliegt keinem Zweifel, daß sich die bedeutendsten Denkmäler in Nordsyrien befinden. Den Mittelpunkt bildet die, neben Alexandrien, bedeutendste Metropole des Ostens, Antiochia am Orontes. Aber gerade hier sind die architektonischen Denkmäler restlos zugrunde gegangen, so daß nur die außerhalb Antiochias bestehenden Denkmäler einen Rückschluß auf die einstige Hauptstadt erlauben. Es ist wohl anzunehmen, daß die großen Wandlungen innerhalb der syrischen Architektur sich ursprünglich in Antiochia vollzogen haben.

 

Überblicken wir die wichtigsten Basiliken Nordsyriens, dann können wir folgende Bautypen unterscheiden: eine einfache dreischiffige Basilika im ersten Viertel des $. Jh., die mit dem Architekten Markianos Kyris in Zusammenhang steht (Babiska), den Kathedralentypus (Kalat Siman, Bizzoskirche in Ruweha, Der Termanin, Kalb Lauzeh), die Pfeilerbasiliken und einschiffige Saalkirchen.

 

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Für die Geschichte der nordsyrischen Baukunst sind die Kathedralen (oder Klosterkirchen) und die Pfeilerbasiliken von besonderer Bedeutung.

 

Die Grundgestaltungsformen der syrischen Basilika waren bereits im 5. Jh. ausgebildet, aber ihre reiche Entfaltung und Ausbildung erhielten sie erst im Kathedralenbzw. Klostertypus.

 

Die reichste Anlage ist wohl die des Symeonklosters, die man in der letzten Zeit aus stilistischen Gründen zwischen 460-490 datiert (Beyer). In dieser Anlage sind vier basilikale Schiffe um eine oktogonale Hofanlage gruppiert, in deren Mitte sich die Säule des Styliten (Säulenheiligen) Symeon befand. Im Grunde genommen ist hier die alte, aus Palästina stammende Idee eines Memorialbaues wieder verwendet worden. Baumäßig erinnert die Anlage an die ursprüngliche Johanneskirche in Ephesos, wo ebenfalls an das Martyrien des hl. Johannes vier Basiliken angebaut wurden. Die Anlage von Kalat Siman steht an der Spitze der nordsyrischen Architektur und hat als Erzeugnis der antiochenischen Architektur einen maßgeblichen Einfluß auf die ganze nordsyrische Baukunst ausgeübt (Fig. 16 und Fig. 17).

 

Was die basilikale Bauform anbelangt, so unterscheidet sie sich nur wenig von der weströmischen Basilika, vor allem die eigentliche Ostbasilika mit den drei parallel verlaufenden Schiffen, Holzdächern, Arkaden und Ostapsiden. Die Unterschiede bestehen in einer verschiedenen Raumauffassung und der Gliederung der Wand. Innen und außen tritt anstatt des Ziegelbaues der römischen Westhälfte der Quaderbau in Erscheinung. Im Innern haben wir ©s daher mit einer lapidaren, geschlossenen Wirkung der Wände zu tun, im Gegensatz zu der durch Mosaiken aufgelösten Wirkung der Wände in den weströmischen Basiliken. Ein geschlossener, begrenzter, als »schöne Substanz« empfundener Raum unterscheidet sich kraß von dem unbegrenzten, durch Mosaiken illusionistisch aufgelösten Raum in der römischen Westhälfte. Nur der Fußboden war mit Steinmosaiken bedeckt.

 

Noch stärker ist der Gegensatz zum Westen, wenn wir den Außenbau mit dem einer römischen oder ravennatischen Basilika vergleichen. Nicht nur die schöne Quaderwirkung tritt uns hier entgegen, sondern auch eine überaus reiche, plastische und tektonische Durchbildung der Wand. Man kann diese reiche Gliederung der Wand sowohl an den Außenwänden wie auch an dem Haupteingang der Vorhalle der besser erhaltenen Südbasilika noch heute feststellen.

