Die byzantinische Baukunst in den Balkanländern und ihre Differenzierung unter abendländischen und islamischen Einwirkungen

Wladimir Sas-Zaloziecky

 

V. Walachische und moldauische Architektur und ihre stilgeschichtliche Differenzierung

 

1. Der Einfluß bulgarischer Anlagen in der walachischen Baukunst  76

2. Die byzantinisch-hauptstädtische Architektur in der Walachei (Kreuzkuppelkirche)  78

3. Die serbische Architektur in der Walachei und ihre Differenzierung  82

4. Islamische Dekorationsmotive in der walachischen Architektur des 16. bis 17. Jahrhunderts  85

5. Das Verhältnis der byzantinischen zur gotischen Architektur in der Moldau  91

6. Gestaltung und Vollendung der moldauischen Architektur im 15. und 16. Jahrhundert (Von Stephan dem Großen bis Peter Rareş und Jeremias Movila)  94

 

 

1. Der Einfluß bulgarischer Anlagen in der walachischen Baukunst

 

Die Kunst der Balkanländer ist durch den Zusammenbruch der politischen Selbständigkeit der Balkanstaaten nicht jäh unterbrochen worden, sondern sie wurde au die walachischen und moldauischen Gebiete weitergegeben, wo sie unter günstigen Verhältnissen ihre letzte Blütezeit erlebt hat und in ununterbrochener Entwicklung bis ins 19. Jahrhundert andauerte. Die rumänischen Gebiete bilden daher die letzte Abschlußphase derjenigen Kunstbestrebungen, die wir seit der spätantiken und frühbyzantinischen Periode in den Balkanländern zu verfolgen Gelegenheit hatten. Die ganze Entwicklung zeitigt hier eine Spätfrucht, die mit der politischen Erstarkung der Walachei und der Moldau, also nicht vor der Mitte des 14. Jahrhunderts in Erscheinung tritt.

 

Ähnlich der Moldau hat auch die Walachei im 14. Jahrhundert den Vorstoß der abendländischen mittelalterlichen Kunst wohl als Folgeerscheinung der universalen Expansionsbestrebungen der ungarischen Anjous erfahren. Aber im Gegensatz zur Moldau waren hier die aus Siebenbürgen ausstrahlenden gotischen Einflüsse nur „Randerscheinungen", die weder tiefer ins Landinnere eingedrungen find, noch nachhaltige Spuren in der Geschichte der Kunst hinterlassen haben. In ihren politischen Emanzipationsbestrebungen haben sich die walachischen Fürsten bald an die byzantinisch-orthodoxe Kirche, ihre Kultur und Kunst angelehnt und haben gegenüber der sie bedrohenden lateinisch-abendländischen Ostexpansion aus der byzantinisch-orthodoxen Kultur eine Art von Bollwerk errichtet.

 

Von den gotischen Einflüssen find nur ganz geringe Spuren erhalten, aus denen man kein einheitliches Bild gewinnen kann. Eine dreischiffige Anlage einer Klosterkirche in Câmpulung, die im 19. Jahrhundert gründlich umgebaut worden ist, ein gotischer polygonaler Chor, der einer älteren römischen Anlage in Turn-Severin angefügt worden ist, eine feudale Burg am oberen Lauf der Argeș, die sogenannte Țepeş-Vodă und einige gotische Architekturfragmente des Fürstenschlosses in Curtea de Argeș bilden die spärlichen Enklaven gotischer Einwirkungen.

 

Alle diese stolzen, aber einsamen Zeugen gotischer Kunst in der Walachei sind früh, bereits am Ausgang des 14. Jahrhunderts von der byzantinischen und byzantinisch-balkanischen Kunst verdrängt worden.

 

 

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Ähnlich wie die feudalen Einrichtungen des Abendlandes konnten sie hier keinen festen Fuß fassen.

 

So ist die Walachei stets nach dem Osten orientiert gewesen, und diese „byzantinische Orientierung" hat auch allen Kunsterscheinungen bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts ihr eigentliches Gepräge verliehen.

