Die altchristliche Kunst

Wladimir Sas-Zaloziecky

 

II. Die Plastik

 

1. Die ältesten altchristlichen Sarkophage  59

2. Die altchristliche Sarkophagplastik im vierten Jahrhundert  62

3. Die Wandlung der Darstellungsinhalte  68

4. Oströmische Plastik  74

 

 

Die altchristliche Plastik zeigt einen ausgesprochenen sepulkralen Charakter, sie diente nicht der diesseitigen Verherrlichung des Menschen, sondern bereitete ihn durch jenseitige Vorstellungen auf das ewige Leben vor. Daraus ist auch ihr ganzer Charakter abzuleiten. Keine Einzelfigur, keine Freiplastik, sondern ein mehr oder weniger plastisches Relief, das die Wände der Sarkophage umgibt, bildet den Hauptbestandteil der altchristlichen Plastik.

 

Ohne Zweifel knüpft die altchristliche Plastik hier an das spätantike Relief an. Das optisch aufgelöste, die dreidimensionalkörperliche Wirkung der Plastik weitgehendst einschränkende, spätantike Relief bildet somit die Grundlage, aus der sich die altchristliche Sarkophagplastik entwickelt.

 

An einer Reihe von Sarkophagen können wir die Formenentwicklung dieser Sarkophagplastik in folgender Stilreihenfolge festsetzen:

 

1. kastenartige Sarkophage mit streifenartiger Anordnung der Darstellungen in einer Zone;

 

2. kastenartige Sarkophage mit streifenartiger Anordnung der Darstellungen in zwei Zonen übereinander;

 

3. riefelartige und wannenförmige Sarkophage;

 

4. architektonisch gestaltete Sarkophage mit architektonisch gefaßten Einzelszenen in einer Zone (Säulensarkophage);

 

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5. architektonisch gestaltete Sarkophage mit architektonisch umrahmten Einzelszenen in zwei Zonen übereinander (Säulensarkophage) ;

 

6. architektonisch gestaltete Sarkophage mit Nischen, in denen sich Einzelfiguren befinden. Eine Abwandlung dieser Art bilden die sog. Baumsarkophage, bei denen Bäume mit ihren Blätterkronen die Säulen ersetzen.

 

Das wären die wichtigsten Sarkophagformen, neben denen es noch verschiedene Abwandlungen und Mischformen gibt.

 

Die tiefe Wandlung liegt in dem Übergang von einer kastenartigen, architektonisch ungeformten Sarkophagform zu einer immer klarer gestalteten, architektonisch bestimmten. Hier gibt es unzählige Übergangsformen. Diese Wandlung hängt auch mit einem veränderten Verhältnis zur antiken Plastik zusammen.

 

Während die kastenartigen, architektonisch ungeformten Sarkophage sich an die spätantike Plastik anlehnen und diese in der Auflösung der plastischen Werte übertreffen, treten in den architektonisch durchgeformten Sarkophagen mittelrömische Tendenzen in Erscheinung, so z. B. in der architektonischen Struktur des Sarkophages der Villa Borghese in Rom. Aber nicht nur die äußere Grundform der Sarkophage verändert sich, sondern auch die Reliefbehandlung. Bevor man jedoch verschiedene Phasen des Reliefstiles unterscheidet, muß die Frage der Entstehung der ältesten altchristlichen Sarkophage geklärt werden.

 

 

1. Die ältesten altchristlichen Sarkophage

 

Zu den ältesten altchristlichen Sarkophagen gehören die Sarkophage aus der Via Salaria in Rom, La Gayolle in Brignoles, der Kindersarkophag aus Ravenna und der aus Santa Maria Antiqua in Rom. Sie werden um die erste oder in die zweite Hälfte des 3. Jh., etwa zwischen 250 und 280, gesetzt (Gerke).

 

Wenn man jedoch alle vier Sarkophage miteinander vergleicht, dann fallen erhebliche Unterschiede sowohl stilistischer als inhaltlicher Art auf. Während die Sarkophage in der Via Salaria und in Gayolle stilistisch und inhaltlich miteinander verwandt sind, stehen sich die Sarkophage in Ravenna und Santa Maria Antiqua zwar stilistisch nahe, thematisch jedoch können Abweichungen festgestellt werden.

 

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Inhaltlich fällt der Sarkophag von Santa Maria Antiqua aus dieser Gruppe ganz heraus.

 

Alle Sarkophage setzen die Tradition des antiken Philosophen- oder Autorensarkophages, wie er uns etwa in dem Philosophensarkophag der Villa Torlonia in Rom aus dem Jahre 250 entgegentritt, fort (Abb. 6). Am nächsten steht dem antiken Philosophensarkophag der aus der Via Salaria (Abb. 7). Nicht nur die Widderprotomen, sondern auch die geschlossene Figurenkomposition mit den an den Enden sitzenden Figuren erinnern auffallend an antike Sarkophage, die man am ehesten in die erste Flälfte des 3. Jh. ansetzen würde. Die Kopf- und Gewandbehandlung würde man vor 250, der Zeit der Entstehung des Torloniasarkophages, setzen. Die Behandlung der Köpfe, die fein plissierten Gewandfalten, entbehren noch der durch Licht und Schatten auflösenden Tendenz, die um die Mitte des Jahrhunderts sich bemerkbar macht. Auch das Motiv des lesenden Mannes links und der sitzenden Frau rechts, mit einer Rolle in der Hand, ist von antiken Philosophenoder Autorensarkophagen (Torlonia, sog. Sarkophag des Plotin, Rom, Lateran) entlehnt worden.

 

Was jedoch zu denken gibt, ist die Verbindung dieses ausgesprochen antiken Charakters des Sarkophages mit christlichen Darstellungen des Guten Hirten und der Orantin, welche die Mitte des Sarkophages einnehmen. Man fragt sich, ob christliche Darstellungen inmitten eines durchaus heidnisch konzipierten Sarkophages nicht einen Widerspruch bilden. Um diese Zweifel zu widerlegen, müßte nachgewiesen werden, daß der Gute Hirte eine ausschließlich christliche Darstellung bildet und weiter, daß die neben ihm stehende, aber später ergänzte Figur (Hände) wirklich eine Orantin ist. Sicher ist, daß sie hier nicht in der später üblichen christlichen Orantenform mit nach oben emporgehobenen Händen dargestellt wurde, sondern als hinweisende und durch Gesten zwischen den einzelnen Figurengruppen verbindende Gestalt.