 

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Portale und Fenster sind mit reichprofilierten Rahmen versehen, horizontal durchlaufende Gesimse gliedern die Wand, sie spielt nun eine plastisch-tektonische Rolle.

 

Wie reich diese plastisch-tektonische Gestaltung der Außenarchitektur ist, kann man aus der Vorhallenfassade der Südkirche und der Hauptapsis der Ostbasilika ersehen. Die Vorhallenfassade der Südkirche besteht aus einem umgeformten römischen Triumphbogenmotiv.

 

Fig. 16 Kalat Siman (Syrien). Klosterkirche des hl. Symeon. Zwischen 460 und 490 entstanden. Grundriß

 

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Fig. 17. Kalat Siman (Syrien). Klosterkirche des hl. Symeon. Rekonstruktion

 

 

Drei monumentale Portalöffnungen führen in die Vorhalle. Die Archivolte des mittleren Bogens ist reich profiliert und ruht auf zwei Säulen, die beiden Bogen der Nebeneingänge ruhen auf antikisierenden Pilastern. Oben enden alle Portale mit stark verkröpften Giebeldreiecken, wobei der mittlere Giebel durch den Bogen gesprengt wird.

 

Ebenso reich ist die Eingangswand geschmückt. Auffallend ist, daß hier horizontale Türsturze von offenen Entlastungsbogen in Hufeisenform abgeschlossen werden und daß die Profilierungen der Bogen geknickt fortgeführt werden, ein Motiv, das sich in der syrischen Architektur öfters wiederholt. Aus ähnlichen, reichen, triumphbogenartigen Motiven besteht der oktogonale Hof, der um die Hauptsäule des Heiligen herumläuft. Noch prononcierter ist die Hauptapsis. Auf hohen Sockeln stehen je fünf Säulen in zwei Reihen übereinander und beleben, plastisch vor tretend, die Wand. Oben tragen sie ein abschließendes Gebälk, das eine Art von Bogenfries bildet. In der Mitte läuft ein horizontales, reichprofiliertes Gesims, das die Säulenstellungen und die Apsis trennt. Die Fenster sind oben mit profilierten Rahmen versehen.

 

Wiederum kann man sich keinen schärferen Gegensatz zu einer weströmischen Apsis denken (vgl. Santa Sabina in Rom, Sant’ Apollinare in Classe in Ravenna).

 

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Dort reiner flächiger Ziegelbau mit herausgeschnittenen Fenstern als optische Belebung, hier eine in antikem Geist durchgeführte Gliederung der Wände. Die Wand verwandelt sich in ein tektonisches Spiel der Kräfte, wobei die vorgestellten Säulen, die Sockel und der Bogenfries an barocke Tendenzen der reichsrömischen Architektur erinnern.

 

Ob der mittlere Hofraum mit der Säule des Heiligen ursprünglich überdeckt gewesen ist, kann nicht mit Sicherheit angenommen werden. Ausgeschlossen ist jedoch eine gewölbte Kuppelkonstruktion, wogegen eine Holzkonstruktion mit einem Zeltdach wahrscheinlich ist.

 

Amerikanische Forscher, die die syrischen Bauten untersucht haben (Butler), behaupten, die Römer hätten den in Syrien heimischen Hellenismus unberührt gelassen und hier nur Straßen, Brücken, Nutzbauten und Embleme ihrer Herrschaft errichtet. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die in Syrien stark verwurzelte hellenistische Architektur tiefe Spuren hinterlassen hat und daß die neue geschlossene Wirkung eines »schönen Raumkörpers« und die strenge Tektonik der Wand mit dem Quaderbau in den Anlagen von Kalat Siman auf diese Traditionen zurückgeführt werden können.