 

Zu den frühesten, aber gleichzeitig zu den bescheidensten Anlagen gehören die byzantinisch-bulgarischen Kirchen im Süden. Die in Fundamenten erhaltenen Anlagen in Turn-Severin bildeten kleine längsgerichtete Tonnenkirchen mit Apsis und Vorhalle, und in ihnen kann man wohl direkte Ableger der bekannten Kirchenanlagen von Trapezica in Bulgarien erblicken. Sie stimmen mit ihren südlich der Donau gelegenen Schwesterkirchen bis in die bautechnischen Details überein [1]. Man wird wohl kaum fehlgehen, wenn man in diesen wenig differenzierten Bauten die frühesten orthodoxen Kirchenanlagen auf walachischem Boden erblickt. Nur in einem einzigen Beispiel hat sich diese durch Bulgarien beeinflußte Architektur zu einer etwas monumentaleren Gestaltung erhoben, und zwar in der Săn Nicoară-Kirche in Curtea de Argeș, der alten walachischen Fürstenresidenz (Taf. IX, 1). Im Osten endet sie in drei in die Mauer eingelassene Apsiden, das Tonnengewölbe ruhte auf Gurten. Die Vorhalle ist mit einem dreistöckigen hohen Turm gekrönt, der in keinem Verhältnis zur übrigen Bauanlage steht, in reiner Ziegeltechnik errichtet ist, und wahrscheinlich aus einer späteren Zeit stammt. Wichtig ist die Behandlung der Wand, weil darin eine dekorative Wirkung zur Geltung kommt, welche auf den Zusammenhang unserer Anlagen mit dem spätbyzantinischen Architekturkreis hinweist und eine Baugepflogenheit verrät, welche sich in der walachischen Architektur fortpflanzt. Diese dekorative Wirkung beruht auf der Anwendung farbiger Mauerflächen, die abwechselnd aus Haustein und Ziegelschichten mit breiten Mörtelfugen bestehen und oben an der Apsiswand mit Blendarkaden versehen sind. Diese farbige Mauerbehandlung haben wir in einer Reihe ostbulgarischer Kirchenanlagen in Mesembria festgestellt und sie mit der Konstantinopler Architektur in Zusammenhang gebracht. Der einzige Unterschied zu den bulgarischen und Konstantinopler Anlagen beruht darauf, daß die Mauerbehandlung hier weniger sorgfältig gehandhabt wird und statt Quaderoder Marmorsteinen unregelmäßige Hausteine angewendet werden. Dadurch wird der malerisch-farbige Eindruck nur noch gesteigert. Ob wir es hier mit einem direkten Ableger der Konstantinopler oder der ostbulgarischen Architektur zu tun haben, ist schwer zu entscheiden, obwohl die Grundform der Anlage auf Bulgarien hinweist [2]. Die Erbauungszeit der Anlage ist unbekannt, sie dürfte kaum vor der Mitte des 14. Jahrhunderts, vermutlich aber später errichtet worden sein [3].

 

 

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Auf die künftige Entwicklung weist vor allem die Belebung der Apsiswände durch Blendarkaden.

 

Aber bald, bereits im letzten Viertel des 14. Jahrhunderts werden diese einfachen bulgarischen Tonnenkirchen durch eine reich gegliederte, weit entwickeltere Architektur verdrängt, die sich seit dieser Zeit zur herrschenden Bauform in der Walachei erhebt. Zwei Bautypen kommen setzt zur ausschließlichen Geltung, die Konstantinopler Kreuzkuppelkirche und die serbische Trikonchosanlage.

 

Es ist für die kunsthistorische Lage der walachischen Landschaft besonders bezeichnend, daß diese beiden Anlagen die Grundlagen der ganzen walachischen Architektur bilden, im Gegensatz zur Moldau, wo nur die Trikonchosanlage aufkommt und keine Konstantinopler Kreuzkuppelkirche vorhanden ist. Ferner ist das Verhältnis dieser beiden Typen zueinander Bemerkenswert, weil sich darin auch das verschiedene geschichtliche Verhältnis der Walachei zu Byzanz und zu den Balkanländern spiegelt. Die Kreuzkuppelkirche tritt eigentlich nur vereinzelt aus — so als ob man dadurch das etwas lockere Verhältnis zur byzantinischen Hauptstadt betonen wollte —, während der serbische Trikonchos vom Ende des 14. Jahrhunderts bis zum 18. die allgemein herrschende Bauform der walachischen Architektur gebildet hat. An dieser Bauform vollziehen sich alle einschneidenden Stilveränderungen der walachischen Architektur, während die Kreuzkuppelkirche sich weniger empfindlich für Veränderungen zeigt und eigentlich das beharrende Moment in der Entwicklung bildet, so als ob man damit hätte sagen wollen, daß trotz des lockeren Verhältnisses zur byzantinischen Hauptstadt die beharrenden Tendenzen der byzantinischen Kulturgemeinschaft nicht ausgeschaltet werden sollten. Diese bezeichnende Erscheinung tritt um so stärker hervor, als die byzantinischen Anlagen durch ihre Größe und Monumentalität alle anderen überragen und — was noch mehr ins Gewicht fällt — an Fürsten- und Metropolitensitzen errichtet worden sind (Argeș, Târgoviște, Bukarest).