 

Was den Guten Hirten anbelangt, so tritt er in der antiken Plastik ebenfalls in Zusammenhang mit einer bukolischen Landschaft mit Schafen in den Endymionsarkophagen auf und könnte ähnlich wie die Darstellung von Amor und Psyche in den antiken Prometheussarkophagen oder in der Jahreszeitensymbolik der antiken Sarkophage, die damals tief verbreitete Sehnsucht nach jenseitigen »elysischen« Vorstellungen der antiken Kunst zum Ausdruck gebracht haben.

 

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Wir wissen, daß er dann von der christlichen Kunst übernommen und mit einem neuen Inhalt in Verbindung gebracht wurde. Die Entscheidung ist in solchen Fällen schwer zu treffen, aber die in die erste Hälfte des 3. Jh. fallende Entstehungszeit unseres Sarkophages, die durch stilistische Gründe unterstützt wird, mahnt zur Vorsicht.

 

Anders allerdings ist der Figurenstil des Sarkophages in Gayalle. Auch er gehört dem Typus der antiken Philosophensarkophage an, aber gegenüber der Feinheit des Stiles in dem Sarkophag aus der Via Salaria ist hier die Behandlung der Gewandung, der Hände gröber; die viel stärkere Licht- und Schattenmodellierung, ferner die frontale Stellung der Figuren und die typische Handhaltung der Orantenfigur sprechen eher für einen christlichen Ursprung dieses Sarkophages, der stilistisch in die Zeit des ausgehenden 3. Jh. passen würde.

 

Die beiden anderen Sarkophage, d. h. der Kindersarkophag aus Ravenna und der Sarkophag aus Santa Maria Antiqua in Rom, stehen sich stilistisch am nächsten. Die Lichtund Schattenmodellierung ist gegenüber den beiden ersten Sarkophagen weitaus gereifter, in dieser Hinsicht ist der ravennatische Sarkophag noch entwickelter als der von Santa Maria Antiqua. Thematisch dagegen steht der Sarkophag von Ravenna den antiken näher als dem von Santa Maria Antiqua. Die ganze Autorendarstellung, der sitzende lesende Mann mit der ihm gegenüberstehenden Muse, dann die zwei daneben stehenden Figuren, links ein Mann mit einer Rolle und eine mit einer Hand akklamierende weibliche Figur, muten recht antik an. Nur der Gute Hirte gehört zum christlichen Darstellungsrepertoire, bzw. er wurde aus der antiken Kunst übernommen. Es fehlt auch nicht an Stimmen, die diesen Sarkophag als antik-heidnisch bezeichnet haben (Weigand).

 

Sicher christlich ist dagegen der Sarkophag aus Santa Maria Antiqua (Abb, 8). Von den antiken Philosophensarkophagen ist nur noch der lesende Mann in der Mitte entlehnt worden. Er sitzt nun zwischen der Orantin und dem Guten Hirten. Ganz eindeutig christliches Gepräge aber haben die beiden Szenen rechts und links von der Mitte. Rechts ist eine Darstellung der Taufe Christi, links die Jonasszene dargestellt (in drei Phasen). Zum ersten Male also ist hier im Typus des christlichen Philosophensarkophages das Alte und Neue Testament (typologisch) in Gegenüberstellung dargestellt.

 

Auch in diesen beiden Darstellungen sind Entlehnungen aus der antiken Plastik feststellbar.

 

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Der liegende Jonas ist antiken Endymionsarkophagen, Johannes der Täufer antiken Philosophengestalten verpflichtet. Aber wie gesagt, von den christlichen Philosophensarkophagen ist der aus Santa Maria Antiqua am eindeutigsten christlich. Die Gegenüberstellung der Szenen aus dem Alten und Neuen Testament und der Stil der Figuren (Köpfe, Gewandung) erinnern an den Hippolytsarkophag in Spalato, so daß wir ihn um oder knapp nach 300 datieren können.

 

Aus dieser Zusammenstellung ist zu entnehmen, daß die christlichen Philosophensarkophage nicht bis in die erste Hälfte des 3. Jahrhunderts zurückreichen, sondern viel später angesetzt werden müssen.

 

 

2. Die altchristliche Sarkophagplastik im 4. Jahrhundert

 

Die Wandlung der altchristlichen Sarkophagplastik im 4. Jh. vollzieht sich in drei Etappen. Ein impressionistischer Reliefstil wird von einer aufgelösten, die Fläche in Licht und Schatten zerlegenden Behandlung des Reliefs abgelöst. Die letzte Phase bildet die antikisierende Tendenz des sog. »schönen Stils«.

 

Ein Hirtensarkophag des Lateranischen Museums (Nr. 150) vertritt am besten die vorkonstantinische impressionistische Phase, mit der weichen Reliefbehandlung, den sanften Übergängen von Licht und Schatten und mit einer einheitlichen Raumgestaltung neben einem stafteiartigen Übereinander von Figuren (Abb. 9).

 

Die auflösenden Tendenzen des 4. Jh. werden durch mehrere Sarkophage vertreten. Die Einheit des Raumes wird in dem Jonassarkophag des Lateranischen Museums (Nr. 119) durch die Zweizonigkeit des Sarkophages aufgelöst. Nur auf der rechten Seite ist die Landschaft nicht zerschnitten worden. Die abrupte Aneinanderreihung von biblischen Szenen im oberen Fries oder gar die Einstreuung von alttestamentlichen Darstellungen ohne jeden Zusammenhang mit der Landschaft (Arche Noahs rechts) beweisen, daß die Einheit des Raumes der »impressionistischen« Phase zu zerbröckeln beginnt. Hier stehen wir am Anfang der Entstehung der konstantinischen Friessarkophage.

 

Die durch Licht und Schatten auflösende Behandlung der Relieffläche, die mit der Decennalienbasis am Forum in Rom um 303/4 beginnt und sich im Triumphbogen Konstantins fortsetzt, findet ihren Niederschlag in dem geriefelten Hirtensarkophag des Konservator enpalastes.