 

Daneben aber sind auch Spuren der römischen Reichskunst vorhanden. Die gesprengten Giebel, die Verwendung von Triumphbogenmotiven, der profilierte Bogen, die Arkaden der Nebenschiffe einer Basilika, die Säulenstellung vor der Apsis, das sind wiederum Elemente der römischen barocken Reichskunst, die sich auch in Syrien eingebürgert hat. Es genügt ein Blick auf die Reste der reichsrömischen Architektur von Palmyra, Baalbek, Gerasa, Damaskus, um sich davon zu überzeugen, daß die erwähnten architektonischen Motive von Kalat Siman und anderen syrischen Anlagen von diesen Bauten entlehnt und dem neuen Baustil angepaßt wurden (vgl. das Triumphbogenmotiv in Gerasa, den gesprengten Giebel in Damaskus, die Fensterrahmen des Zeustempels in Gerasa).

 


 

Farbtafel III Rom. Santa Maria Maggiore. Aus dem Mosaikfries des Langhauses. Geschenk Melchisedechs an Abraham. 4. Jh.

 

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Daß auch der östliche Altarraum mit der Apsis und den beiden Altarnebenräumen (Prothesis, Diakonikon) in antiken Bauten vorgebildet war, beweisen das Tychaion in Is-Sanamen aus dem Jahre 191 n. Chr. oder der Tempel in Slem; allerdings mit dem entscheidenden Unterschied, daß wir es in den antiken Denkmälern mit einem quadratischen, mit Säulen oder Halbsäulen geschlossenen Hof und nicht mit einer dreischiffigen, längsgerichteten Basilika zu tun haben.

 

Außer der größten und prunkvollsten Anlage in Kalat Siman gehören auch Kalb Lauzeh, Der Termanin und die Bizzoskirche in Ruweha zu dem sog. Kathedralentypus. Obwohl die letzte Anlage bereits im Süden Syriens liegt (Djebel Riha), gehört sie dem sog. Kathedralenstil an.

 

Im Außenbau fallen alle drei Bauten durch einen reichen Fassadenschmuck auf. Es sind Turmfassaden, die uns zum ersten Male in den syrischen Basiliken entgegentreten, aber nicht Turmfassaden im Sinne der westeuropäischen, romanischen oder gotischen Kathedralen, sondern eher vorspringende, fassadenartige Eckrisalite, die sich über der Vorhalle befinden und das mittlere Giebelfeld nicht überragen (Fig. 18 und Fig. 19). Am selbständigsten entwickeln sie sich in der Bizzoskirche in Ruweha. Gekrönt werden sie, ebenso wie das Mittelschiff, von einem geschlossenen Giebel. Diese Giebelbekrönung geht ebenfalls auf die antike Tempelarchitektur zurück. Die Eckrisalite sind von Fenstern durchbrochen, während sich zwischen ihnen eine Terrasse befindet, die entweder offen oder — wie in Der Termanin — mit einer auf Säulen ruhenden, antiken Gebälkordnung geschmückt ist. Der Haupteingang ist mit einem reichprofilierten, rundbogigen Hauptportal versehen. Am einfachsten ist die Fassade von Kalb Lauzeh, am stärksten »antikisierend« durch die Säulenstellungen und horizontale Stockeinteilung die Fassade von Der Termanin, während Ruweha eine stark auf gelockerte Fassade mit drei monumental gedachten Portaleingängen und »turmartig« aufstrebenden Eckrisaliten besitzt.

 

Der antikisierende Charakter der Fassade in Ruweha kommt in dem horizontalen Gebälk, das die Entlastungsbogen der Nebenportale überschneidet, zum Ausdruck. Anderseits spiegelt sich die Überwindung des strengen hellenistischen architektonischen Aufbaus der Fassaden in den offenen Entlastungsbogen der Nebenportale, der scharfen Knickung des Bogens des Hauptportales an beiden Seiten, der flachen vereinfachten Profilierung und Lockerung der turmartigen Eckbauten (Eckrisalite).

 

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Fig. 18 Ruweha (Syrien). Fassade

 

 

In dieser Hinsicht ist die Fassade der Bizzoskirche in Ruweha wohl die fortschrittlichste Schöpfung unter den sog. Kathedralenanlagen.