 

 

2. Die byzantinisch-hauptstädtische Architektur in der Walachei (Kreuzkuppelkirche)

 

Das Auftreten der Kreuzkuppelkirche mit Innenstützen, d. h. des klassischen Vertreters der byzantinisch-hauptstädtischen Raumarchitektur bedeutet in allen Ausstrahlungsgebieten der byzantinischen Kunst eine nähere Bindung an die Hauptstadt. In dieser Beziehung bildet die Walachei keine Ausnahme gegenüber den übrigen Balkanländern. Nur ist die Intensität der Durchdringung der ganzen walachischen Architektur durch die hauptstädtische Architektur

 

 

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nicht so stark wie z. B. in Griechenland, Mazedonien und Südserbien. Ursprünglich besaß die Walachei nur fünf Kreuzkuppelkirchen, die vom 14. bis ins 16. Jahrhundert auftreten, und zwar: die Nikolauskirche (Biserică Domnească) in Curtea de Argeș (14. Jahrhundert), die alte Metropole in Târgovişte (1518), die Fürstenkirche in Târgovişte (1583), die Demetriuskirche in Craiova, welche im Jahre 1652 beendet worden ist und die Sarindar in Bukarest, welche aus derselben Zeit stammen dürfte. Die zwei letzten Anlagen haben sich leider nicht erhalten.

 

Die Nikolauskirche in Argeș bedeutet einen endgültigen Bruch mit der kleinräumigen byzantinisch-bulgarischen Provinzarchitektur und bedeutet als reine Verkörperung der hauptstädtischen byzantinischen Baukunst die Absage an die lateinisch-abendländischen Expansionsbestrebungen, und zwar gerade an dem historischen Einfallstor dieser Bestrebungen am oberen Lauf der Arges. Auf dem Gebiete der bildenden Kunst besagt dies, daß in dem Wettstreit zweier Stile, des gotischen und des byzantinischen, der letztere gesiegt und endgültig von der Walachei Besitz ergriffen hat. Daher verkörpert die Nikolauskirche in Argeş, ganz abgesehen von ihrer kunsthistorischen Bedeutung, einen einschneidenden Wendepunkt in der Geschichte der Walachei, und zwar ihre endgültige Bindung an den byzantinischen Kulturkreis [4].

 

Vielleicht läßt sich damit auch die Reinheit des klassisch byzantinischen hauptstädtischen Typus erklären, so als ob man gerade hier an der exponiertesten Stelle die reinste Verkörperung der byzantinischen Bauidee hätte verwirklichen wollen (Taf. IX, 2).

 

Im Innern schließt sich die harmonische Raumgestaltung mit den klar überschaubaren, überall das Gleichgewicht wahrenden und im sphärischen Ausklang der Kuppel gipfelnden Räumen an die Konstantinopler Anlagen an, wie z. B. an die Kilisse-Djami, die Bodrum-Djami oder die Kirche des Pantokratorklosters. Der Anschluß an vormittelbyzantinische Anlagen verrät sich durch die Verwendung von Pfeilern, nicht von Säulen, die erst später als Entlastung der Baumassen in Erscheinung treten. Der Altarraum ist räumlich frei entwickelt, genau so wie in den erwähnten Konstantinopler Kirchen.