 

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Beide auf lösenden Tendenzen treten in einer geschlossenen Gruppe konstantinischer ein- oder zweizoniger Friessarkophage in Erscheinung. An Stelle der Raumeinheit treten dichtgedrängte Figurenszenen ganz abrupt nebeneinander auf. Der Hauptakzent liegt nun auf den Vorgängen aus dem Alten und Neuen Testament. Es ist daher kaum anzunehmen, daß das zweizonige polychrome Sarkophagfragment des Thermenmuseums um 270-280 entstanden ist und als Prototyp der konstantinischen Friessarkophage bezeichnet werden kann (Gerke). Es macht vielmehr den Eindruck eines plumpen provinziellen Nachzüglers aus dem 4. Jh.

 

Den Ausgangspunkt des Figurenstils der frühkonstantinischen Sarkophage bildet die flächig-optische Auflösung der Reliefoberfläche, die wir an dem geriefelten Hirtensarkophag des Konservatorenpalastes beobachtet haben, tiefe schattige Furchen bilden die Gewandfalten. Die Figuren verlieren ihre plastische Modellierung und wirken flächig, wie z. B. im Sarkophag des Valerius und der Adelphia aus Syrakus. Die Umrisse der Figuren wirken massig, oft plump, die Bewegungen eckig, die Standmotive labil. Es tritt auch eine »sinnvolle Disproportionierung« der menschlichen Körperglieder auf. So sind die Hände, welche bedeutende Handlungen vollziehen, betont übergroß gestaltet. Die psychische Verbindung der Figuren untereinander ist auffallend lebendig (Abb. 11).

 

Einen Übergang zu den nachkonstantinischen Sarkophagen bildet der lateranische Sarkophag Nr. 135 (Fig. 13). Zwar ist die durch optische Furchen zergliederte Gewandbehandlung noch konstantinisch, aber immerhin schmiegen sich die Falten bereits enger an den Körper (Christusfigur), die Figuren haben ihre Massigkeit und klobige Plumpheit eingebüßt und sind viel schlanker geworden. Labil sind noch die Stellungen der Figuren. Der jugendliche Kopf Christi verrät bereits eine Neigung, den künftigen »schönen Stil« vorwegzunehmen.

 

Die letzte Phase schließlich gehört der nachkonstantinischen Periode an. Sie kann als antikisierend bezeichnet werden, d. h. sowohl reliefmäßig als auch stilmäßig. Reliefmäßig bedeutet diese neue Phase eine Lösung der menschlichen Figur von ihrer flächigen Gebundenheit. Die Figur befreit sich vom Reliefhintergrund und steht wie frei, raumumflossen vor ihm.

 

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Sie ist nun viel souveräner in ihren Bewegungen und wird auch in Seitenansichten oder gar als Rückenfigur gezeigt.

 

Besonders auffallend ist diese Wandlung des Figurenstils an dem frühen Beispiel dieser Gruppe, dem lateranischen Sarkophag Nr. 55, dem sog. Zweibrüdersarkophag, der aus der Paulsbasilika stammt. Auch die konstantinische Faltengebung ist teilweise zurückgegangen, das Gewand steigert die plastische Wirkung der Figuren, obwohl die optischen, schattenbildenden Furchen noch nicht ganz auf gegeben sind. Wie stark räumlich die einzelnen Szenen wirken, beweist die Pilatusszene rechts oder das Doppelporträt der Verstorbenen. Es genügt ein vergleichender Blick auf das Porträt des Adelphiasarkophages, um die freiplastische Herausmodellierung, im Gegensatz zu einem ängstlichen Sichanschmiegen an die Fläche, am lateranischen Sarkophag festzustellen.

 

Ihren Höhepunkt erreicht diese antikisierende, nachkonstantinische Richtung in den beiden Prachtsarkophagen, dem Passionssarkophag des Konsuls Junius Bassus, aus dem Jahre 359, in den Vatikanischen Grotten und in dem lateranischen Sarkophag Nr. 174, der diese nachkonstantinische Phase abschließt. Die beiden Passionssarkophage bilden ein Glied in der Reihe von achtzehn römischen und gallorömischen Passionssarkophagen und stehen ungefähr am Ende dieser Entwicklung.

 

Ein früher Passionssarkophag (Lateran Nr. 171) bildet insoweit einen Vorgänger, als er eine architektonisch durchgebildete Form aufweist (Säulen, auf denen Giebel und gerades Gebälk aufruhen) und eine Verselbständigung der Figuren vom Reliefhintergrund vorbereitet. Verschieden dagegen ist die klobige, spröde, unschmiegsame Gewandbehandlung. Verschieden ist auch die thematische Lösung. Die Mitte bildet das konstantinische Labarum mit darunter kauernden Soldaten als Symbol der Auferstehung, während in unseren Sarkophagen die Majestas-Domini-Darstellung das Thematische beherrscht. Diese Merkmale würden dafür sprechen, daß der Sarkophag in der spätkonstantinischen Zeit entstanden ist.

 

In dem Sarkophag des Konsuls Junius Bassus besitzen wir einen Prachtsarkophag, der sowohl durch seinen architektonischen Aufbau als auch durch den Figurenstil zu den hervorragenden stadtrömischen Sarkophagen gehört (Abb. 10).

 


 

Farbtafel IV Ravenna. Baptisterium der Orthodoxen (Neonhaptisterium, unter Bischof Neon — 440-458 — erbaut). Kuppelmosaik. Mitte: Taufe Christi. Ringsum: die zwölf Apostel

 

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Was sich im Zweibrüdersarkophag aus der Paulsbasilika ansagte, hat hier seinen Höhepunkt erreicht: die volle, vom Hintergrund ganz losgelöste, freie Figurengestaltung bedeutet einen Bruch mit der konstantinischen Tradition. Die Figuren sind vollrund, plastisch dreidimensional, in Raumschichten sich überschneidend dargestellt. Die räumliche Wirkung wird noch dadurch gesteigert, daß die Einzelszenen klar durch die Architektur voneinander geschieden werden.