 

Die Apsisdekoration der Anlagen von Der Term anin und Kalb Lauzeh schließt sich der Ostapsis von Kalat Siman an. In Kalb Lauzeh ist die Ähnlichkeit am größten. Zwei Reihen von übereinandergestellten Säulen, die eine ausgesprochen tragende und plastische Funktion erfüllen, schmücken die Apsis. Es fehlen nur die Einzelsockel, auf denen die Säulen aufruhen, und der reich ausgebildete »Bogenfries« oben.

 

Die Innenraumgestaltung von Der Termanin lehnt sich an den Typus der Säulenbasilika von Kalat Siman an, während Kalb Lauzeh und Ruweha Pfeilerbasiliken bilden. In beiden Fällen ist jedoch der Eindruck eines »schönen, geschlossenen substantialen Raumes« bezeichnend, im Gegensatz zur weströmischen Auflösung der Wände durch Mosaiken. Die spätantike, aufgelöste Raumauffassung konnte sich hier nicht voll durchsetzen.

 

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Noch stabiler, wuchtiger ist die Raumwirkung der beiden Pfeilerkirchen in Kalb Lauzeh (Fig. 20) und Ruweha. Drei schwere, monumentale Bogen ruhen auf massigen, schwerfälligen Pfeilern. Die leichte »kulissenartige« Behandlung der Nebenschiffswände einer altchristlichen Basilika hat sich in eine geballte Wucht von schwerlastenden Bogen verwandelt. Es herrscht hier beinahe eine atemberaubende Beklemmung, und die Wucht der Bogen sprengt nahezu den kleinen Raum.

 

Wie stark die Straffheit der antikisierenden Wandgliederung zugenommen hat, beweist die Innenwirkung von Kalb Lauzeh. Der Triumphbogen ist mit kannelierten Pilastern und einem reich und plastisch profilierten Bogen versehen, die Archivolten der Bogenarkaden des Hauptschiffes sind profiliert und durch eine betonte Kapitellzone von den Pfeilern getrennt. Noch antiker mutet die Gliederung der oberen Fensterwand an, wo Säulchen auf Konsolen ruhen und die Querbalken des Holzdaches tragen.

 

Fig. 19 Kalb Lauzeh (Syrien). Fassade

 

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Das antike Verhältnis von Säule und Gebälk wurde hier auf die Dachkonstruktion einer altchristlichen Basilika übertragen!

 

Für die subtilen Vorgänge des Meßopfers, auf das die Hauptschiffe vorbereiten sollen, ist diese Formensprache zu kraftvoll und macht den Eindruck, daß die Formen von provinzialrömischen Nutzbauten zu unmittelbar auf eine Basilika übertragen worden sind. In Ruweha kommt noch dazu, daß die zwei mittleren Pfeiler mit Querbogen versehen wurden und dadurch der fließende Rhythmus einer altchristlichen Basilika aufgehoben wurde. Das Mittelschiff zerfällt in drei »Einzeljoche«, wiederum ein Rückfall ins Antike, wo jede fließende rhythmische Auflösung des Raumes zugunsten der Zersplitterung in klar überschaubare Räume geopfert wurde. Auch das Überhandnehmen von Seiteneingängen beweist, daß die der weströmischen Basilika innewohnende Tendenz der Tiefenwirkung eine Abschwächung erfährt.

 

Es ist wahrscheinlich, daß diese neue Form der Pfeilerbasilika aus Mittelsyrien stammt (Beyer). Jedenfalls weist eine Reihe von Anlagen Mittelsyriens diese Pfeilerform auf (Apostelkirche in Fdjäz, Ende des 4. Jh., Kathedrale in Kerratin, zweite Hälfte des 5. oder Anfang des 6. Jh., Kathedrale II Anderin usw.).