 

Von einer beinahe puritanischen Strenge ist die Außengestaltung (Abb. 11). Das Gesetz des strengen Kristallinismus beherrscht die Baumassen. Den Haupteindruck bilden große, ungegliederte Flächen, die nur durch Fenster — ursprünglich ohne plastische Rahmen — unterbrochen werden. Auch die großen abschließenden Tragebogen, die über die Mauern herausragen, werden von den Grundmauern mit Ausnahme der Westfassade weder plastisch noch tektonisch getrennt. Es ist das Gesetz der harmonischen Verteilung der Baumassen, das hier zum Ausdruck kommt.

 

 

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Diese Verteilung der Baumassen wird von innen, von der Raumdisposition diktiert, so daß die Raumverhältnisse nach außen in voller Klarheit zum Ausdruck kommen. Ein ähnlicher harmonischer Ausklang, wie wir ihn im Innern beobachtet haben, kommt im Außenbau zur Geltung. Die großen Abschlußbogen der Seitenfassaden, die mit Blendnischen versehene Kuppel, welche breit und gravitätisch auf dem unteren kubischen Sockel aufruht, erwecken den Eindruck einer harmonisch-abgerundeten Wohlgefälligkeit. Wir finden hier noch keinen gesteigerten Vertikalismus wie z. B. in den gleichzeitigen griechischen oder mazedonischen Bauten. In gleichen, sich nicht überstürzenden Höhenproportionen fallen die Flächen der Hauptkuppel, der sich deutlich abzeichnenden Kreuzarme und der unteren Ecklösungen ab. Flächen, kantige Ecklösungen, einfache Gerade oder schön geschwungene Halbkreise betonen den kompakt geschlossenen Eindruck eines in seiner Einfachheit und Anspruchslosigkeit kernigen Baugestaltungswillens. Schmucklos ist z.B. die große Vorderfassadenwand, die außer dem Eingang nicht einmal durch Fensteröffnungen durchbrochen wurde. Das einzige Belebungsmittel bildet die farbige Behandlung der Mauerwände. In regelmäßigen Abständen wechseln hier Hausteine, Quadersteine, in breiten weißen Mittelschichten eingebettet, und durchgehende Ziegelschichten. Die Regelmäßigkeit nimmt nach oben zu, hier treten Quadersteine häufiger auf. Dieser schichtenartige Aufbau trägt sowohl zur farbigen Belebung der Außenflächen — eine charakteristische Eigenschaft der Palaiologenarchitektur — als auch zu einer horizontal betonten, ruhigen Breitlagerung der ganzen Anlage bei.

 

Die Entstehungszeit der Nikolauskirche ist heiß umstritten. Nach der Aufdeckung einiger slawischer Inschriften bei den letzten Restaurierungsarbeiten wurde der Versuch unternommen, die Anlage in die Jahre 1238 bis 1240, ihre Ausschmückung in die Jahre 1262—1272 zu verlegen [5]. Als Hauptargumente werden paläographische Kriterien der Inschriften, der angeblich im 14. Jahrhundert nicht vorkommende Titel der ugro-walachischen Fürsten von Vidin und der Stil der Fresken, welcher starke italienische Einflüsse aufweist, angeführt. Dagegen läßt sich sagen, daß die Inschriften nicht restlos entziffert werden können und daß der italienische Einfluß in den Fresken und ihre stilistische Abhängigkeit von den Mosaiken der Kachrije-Djami in Konstantinopel für ihre Entstehung im 14. Jahrhundert sprechen. Daher wird man nicht fehlgehen, wenn man die Entstehung der Nikolauskirche in Argeș in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts verlegt und zur älteren Auffassung der rumänischen Geschichtsforschung zurückkehrt.

 

 

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Der klassische Typus der Byzantinischen Kreuzkuppelkirche tritt im 16. Jahrhundert in zwei wichtigen Bauanlagen in der neuen Fürstenresidenz Târgovişte wieder in Erscheinung, und zwar in der alten Metropole, welche im Jahre 1518 vom Fürsten Neagoe Basarab gegründet, und in der Fürstenkirche daselbst, welche 1589 vom Fürsten Peter Cercel errichtet wurde.