 

Es herrscht nicht mehr das unübersichtliche Durcheinander wie in den konstantinischen Sarkophagen. Ferner bilden die Figuren für sich geschlossene Gruppen. Neu ist auch die Gewandbehandlung. Hier ist der antike, mittelrömische Einfluß besonders stark, das Gewand ist keine nebensächliche Zugabe zur Figur, sondern gibt die Bewegungen und Funktionen des Körpers wieder. Es sind wiederum antike Gewandfiguren, die hier in Erscheinung treten, alles bloß Summarische, Massige, Plumpe ist überwunden worden.

 

Hier kann man, mit Sybel, tatsächlich von einer »christlichen Antike« sprechen. Ebenso souverän sind die Bewegungen, die Sitzmotive (Pilatus, Christus), der nackte menschliche Körper (Adam und Eva) wiedergegeben worden. Spätantik und konstantinisch sind die optische Auflösung der Architektur (unten noch stärker wie oben) und die schattenspendenden Raumvertiefungen, hauptsächlich in den unteren, nischenartigen Architekturzonen.

 

Als Neuerung muß auch die Behandlung der Köpfe bezeichnet werden. Gegenüber den vorhergehenden Sarkophagen bedeuten die Köpfe eine unendliche Verfeinerung. Diese beruht nicht nur in der charaktermäßigen Differenzierung und sorgfältigen Durchbildung der Einzelform, sondern auch in der Vertiefung des Seelischen. Alles Brutale, Unmenschliche ist aus diesem Passionssarkophag verdrängt worden. An der Passion, die nicht als solche geschildert wird, es wird nur die Vorbereitung zur Passion (Abführung zur Richtstätte) dargestellt, sind alle Figuren seelisch beteiligt, sogar die Soldaten und die Schergen (Paulus-Petrus-Abführung) sind davon nicht ausgenommen.

 

Es ist nicht die Brutalität oder Teilnahmslosigkeit, wie bei den mittelalterlichen Passionssarkophagen, sondern die »compassio«, die seelische Teilnahme an der Passion, die hier wiedergegeben wird, so als ob die Soldaten oder Schergen volles Mitleid an dem Schicksal der künftigen Märtyrer zur Schau tragen würden.

 

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Meisterhaft wird die unerschrockene, würdevolle Haltung Petri oder das etwas melancholische Sichergeben in das Schicksal bei Paulus wiedergegeben. Direkt lyrisch zu nennen ist der Gesichtsausdruck Christi in der Szene der Abführung. Es ist kein Sichaufbäumen, sondern eine resignierte Ergebenheit in das Schicksal. Es ist auch auffallend, daß die Handlung als solche auf ein Mindestmaß eingeschränkt wird (Abraham beim Opfer Isaaks, Pilatusszene, Hiobszene, Gefangennahme Christi, Petri); etwas lebendiger ist die Bewegung in der Darstellung der Abführung Pauli, aber im Vergleich mit mittelalterlichen Passionsszenen ist auch diese Begebenheit ohne jede bewegte Drastik wiedergegeben worden.

 

Im allgemeinen herrscht eine geistige Note, die als milde seelische Aura, als ein sanftes, beinahe an Lyrismus grenzendes, passives Hinnehmen des Schicksals bezeichnet werden kann. Durch eine besondere Verfeinerung zeichnet sich der Kopf Christi aus. Mit seinen Locken, den regelmäßigen Zügen, dem kleinen Mund hat er etwas Apollonisches an sich. Er ist in allen Szenen jugendlich dargestellt worden, sowohl in der Szene der Gesetzesübergabe als im Einzug nach Jerusalem oder der Gefangennahme. Dieser Typus des schönen Christus ist von den klassischen Apollodarstellungen angeregt worden. Neu allerdings ist der vertiefte seelische Ausdruck, so als ob man bei der Darstellung Christi die körperlichen und seelischen Eigenschaften in verfeinertster Weise als Beweis der jugendlichen UnVergänglichkeit — der ewigen Jugend — darstellen wollte.

 

Der römische Passionssarkophag (Lateran, Nr. 174) gehört zwar ebenfalls dem schönen Stil der römischen Stadtsarkophage an, aber es ist sicher nicht dieselbe Werkstätte, die uns im JuniusBassus-Sarkophag entgegengetreten ist (Abb. 15). Die Figuren sind nicht mehr so frei vom Grunde losgelöst wie im Junius-BassusSarkophag, eher ist eine Gedrängtheit der Figuren zwischen den einzelnen Interkolumnien feststellbar. Dagegen sind das Relief, die Faltenbehandlung, die Standmotive, die Körperwiedergabe noch um einen Schritt antikisierender wie beim Junius-Bassus-Sarkophag;

 

Hier hat die »christliche Antike« in der Sarkophagplastik ihren Höhepunkt erreicht. Zurückgegangen ist auch der Lyrismus im Gesichtsausdruck. Christus ist beide Male selbstbewußter, herrenmäßiger dargestellt worden. Klarer und gestraffter ist auch die ganze Komposition, die durch die Gesetzesübergabe bzw.

 

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Majestasdarstellung besonders betont erscheint und die zukünftige Entwicklung vorweggenommen hat. Diese neuen Tendenzen sprechen dafür, daß bei unserem Sarkophag eine spätere Ansetzung, also nach dem Junius-Bassus-Sarkophag, angenommen werden muß.

 

Die Veränderungen innerhalb dieser nachkonstantinischen Sarkophage — vor allem die besondere Bedeutung der Gesetzesübergabe bzw. der Majestas-Domini-Darstellung — beweisen, daß sie nun mit der altchristlichen monumentalen Mosaikmalerei Hand in Hand gehen und die zukünftige Entwicklung vorbereiten. Die ravennatische Sarkophagplastik knüpft hier direkt an.

 

Eine Gruppe für sich bilden die gegen Ende des 4. Jh. entstandenen Stadttorsarkophage. Wir können hier zwei verschiedene Darstellungsarten unterscheiden: Stadttorsarkophage mit in der Mitte stehendem Christus und stehenden Aposteln und mit in der Mitte sitzendem Christus mit sitzenden Aposteln. Auf dem Mailänder Sarkophag von Sant’ Ambrogio sind beide Darstellungen an den Breitseiten angebracht (Abb. 12).