 

Eine selbständige Gruppe von Basiliken bildet das Haurângebiet südlich von Damaskus. Hier hat sich aus dem herrschenden Typus der Querbogenkirchen ein Typus herausgebildet, der sich von der altchristlichen Basilika am weitesten entfernt. Zwei Faktoren haben die Form der haurânischen Querbogenkirchen geprägt: das Vorkommen von hartem Basalt und der Mangel an Holz, ferner die Verwendung der römisch bestimmten Bogenarchitektur. Der Bogen ist das eigentliche Element der haurânischen Architektur. Morphologisch gesehen entfernt sich die haurânische Querbogenkirche von der altchristlichen Basilika durch das Aufgeben der Säulenarkaden, der Überhöhung des Mittelschiffes und der Tiefenausdehnung. Im Grunde genommen ist damit auf die entscheidenden Elemente der altchristlichen Basilika verzichtet worden.

 

Am weitesten ist in dieser Hinsicht die Basilika von Tafha gegangen. Der Grundriß nähert sich einem Quadrat, alle Schiffe sind mit Querbogen überspannt, die in dichten Reihen den Raum überwölben. Die Zwischenräume der Querbogen sind sowohl im Hauptschiff als auch in den Emporen mit horizontal aufliegenden Steinplatten bedeckt.

 

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Als kastenartige Blockbauten erscheinen diese Kirchen nach außen, schmucklos mit kleinen schlitzartigen Fenstern versehen, mehr Trutzburgen als sakralen Gebäuden ähnlich. Einzig der angebaute Turm und die Apsis verleihen der Anlage in Tafha den Schimmer einer christlich-sakralen Architektur.

 

Noch befremdender ist das Innere. Zwar ist eine gewisse rhythmische Abfolge der Querbogen im Hauptschiff und in den Nebenschiffen vorhanden, aber immer wieder stößt das Auge auf die Querschiffwände, die sich über den Querbogen erheben und die eine fließende Tiefenwirkung nicht aufkommen lassen.

 

Fig. 20 Kalb Lauzeh (Syrien). Blick in Hauptschiff und Apsis

 

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Es entstehen vielmehr »Durchblicke«, wie durch eine Reihe von Pforten wird das Auge in die Tiefe geleitet, ohne jedoch einen einheitlichen Raumeindruck zu gewinnen. Es ist im Grunde genommen eine Tiefenbewegung, die immer wieder ins Stocken gerät.

 

Diese für die altchristliche Basilika ungewohnte Raumgestaltung finden wir in römischen Anlagen Haurâns, wie etwa in der Bauanlage in Shakka. Es fehlten hier nur die Apsis und der Turm.

 

Aber außer diesen reinen haurânischen Querbogenkirchen gibt es andere, die als Einraumkirchen mit Querbogen bezeichnet werden können (Julianoskirche aus dem Jahre 344 und Masechoskirche in Umm-idj-Djimal), oder dreischiffige Pfeilerbasiliken mit erhöhtem Holzdach über dem mittleren Schiff, die also eine gewisse Annäherung an die altchristliche Basilika zeigen (Numerianoskirche in Umm-idj-Djimal), oder schließlich Anlagen, bei denen Säulen auf Arkaden die Schiffe trennen, wie die Klaudianoskirche in Umm-idj-Djimal. Aber auch in der letzten, ins Basilikale umgesetzten Kirchenanlage verbindet ein horizontaler, gleich hoher, haurânischer Deckenabschluß alle Schiffe.

 

Die haurânischen Fassaden unterscheiden sich von den nordsyrischen nicht nur durch ihre Schmucklosigkeit, sondern auch durch eine stärkere Verarbeitung griechischer Tempelfassaden. Die Fassade der Numerianoskirche in Umm-idj-Djimal repräsentiert am besten diesen Typus. Es herrscht der horizontale Aufbau und die Säule vor, unten befindet sich ein Säulenporticus mit horizontalem Abschluß, oben liegt horizontales Gebälk auf Säulen und Mauerpfeilern. Nur in der Mitte ist ein, der römisch-hellenistischen Architektur entnommener, gesprengter Giebel übernommen worden.