 

Die alte Metropole wurde leider am Ende des 19. Jahrhunderts abgetragen, so daß wir sie nur aus Abbildungen kennen. Im allgemeinen schließt sie sich in der Grundgestaltung der Nikolauskirche in Argeș an, nur mit dem Unterschied, daß sie die Idee der hauptstädtischen Kreuzkuppelkirche in eine monumentalere Form übertragen hat (Taf. IX, 3). Im Gründe genommen ist die Reinheit des Konstantinopler Typus durch die betonten Ecklösungen, die teilweise in Kuppeln ausklingen, noch starker hervorgehoben. Auch die etwas lockere Gruppierung der Nebenkuppeln hat die kristallinische Geschlossenheit der Anlage in Curtea de Argeș merklich aufgelöst. Die Wände sind glatt ohne farbige Wirkung. Die einzige Belebung der Wand bildet ein durchgehender, etwas schwerfälliger Bogenfries. Die Westkirche scheint ein neuerer Anbau zu sein. Ihre Mauern sind in offenen Säulenstellungen aufgelöst. Dieser Anbau, der den Eindruck einer Riesenhalle macht, dürfte aus dem 17. Jahrhundert stammen, obwohl er sich im oberen Aufbau der Hauptkirche eng anschließt. Ungeachtet einer gewissen Schwerfälligkeit gehört die alte Metropole zu einer der monumentalsten Kreuzkuppelanlagen in der Walachei.

 

Die Fürstenkirche in Târgovişte wiederholt den Grundgedanken der alten Metropole und verbindet denselben mit stilistischen Neuerungen der walachischen Architektur des 16. Jahrhunderts. Die Eckkuppeln wurden nicht aufgeführt, so daß die Anlage nur in drei Kuppeln ausklingt (Hauptkuppel im Schiff und über der Vorhalle). Dieses Dreikuppelsystem geht auf die Anläge von Dealu zurück, und es spiegelt sich darin eine Absage an den strengen Zentralkuppelgedanken. Die klare Kreuzdisposition der Querarme von Curtea de Argeș ist durch die Türme der Vorhalle etwas verschleiert, die kubischen Kuppelsockel sind höher, wodurch die horizontalen Linien ein Übergewicht über die abrundende Geschlossenheit des Ganzen erringen. Ganz verschieden ist die Gliederung der Wände. Die kristallinische Flächigkeit und Farbigkeit von Curtea de Argeș ist aufgegeben worden. An ihre Stelle ist eine zweizonige plastische Wandbehandlung getreten, die oben aus Blendarkaden, unten aus rechteckigem, vorgeblendetem Rahmenwerk besteht. Ein stark betontes horizontales Gesims, das bei der Vorhalle eine scharfe Knickung erfährt, trennt die beiden Stockwerke voneinander. Auch diese pseudoplastische und pseudotektonische Gliederung der Wand ist auf die walachische Architektur des 16. Jahrhunderts zurückzuführen.

 

 

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In ihr zeigt sich ein gewisses Schwanken zwischen plastisch-tektonischer und dekorativer Wandbehandlung. In dieser Beziehung hat die Fürstenkirche in Târgoviște die Konstantinopler Bautradition verlassen und hat sich an die walachische Architektur des 16. Jahrhunderts (Dealu, Bischofskirche in Curtea de Argeș) angeschlossen. Die Vorhalle scheint mit dem Bau stilistisch eine Einheit zu bilden [6].

 

 

3. Die serbische Architektur in der Walachei und ihre Differenzierung

 

Geradezu schicksalhaft gestaltete sich für die ganze walachische Architektur die Übernahme der serbischen dreipaßartigen Kirchenanlage, des Trikonchos des Moravatales. Sie hangt unmittelbar mit der Gründung der orthodoxen Klosteranlagen durch den serbischen Mönch Nikodemus in Vodiţa und Tismana um das Jahr 1374 zusammen. Von dieser Zeit an wird der Trikonchos zur herrschenden Bauform in der Walachei, an ihm vollziehen sich alle späteren Stilveränderungen bis über den Ausgang des 18. Jahrhunderts hinaus. Der walachische Trikonchos tritt in der Regel in seiner einfachen Form auf. Er besteht aus einem von drei Apsiden abgeschlossenen, mit einer mittleren Kuppel und Tonnengewölben bedeckten Hauptschiff und aus einer rechteckigen Vorhalle. Der komplexe Typus einer trikonchen Anlage mit Innenstützen kommt nur einmal in der Klosterkirche von Snagov vor und ist auch auf serbische Vermittlung zurückzuführen. Die beiden ältesten Gründungen Vodila und Tismana haben sich leider in ihrem ursprünglichen Aussehen nicht erhalten. Dafür bietet uns die Anlage in Cozia am Olt, welche im Jahre 1393 von Mircea dem Großen errichtet wurde, die besten Vergleichsmöglichkeiten mit der serbischen Architektur. Man kann aus ihrer Baugestaltung entnehmen, daß die walachische Architektur sich durch den Anschluß an die hochentwickelte Baukunst des Moravatales von der bulgarischen Provinzarchitektur zu befreien suchte (Taf. IX, 4. Abb. 12).