 

Die mit Zinnen geschmückten Stadttore des Mailänder Sarkophags beziehen sich auf das himmlische Jerusalem. Die Mitte bildet Christus, erhöht, in einer Nische auf dem mystischen Evangelienhügel stehend. Dargestellt ist die Gesetzesübergabe, der bärtige Christus als Auferstandener. Die Apostel stehen, auf die Mitte bezogen, vor den Toren. Die Gewandung ist, wie in den Sarkophagen des schönen Stils, plastisch durchgebildet, als etwas Neues aber und in die Zukunft Weisendes tritt uns eine geschlossene,, massige Kompaktheit der Einzelfigur entgegen. Zum erstenmal in der Sarkophagplastik begegnet uns hier ein Lämmerfries. Es ist nicht ausgeschlossen, daß bereits Einwirkungen der monumentalen Malerei festgestellt werden können.

 

An der Rückseite des Sarkophages ist der thronende bartlose Christus zwischen sitzenden Aposteln dargestellt, so daß wir es also mit einer repräsentativen Darstellung zu tun haben. Allerdings fehlen die üblichen Attribute der Herrschaft, wie wir sie in den Passionssarkophagen gesehen haben, dafür aber dehnt sich die Repräsentation über die ganze Breitseite aus.

 

Entscheidend ist, daß Christus nun im Mittelpunkt der Darstellung steht. Die Darstellungen verwandeln sich aus christologischen in christozentrische. Wie stark das Repräsentative den Erzählungsstil der konstantinischen Sarkophage verdrängt, beweisen die Darstellungen der Seitenwände (Abb. 14).

 

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Rechts ist die Opferung Isaaks dargestellt und eine nicht näher erklärbare Szene, die Giebel sind mit christlichen Siegesemblemen geschmückt. Links finden wir die Himmelfahrt Elias, die sich vor einer Stadttorarchitektur abspielt, und ganz abrupt, ohne jeden Zusammenhang, eingestreut Noah in der Arche, die Gesetzesübergabe an Moses und unter der Quadriga des Elias eine winzig kleine Darstellung von Adam und Eva. Es ist hier besonders auffallend, wie diese ganz unzusammenhängend dargestellten Szenen als reine »Gedankenbilder« aufgefaßt werden und damit die aufs Abstrakt-Gedankliche eingestellte mittelalterliche Kunst vorbereiten. Im Giebel gelangt die Geburt Christi in heraldischer Gegenüberstellung, wiederum in verkürzter Bildersprache, zur Darstellung.

 

Der Deckel des Sarkophages ist mit einem Medaillon (Clipeus) mit dem Porträt des Verstorbenen — rechts davon die Anbetung der Magier, links die drei Jünglinge vor Nebukadnezar — geschmückt.

 

Eine annähernde Datierung dieser Stadttorsarkophage kann durch den Sarkophag des praefectus praetorio Flavius Gorgonius aus Ancona, der nach 384 entstanden sein dürfte, bestimmt werden.

 

 

3. Die Wandlung der Darstellungsinhalte

 

Die frühesten altchristlichen Philosophenund Autorensarkophage gehen auf die antiken Philosophensarkophage zurück. Der lesende Mann wird übernommen, die inspirierende Muse wird durch die Orantin ersetzt. Es ist aber fraglich, ob der lesende Mann nun als der »christliche Philosoph« bezeichnet werden soll. Das ist jedenfalls eine Interpretierung, die des Beweises ermangelt. Nachdem in diesen ältesten christlichen Sarkophagen kein Porträt des Verstorbenen angebracht wurde, könnte man in den Darstellungen des sitzenden Mannes vielleicht eher, nach der Analogie der antiken Sarkophage (Plotinsarkophag), den Verstorbenen sehen. Den christlichen Inhalt bilden der Gute Hirte und die Orans, die nun den Verstorbenen umgeben und die christlichen Rettungssymbole darstellen.

 

Ebenso eng berühren sich spätantike und altchristliche Kunst in den Darstellungen von Jenseitsvorstellungen. Auch die spätantike Kunst hat bereits eine reiche sepulkrale Kunst mit Jenseitsvorstellungen in antikem Geiste abgebildet, und an diese Darstellungen knüpft die altchristliche Kunst an.

 

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Bukolische Szenen erhalten in der spätantiken Kunst den Charakter von »elysischen Gefilden«, in die die anima übertragen wird, die Vergänglichkeit des irdischen Lebens wird durch Jahreszeiteneroten, Genien oder mythologische Darstellungen von Amor und Psyche, Tod und Geburt symbolisch in den Prometheussarkophagen (der eindrucksvollste im Kapitolinischen Museum) dargestellt. Unzählige antike Sarkophaginschriften sprechen vom jenseitigen oder vom ewigen Leben oder von einer Wiederbegegnung in diesem jenseitigen Leben.

 

Hier konnte die altchristliche Kunst anknüpfen. Das Mythologisch-Antike wird abgestreift, und die auf das Jenseits bezogenen antiken Szenen werden christlich umgewandelt.

 

Entscheidend im Gegensatz zu den antiken Sarkophagen ist die Tatsache, daß nun die altchristlichen Darstellungen einen Rettungscharakter erhalten. Bukolische antike Darstellungen verwandeln sich in Paradiesszenen, wo der Gute Hirte und die Orantin eine entscheidende Rolle spielen. (Sarkophag aus dem Lateranischen Museum, Nr. 150, Rom, Villa Medici, San Callisto.) Sie übernehmen die Rollen von Personifikationen der Rettung aus der Not, d. h. nach dem Tode: Der Gute Hirte, der die Lämmer in eine paradiesische Landschaft rettet und beschützt, die Orantin, die mit erhobenen Händen für das Seelenheil der Verstorbenen betet. Wir besitzen Paradieslandschaften mit dem Guten Hirten (Villa Doria-Pamphili) oder der Orantin als Mittelpunkt der Darstellung (Villa Medici).