 

Einen fremden Einfluß verrät die ursprünglich antike Anlage des »Palastes« zu Kanavät. Antik ist sowohl der dreipaßartige Apsidenabschluß als auch die große Doppelanlage mit zwei geschlossenen Säulenhöfen, Apsis und zwei Nebenräumen. Später, in der altchristlichen Periode, wurde diese Hofanlage in eine haurânische Querbogenkirche umgewandelt und daneben eine neue Querbogenkirche errichtet.

 

Außerhalb Syriens können Einwirkungen in Mesopotamien festgestellt werden. Die Sergiuskirche in Rusapha, die im 6. Jh. entstanden ist, hat eine gewisse Ähnlichkeit mit syrischen Anlagen, und zwar des Kathedralentypus (Kalb Lauzeh, Ruweha);

 

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auch hier waren ursprünglich drei Längsbogen vorhanden, die auf kreuzförmigen Pfeilern ruhten. Wir finden auch eine Zersplitterung des einheitlichen Mittelschiff raumes durch Querbogen, die am ehesten an Ruweha erinnern. Die antikisierende Ornamentik überträgt sich auch auf den Außenbau, wo ursprünglich ähnliche, auf Konsolen ruhende Säulchen die Dachkonstruktion getragen haben, wie sie in Kalb Lauzeh im Innenbau auf getreten sind (Fig. 21). Die zwischen den Arkaden eingestellten Säulen, auf denen niedrigere Arkaden ruhen, müssen höchstwahrscheinlich später eingebaut worden sein. Sie verleihen der Anlage einen mehr basilikalen Charakter.

 

Die antikisierenden Tendenzen in der Gliederung der Wände der Portale, der Ausschmückung der Archivolten, der Kapitelle usw. sind in Rusapha nicht nur in der Basilika, sondern auch in den profanen Stadtbauanlagen stark ausgeprägt und beweisen, daß alle diese Gebiete als Ausläufer der großen hellenistischen Metropolen, in denen sich die hellenistisch-römische Architektur mit den neuen christlichen Tendenzen verschmolzen hat, bezeichnet werden müssen. Darin liegt auch der Unterschied zu den weströmischen Gebieten, wo diese hellenistische Note durchaus fehlt.

 

Diese Tatsachen und die Entstehungszeit sprechen dafür, daß die Entwicklung der altchristlichen Basilika im Westen von diesen östlichen Anlagen in Syrien und Mesopotamien unabhängig ist. Dasselbe gilt für Kleinasien.

 

Fig. 21 Rusapha (Mesopotamien). Sergiusbasilika. 6. Jh. Rekonstruktion

 

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Die Küstenländer schließen sich eher an die über Konstantinopel weitergeleitete und umgeformte monumentale Basilika mit Querschiff an (z. B. die Basilika in Perge, Pamphylien, oder Sagalassos Nr. 2, Pisidien, die dem erhaltenen Typus von Philippi und der Demetriusbasilika in Saloniki entsprechen) oder weisen den einfacheren Typus einer Pfeiler- (Basilika in Kremna, Pisidien) oder Säulenbasilika auf.

 

Die innerkleinasiatischen Anlagen sind durch die Basiliken in Bim-bir-Kilisse vertreten. Wir haben es hier mit einer Reihe von tief gerichteten, mit Vorhallen und Emporen versehenen Basiliken zu tun. Es sind auch Ansätze zur Fassadenbildung vorhanden (Ramsay-Bell Nr. 32). Von den syrischen unterscheiden sie sich durch Schmucklosigkeit und Mangel an plastischer und antikisierender Ornamentik. Einige von ihnen sind mit Tonnengewölben versehen. Die Überwölbung, die Emporen und eine flache Behandlung der Dekoration würden auf eine spätere Entstehungszeit (5 -6. Jh.) und auf Konstantinopel hin weisen, also gerade das Gegenteil von dem, was man früher angenommen hat (Strzygowski).