 

Wenn wir von einigen späteren Anbauten und Verändernden (Vorhalle, Kuppelaufsatz, Eingangstür und Fenster der Vorhalle) absehen, so bilden die nächsten Stilanalogien zu Cozia die frühen Anlagen der Moravaschule, vor allem aber Kruševac. (Taf. VIII, 1 Abb. 8). Nicht nur die Innendisposition, sondern auch die ganze Außengestaltung von Cozia lehnt sich an diese Anlagen an. Die zellenartig-farbige Ziegel-Mörtel-Quaderbildung der Wände in Verbindung mit der plastischen Wandgliederung der Blendarkaden und den umlaufenden horizontalen Gesimsen, die flache, bordürenartige Behandlung der Seitenbogen, der Fensterrahmen,

 

 

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die bis zur Motivähnlichkeit mit Kruševac übereinstimmen, die fein durchbrochenen „Fensterrosen", die vorgetäuschten Arkaden des kubischen Kuppelsockels, die bündelpfeilerartige Auslösung der Wand der Vorhalle, die Steigerung der farbigen Entstofflichungstendenzen in den oberen Partien, all dies erinnert so auffallend an die frühen Bauten der Moravaschule, daß man hier direkt serbische Baumeister annehmen muß. Auch die ursprüngliche Vorhalle in Cozia hatte eine Turmfassade wie Kruševac [7]. In Cozia ruht die Kuppel im Innern nicht unmittelbar auf den Haupttragebogen, sondern auf einem zweiten Paar erhöhter Bogen im Kuppelsockel. Die Füße dieser Bogen ruhen auf Eckkonsolen. Auch dieses Kuppelsystem ist von den serbischen Anlagen des Moravatales entlehnt. Diese künstliche Überführung der Kuppel in das Kuppelquadrat bewirkt sowohl die Verschmälerung des Kuppelraumes nach oben zu als auch eine Erhöhung des Kuppeltambours, der sich mit besonderer Leichtigkeit in die luftigen Höhen erhebt.

 

Die Einführung des serbischen Trikonchos aus dem Moravatal bildet insoweit einen Wendepunkt in der Geschichte der walachischen Architektur, als von dieser Bauform die ganze spätere walachische Architektur ihren Ausgang genommen hat. Dies gilt vor allem für die Grundform der Architektur, d. h. für die allgemeine Raumdisposition. Dagegen machen sich später zeitlich und stilistisch bedingte Veränderungen im Wandausschmückungssystem, im Verhältnis der Vorhalle zum Bauganzen und in der Beziehung der Kuppeltürme zur Vorhalle und zur Hauptkuppel bemerkbar. Das Dekorationssystem von Cozia bildet eigentlich einen Einzelfall: man greift manchmal, wie z. B. im 16. Jahrhundert darauf zurück, aber seine Bedeutung hat sich inzwischen verändert.

 

Eines der frühesten Beispiele eines reichen Wanddekorationssystems, das die ganze spätere walachische Architektur beeinflußt hat, hat sich in der Klosterkirche von Snagov erhalten. Die Plangestaltung bildet das einzige in der Walachei bekannte Beispiel eines Trikonchos mit Innenstützen und Eckkuppellösungen. Es ist ein Typus, der engstens mit der Klosterarchitektur des Athosberges zusammenhängt — es ist schwer zu entscheiden, ob er direkt vom Athos oder aus dem Umweg über das Moravatal hierher verpflanzt worden ist. Was aber die Anlage sowohl von den Athoskirchen als auch von denjenigen des Moravatales unterscheidet, ist die Wandgliederung, welche aus byzantinisch-bulgarische Anlagen zurückgeht. Diese besteht aus zwei übereinandergestellten Arkadenreihen, welche gleichmäßig Wände und Apsiden bis zur Vorhalle bedecken. Während die unteren Blendarkaden in die Mauer eingelassen sind, springen die oberen plastisch vor die Wände. Ein reiches, mit Zahnschnitt versehenes Kranzgesims befindet sich unter der Dachlinie.