 

Eine ausgesprochene Rettungssymbolik, gepaart mit paradiesischen Landschaften, ist für die frühesten altchristlichen Sarkophage charakteristisch: es ist die Rettung aus der Todesnot verbunden mit paradiesischen Jenseits Vorstellungen, die als bukolische Szenen aus der Spätantike entlehnt werden. Auffallend ist, daß diese Jenseitsvorstellungen und ihre Symbolik noch ganz allgemein gehalten werden, ohne eine direkte Beziehung zu konkreten christlichen Darstellungsinhalten. Gerade dieser allgemeine Charakter erschwert oft die Unterscheidung, ob wir es mit einer christlichen oder antiken Darstellung zu tun haben.

 

Die allgemeine Fassung der bukolisch wiedergegebenen Paradiesesvorstellung der frühen christlichen Sarkophage ist noch nicht christologisch, d. h. auf Christus bezogen. In dieser Hinsicht sind diese Sarkophage noch ganz neutral, sie begnügen sich mit der Darstellung der die Rettung personifizierenden Figuren (Guter Hirte, Orantin).

 

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Dies kann man sich vielleicht so erklären, daß man zuerst an die bereits vorhandenen, antiken, dem Christentum nahestehenden Darstellungen anknüpfte und erst langsam die neuen, rein christlichen Darstellungen verarbeitet hat. Man muß bedenken, daß wir es mit einer ausgesprochenen Grabeskunst zu tun haben, bei der Jenseitsvorstellungen eine besondere Rolle spielten. Es ist auch verständlich, daß die antiken Darstellungen entmythologisiert werden mußten und daß man in erster Linie auf die allgemeinen, also letzten Endes »neutralen« Darstellungen aus der Antike zurückgegriffen hat.

 

Wie langsam sich die christologischen Darstellungen durchsetzten, beweist der Sarkophag aus Santa Maria Antiqua. Neben dem lesenden Mann stehen die Orantin und der Gute Hirte. Rechts und links davon befinden sich die Jonasszene und die Taufe Christi. Es ist nicht nur das Überwiegen der allgemeinen Rettungssymbole, sondern die an Christus vorgenommene Taufe, die ins Gewicht fällt. Es stehen zwar der Taufe, als mystisch-christlichem Lebensanfang, die Rettungssymbole nach dem Tode gegenüber, aber ein »aktives« Eingreifen Christi ist noch nicht vorhanden (Abb. 8).

 

Zuletzt ist die Schilderung der Begebenheiten für diese frühe Phase des altchristlichen Sarkophags bezeichnend. Die einzelnen Szenen sind ganz abrupt nebeneinandergereiht, die Vorgänge aufs äußerste in der Erzählung beschränkt. Es ist eine abstrakte Tendenz, die sich darin spiegelt, daß das natürliche Ambiente, das natürliche Geschehen auf ein Minimum reduziert erscheinen. Die Darstellung spricht nun nicht mehr nur die Sinne des Menschen an, sondern die Gedanken. Der Inhalt wird von seiner »sinnlichen Haut«, wenn man sich so ausdrücken darf, freigemacht und appelliert als solcher an den Beschauer. Diese Wandlung, die sich in der konstantinischen Zeit noch intensiver auswirkt, bildet später die Grundlage der ganzen altchristlichen und frühmittelalterlichen Kunst.

 

In den konstantinischen, spät- und nachkonstantinischen Sarkophagen nehmen die allgemeinen Jenseitsdarstellungen und Rettungssymbole (Guter Hirte, Orantin) ab, und der christologische Inhalt tritt in den Vordergrund. Die allgemeine Rettungssymbolik verwandelt sich in rein christologische Erlösungsdarstellungen. In den konstantinischen Sarkophagen tritt nun Christus als Erlöser und Wundertäter in den Mittelpunkt (Lateran, Sarkophag Nr. 135, Adelphia aus Syrakus, Sarkophag aus Arles, Arkadensarkophag aus Leyden, Baumsarkophag aus Arles; vgl. Abb. 11 und 13).

 

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Obwohl auch in diesen Sarkophagen der Gute Hirte und die Orans dargestellt werden, so bilden nun die Wunderszenen Christi das Hauptthema (die häufigsten Szenen sind: Kanaawunder, Blindenheilung, Ansage der Verleugnung, Heilung des Gichtbrüchigen, Hämorrhoissa, Erweckung des Sohnes der Witwe, Einzug in Jerusalem). Neben diesen Wunderszenen Christi werden auch einzelne Wunder- oder Rettungsszenen aus dem Alten Testament dargestellt (Vertreibung aus dem Paradies, Quellwunder Mosis, Abrahams Opfer, Daniel in der Löwengrube, die Jünglinge vor Nebukadnezar usw.).

 

In der frühen nachkonstantinischen Zeit gibt es bereits Sarkophage, auf denen Christus die Mitte einnimmt (Lateran, Nr. 135) und die den Übergang zu einer Reihe von Sarkophagen bilden, wo entweder der ganze Sarkophag von dem segnenden Christus zwischen Aposteln eingenommen wird oder von dem thronenden Christus, aus dem sich dann die Majestasdarstellung herauskristallisiert.

 

Eine Gruppe für sich bilden die Passionssarkophage. Auch sie gehen auf die konstantinische Zeit zurück. Sie bilden den Höhepunkt der christologischen Sarkophage, und man kann eine ganze Reihe von verschiedenen Fassungen des Passionssarkophages verfolgen. Am Anfang steht höchstwahrscheinlich ein Christus-PetrusPaulus-Zyklus mit einem Triumphkreuz als Labarum in der Mitte; dann gibt es Christus-Petrusund Christus-Paulus-Zyklen, reine Christus-Zyklen und andere (Campenhausen). In einigen Passionssarkophagen sind neben den Passionsszenen — Christi, Petri und Pauli — auch alttestamentliche Darstellungen vorhanden (wie z. B. Opfer Abrahams, die Darstellung Jobs, Adam und Eva, Daniel in der Löwengrube im Junius-Bassus-Sarkophag, im Lateran, Nr. 174).

 

Die entscheidende Wandlung besteht darin, daß das Triumphkreuz (Lateran, Nr. 171) als Symbol der Auferstehung der frühen Sarkophage der Gesetzesübergabe und zuletzt der Majestasdarstellung weicht (Junius Bass-us, Lateran, Nr. 174).

 

In den Passionssarkophagen mit dem Triumphkreuz, die wahrscheinlich in die frühkonstantinische Zeit zurückgehen, kommt das Siegreiche des Christentums in der konstantinischen Zeit zum Ausdruck.