 

 

5. Sonderstellung der alt christlichen Basilika in Nordafrika

 

Die afrikanischen Basiliken nehmen insofern eine Sonderstellung innerhalb der Geschichte der weströmischen Basilika ein, als sie eine Verschiedenheit der Bauformen aufweisen, die wir sonst in keiner anderen Provinz vorfinden. Das will nicht heißen, daß ihnen nicht die Urform der Basilika zugrunde liegt, aber die Abwandlungen sind sehr abwechslungsreich. Wir finden dort sowohl die einfache saalartige Form mit eingestellten Säulen, wie in Aquileja oder Parenzo (Bordj-Steh), drei-, fünfoder mehrschiffige Basiliken mit eingezogener oder vorspringender Apsis, als auch dreischiffige Pfeilerbasiliken.

 

Aber neben diesen, mit anderen Gebieten gemeinsamen Formen, finden wir auch solche, die woanders nicht auftreten und eine lokale, nordafrikanische Sonderbasilika bilden. Zu diesen gehören Basiliken, die mit einer überdimensionierten Apsis abschließen, die entweder eine saalartige (Bin ben Zireg), eine dreischiffige (Ouled Agla) oder eine neunschiffige Basilika (Damus el Carita) zusammenfaßt. Man hat diese Apsis mit den römischen nordafrikanischen Platzanlagen in Zusammenhang gebracht, und es unterliegt keinem Zweifel, daß die monumentalste dieser Apsiden in Damus el Carita an die Exedra eines römischen Forums erinnert (Fig. 22).

 

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Eine weitere Besonderheit der nordafrikanischen Basiliken ist die Vielschiffigkeit, die für Kathedralanlagen bezeichnend ist (neunschiffige Kathedralen in Tipasa und Damus el Carita). Wir stehen da vor einem Wald von Stützen, wobei abwechselnd Pfeiler und Stützen (Tipasa) oder nur Pfeiler (Damus el Carita) verwendet wurden. Eine weitere Neuerung im Vergleich mit der allgemein verbreiteten Form der altchristlichen Basilika sind die Stützen. Wir finden in den afrikanischen Basiliken besonders stark ausgebildete Stützen, wie etwa Doppelsäulen in der Kathedrale zu Timgad oder Pfeiler mit vor gestellten Säulen in der Klosterkirche in Tebessa.

 

In Tebessa entstehen schwerfällige Doppelstützen und Doppelbogen, die eine besonders schwere Decke zu tragen haben. Es wäre möglich, daß diese schwerfällige Form von Stützen einem Umbau und Erhöhung der Basilika zuzuschreiben wäre (5. Jh.). Es fällt auch die Monumentalität und der antikisierende Charakter der ganzen Anlage auf (monumentaler Treppenaufgang im Westen). Die Klosteranlage mit Befestigungen stammt aus byzantinischer Zeit.

 

Es gibt auch Anlagen mit Doppelapsiden (z. B. die Basilika in Orleansville). Aber während die fünfschiffige Basilika mit der Ostapsis aus dem Jahre 325 stammt, wurde die Westapsis erst im Jahre 375 dazugebaut, als Grabanlage für den hl. Reparatus. Die Form der gegenüberliegenden Apsiden hat Vorbilder in der römischen Architektur Nordafrikas, z. B. in der Basilica Severiana in Leptis Magna aus dem Jahre 220.

 

Fig. 22 Damus el Carita (Nordafrika). Grundriß

 

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Auffallend ist, daß ausgesprochene Querschiffanlagen fehlen. Die afrikanischen Basiliken haben mit ihren lokalen Besonderheiten keinen Einfluß auf die weitere Gestaltung der altchristlichen Basilika ausgeübt; ihrer Formgestaltung nach gehören sie zum Westen und weisen nicht die antikisierenden Tendenzen der Basiliken im Osten des Reiches auf. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, daß die Vielschiffigkeit der altchristlichen Basilika in Nordafrika, die ihre Stilparallele in der ägyptischen Tempelarchitektur besitzt, die Raumgestaltung der islamischen Architektur in Spanien (Moschee in Cordoba) angeregt hat.

 

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