 

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In der offiziellen Anerkennung der christlichen Kirche durch den antiken Staat ist das Triumphale und Sieghafte enthalten, das nicht nur in dem Triumphkreuz, sondern auch in den Darstellungen des Sarkophages in Erscheinung tritt. Über den beiden äußersten Darstellungen des Lateransarkophags Nr. 171 (Pilatusszene, Kreuztragung durch Simeon von Kyrene) hängt der Lorbeerkranz als Emblem des Sieges. Noch eindringlicher wird die Gewißheit des Sieges in den beiden Passionsszenen rechts und links vom Triumphkreuz betont. Links ist keine Dornenkrönung, die in der Passionsreihe erwartet würde, dargestellt, sondern ein Soldat hält einen Lorbeerkranz über das Haupt Christi. Aber auch Christus ist in stolzer Haltung, als ein Triumphator, dargestellt. In der Abführungsszene ist Christus segnend dargestellt; seiner hohen Mission bewußt, begibt er sich zur Stätte der Kreuzigung. Und zuletzt, alles überragend, ist das Triumphkreuz als höchster Sieg des Gottmenschen über den Tod durch die Auferstehung versinnbildlicht worden.

 

Es ist auffallend, wie in diesem und in den folgenden Passionssarkophagen die eigentliche Passion nicht zur Darstellung gelangt. Es ist doch letzten Endes ein antikes Empfinden, welches darin zum Ausdruck kommt: nicht das Martyrium als solches, sondern die Momente vor dem letzten Akt des Martyriums sollen dargestellt werden; nichts war für den noch antik empfindenden Menschen so schwierig darzustellen als die endgültige Absage an eine heroische Weltauffassung, nichts war so schwierig in der Kunst zu vermitteln als die Tatsache, daß der christliche Erlösungsglaube durch den Kreuzestod, d. h. den Tod, der für den antiken Menschen als der schmählichste galt, besiegelt worden ist.

 

Diese Idee sollte durch das Triumphale kompensiert werden. Es kommt in den früheren Sarkophagen noch stärker zum Ausdruck wie in den späteren, wo die Ergebenheit in das unvermeidliche Schicksal durch einen in der Antike noch kaum gekannten Anflug von Melancholie verbrämt wurde. Und zuletzt noch die Bedeutung der Gesetzesübergabe, die sich bald in eine Majestas Domini verwandelt. In einigen Passionssarkophagen wird Christus stehend auf dem mystischen Evangelienhügel dargestellt, zwischen je vier Aposteln, von denen Petrus die Gesetzesrolle übernimmt, während die anderen Apostel akklamierend oder mit Rollen in der Hand dargestellt wurden (Passionssarkophag in den Grotten von Sankt Peter in Rom und im Museum zu Arles).

 

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Aber für die ganze zukünftige Entwicklung hat sich die Darstellung des thronenden und herrschenden Christus als fruchtbar erwiesen. Er kommt in den späten nachkonstantinischen Sarkophagen immer häufiger vor (Junius Bassus, Lateran, Nr. 174). Die Herrscherattribute bestehen nach der Gesetzesübergabe in dem Herrschen über den antik personifizierten Himmel (coelus). Die Steigerung des Herrschaftsmomentes kommt auch darin zum Ausdruck, daß es sich über immer mehr Felder erstreckt (Lateran). Auch die Haltung Christi verändert sich, sie wird strenger, selbstbewußter, überragender. Auch darin kommen neue Tendenzen des Christentums zum Ausdruck.

 

Es ist das hierarchische Prinzip, das mit der Ausbreitung des Christentums immer stärker in den Vordergrund getreten ist. Auch hier war die staatliche Hierarchie irgendwie vorbildlich, man vergleiche mit dem thronenden Christus unserer Passionssarkophage den frontal thronenden Konstantin in der Largitioszene des konstantinischen Triumphbogens in Rom. Für die zukünftige Entwicklung ist auch die Herrschaft über den personifizierten Himmel (coelus) von Bedeutung. Es ist darin die Vorwegnahme der Idee der kosmisch-universellen Herrschaft Christi vorhanden. Die Idee des Pantokrators (Allherrschers), des Kosmokrators (Weltenherrschers) ist hier bereits enthalten, nur daß sie in den späteren Darstellungen die antike Personifikation des Himmels fallenläßt und den Himmel als ideale Landschaft wiedergibt.

 

Auch die Rettungssymbolik (Guter Hirte, Orante, Amor und Psyche, Jahreszeitensymbole) ist in den Passionssarkophagen gegenüber der Idee der Erlösung durch die Passion zurückgetreten. In dem Junius-Bassus-Sarkophag schmücken Jahreszeitendarstellungen mit Jahreszeiteneroten die beiden Seiten des Sarkophages. Eine Weintraubenernte ist auch an den beiden mittleren Säulen des Sarkophages dargestellt worden. Wenn man damit den sicher früher entstandenen Porphyrsarkophag in Santa Costanza in Rom vergleicht, dann merkt man den Unterschied. In Santa Costanza waren die weinlesenden und kelternden Eroten mit Pfauen und Lämmern das Hauptthema der Darstellung, also die alte, stark an die antike Grabmalkunst erinnernde Symbolik, in dem JuniusBassus-Sarkophag tritt diese alte, noch recht allgemeine und neutrale Grabessymbolik dem christologischen Thema gegenüber ganz in den Hintergrund.

 

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Bei den späteren Sarkophagen, wie etwa dem Lateransarkophag Nr. 174, werden nun auch die Abseiten des Sarkophags mit christologisdien oder inhaltlich entsprechenden, alttestamentlichen Szenen (Ansage der Verleugnung, Quell wunder, Hämorrhoissa) geschmückt. Die antike Vergänglichkeitssymbolik ist ganz zurückgetreten.

 

In den Stadttorsarkophagen des ausgehenden 4. Jh. nehmen die repräsentativen Darstellungen überhand. Der auferstandene Christus oder der thronende Christus wird nun nicht nur von Petrus und Paulus, sondern von einem Apostelkollegium umgeben. Die hierarchische Note, die bereits bei den Passionssarkophagen sich bemerkbar machte, tritt noch stärker in den Vordergrund. Außerdem wird das Triumphale durch die Stadttore, die das himmlische Jerusalem darsteilen und einen monumentalen Hintergrund dieser Darstellungen bilden, besonders stark hervorgehoben.

 

 

4. Oströmische Plastik

 

Für die oströmische Plastik des 4. und 5. Jh. ist bezeichnend, daß sie sich hauptsächlich in den Dienst von Reichsaufgaben stellt. Es sind vor allem Triumphsäulen, kaiserliche Repräsentationsdarstellungen, Kaiserdarstellungen und Statuen hoher Würdenträger, denen die Plastik in erster Linie zu dienen hat. Sarkophage christlichen Inhalts treten im Gegensatz zum Westreich äußerst selten auf. Es scheint, daß auch sie nur für höchste Persönlichkeiten bestimmt waren.

 

Einen Aufschwung der Plastik können wir unter Theodosius d. Großen (379—395) und Arkadius (395—408) feststellen. Zu den hervorragendsten Werken gehören die beiden Triumphsäulen des Theodosius (errichtet 386—394) und des Arkadius (um 402). Leider haben sich die Säulen nicht in ihrem ursprünglichen Zustand erhalten. Aus den Fragmenten der Theodosiussäule, die sich im Antikenmuseum in Istanbul und in Beyazitbad befinden, kann man sich kaum eine Vorstellung von dem Reliefstil machen.

 

Bessere Anhaltspunkte liefern der erhaltene Sockel der Arkadiussäule und eine Reihe von Zeichnungen, welche die ganze Säule wiedergeben (Louvre, Ecole des Beaux-Arts, Trinity-College in Cambridge).

 

Über den Stil der Säule läßt sich wenig sagen, da die erhaltenen Fragmente weitgehendst verwittert sind.

 

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Dagegen kann man sich aus den Pariser und Londoner Zeichnungen eine Vorstellung von dem Inhalt der Darstellungen machen. In ihrer kontinuierlichen epischen Darstellung der »res gestae« lehnt sich die Arkadiussäule engstens an die römischen Triumphsäulen an.

 

Neu dagegen ist die besondere Betonung der repräsentativen Huldigungsszenen am Sockel und die veränderte Stellung des Kaisers in den Kriegsszenen. Auch hier überwiegt das Huldigungsmoment vor dem thronenden Kaiser über die Handlung.

 

Die oströmische Plastik bevorzugt im Gegensatz zu Westrom freistehende Statuenfiguren. Eine Reihe von solchen Kaiserund Beamtenstatuen haben sich in Konstantinopel und Kleinasien (Ephesos, Aphrodisias) erhalten. Zu den schönsten Beispielen gehört die Statue, die sich auf den Kaiser Valentinian II. beziehen soll (Istanbul, Antikenmuseum).

 

Es unterliegt keinem Zweifel, daß diese Bevorzugung der statuarischen Motive auf die stärker fortwirkende antike Tradition im Ostreich zurückzuführen ist, obwohl der Verfall dieser Gattung vom 5. Jh. angefangen offenkundig wird. Im Zusammenhang damit steht auch die Errichtung der sog. Obelisken am Hippodrom in Konstantinopel unter Theodosius (um 390). Auch hier sind zwar Beziehungen zu den erwähnten Statuen aus der theodosianischen Zeit vorhanden, eine genauere stilistische Einordnung ist jedoch wegen des verwitterten Zustandes schwierig.

 

Sehr spärlich sind figürliche Sarkophage. In Konstantinopel hat sich ein Kindersarkophag von Sarigüzel (Antikenmuseum) und ein Fragment eines Sarkophages, das in Konstantinopel (Psamatia) gefunden, später durch das Kaiser-Friedrich-Museum in Berlin erworben wurde, erhalten.

 

Der Kindersarkophag besteht aus je zwei schwebenden Engelsdarstellungen, die ein Christusemblem in der Mitte halten, an den Längsseiten, und je zwei Apostelfiguren, mit einem Kreuz in der Mitte, an den Schmalseiten.

 

Durch die Spärlichkeit von Szenen, Hervorhebung des Huldigungsmoments gegenüber dem christlichen Triumphemblem, durch das klare Verhältnis zwischen Figur und Reliefgrund und durch die sehr feine plastische Durchbildung der Figuren und ihrer eng anliegenden Gewänder ist dieser Sarkophag ausgezeichnet. Es fehlen auch Nischen, ferner eine Verräumlichung durch Architektur, wie sie für römische und ravennatische Sarkophage so bezeichnend sind. Irgendeine Beeinflussung der weströmischen Sarkophagplastik durch die oströmische ist daher kaum anzunehmen.

 

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Fig. 23 Sarkophagfragment aus Psamatia (Konstantinopel). Christus zwischen Aposteln

 

 

Klassizistische Tendenzen treten in den römischen Werkstätten bereits früher auf (Junius Bassus, 359), während der Kindersarkophag um 390 datiert wird (Kollwitz).

 

Der Berliner Sarkophag (Fig. 23) zeigt Christus zwischen zwei Aposteln. Hier tritt uns eine reichere Architektur entgegen.

 

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Christus steht in einer reichen Säulenädikula, deren Kapitelle und Gebälkteile reich durchbrochen und optisch aufgelöst erscheinen. Bezeichnend ist ferner die klare Hervorhebung antiker Standmotive und Gewandbehandlung, also ein klassizistischer Zug. Die antike Haltung ist so stark, daß man, wenn Christus keinen Nimbus trüge, viel eher an eine antike Philosophenfigur denken würde. Auch diese Darstellung unterscheidet sich durch die erwähnten klassizisierenden Stileigenschaften und durch die Architektur, die nicht so sehr eine räumliche Funktion besitzt, als vielmehr die Bedeutung der Figuren hervorzuheben scheint, von den weströmischen Sarkophagen.

 

Der Stil dieses Sarkophages erinnert auffallend an die sog. kleinasiatischen Sidamarasarkophage, und es wäre nicht ausgeschlossen, daß er in Kleinasien um 400 n. Chr. entstanden ist. Gegenüber den weströmischen Sarkophagen vertritt er allerdings eine jüngere Stilstufe.

 

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