 

 

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Auffallend schlank ist die Hauptkuppel. Schmale, arkadenartige Fensterschlitze erhöhen die schlanke Kuppelwirkung. Die Rundbogen entsprechen den unteren Bogenabschlüssen mit reichen plastischen Ziegelprofilierungen. Der Tamboursockel ist Beinahe unsichtbar. In diesem ganzen Dekorationssystem überwiegen die vertikalen Achsen sowohl in der Wand- als auch in der Kuppelgestaltung. Nirgends macht sich eine horizontale Gliederung bemerkbar. Es fehlen auch horizontale Quader- oder kompakte Ziegelschichten; der ganze Bau ist nur aus Ziegeln mit breiten, weißen Mörtelfugen errichtet. Die schmalen Fenster der Kuppel sind übereinandergestellt.

 

Das Motiv der Übereinanderstellung von Blendarkaden in zwei Stockwerken haben wir in den mesembrischen Kirchen festgestellt, so z. B. in der Pantokrator- und Erzengelkirche. Auch Blendarkaden auf Konsolen im zweiten Stock treten hier auf. Die Idee dieses Dekorationssystems ist wohl aus diesen Gebieten in die Walachei verpflanzt worden, nur hat sie eine Umwandlung erfahren. Das Motiv einer horizontalen Lagerung hat sich in einen Vertikaldrang verwandelt, der über alle horizontalen Gliederungen hinaus nur die anale Auslösung der Anlage der Höhe zu erfaßt: es ist eine Art latenter Gotik, die sich trotz der byzantinischen Formensprache durchsetzt. Die „Formgrammatik" ist noch byzantinisch, aber diese überlieferte Formensprache wird hier bereits von einem Geist erfaßt, der sich über die Grundgesetze der byzantinischen Architektur erhebt. Eine ähnliche Erscheinung haben wir in Mazedonien und im Moravatal bereits festgestellt. In der Walachei verkörpert sie aber einen etwas andersartigen Gestaltungswillen, ohne daß man auf direkte gotische Vorbilder hinweisen könnte. Darum haben wir von einer latenten Gotik gesprochen. Ein ähnlicher Bauwille spiegelt sich in der Vorhalle, die ursprünglich offen war. Sie bestand aus hohen, von unten bis zur oberen Bogenzone reichenden kannelierten, glatten oder gewundenen massiven Ziegelsäulen und ganz schmalen Öffnungen. Ob diese offene Vorhalle zum ursprünglichen Bau gehörte, ist schwer zu sagen. Eine ähnliche offene Vorhalle hatte die alte Metropole von Târgoviște. Eine große Rolle spielten diese Vorhallen erst im 17. und 18. Jahrhundert, aber es ist nicht unmöglich, daß sie hier bereits im 16. Jahrhundert zum erstenmal auftreten, da sie sich von den späteren durch ihre amorphe, kapitell- und sockellose Gestaltung unterschieden [8]. Die Klosterkirche in Snagov wird mit Neagoe Basarab, dem Erbauer der alten Metropole in Târgovişte, in Zusammenhang gebracht. Die heutige Klosterkirche wurde im Jahre 1517 an Stelle einer alten Anlage errichtet. Es ist aber fraglich, ob es sich nicht um einen Umbau handelt, da die Wanddekoration einen ziemlich archaischen Eindruck macht [9].

 

 

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Für die weitere Entwicklung der walachischen Architektur ist das Motiv der übereinandergestellten Blendarkaden wichtig, das hier früh seine Verwendung gefunden hat. Es entwickelt sich später zum herrschenden Dekorationsmotiv der ganzen walachischen Architektur vom 16. bis 18. Jahrhundert. Nur die architektonische Rolle dieses Motivs der Wandbelebung hat verschiedene Wandlungen im Laufe der Zeit erfahren. Es ist aber gleichzeitig ungemein bezeichnend, daß die Grundgestaltung, d. h. der auf dem Umweg über Serbien vermittelte Trikonchos, sich ganz unverändert über das 18. Jahrhundert hinaus erhalten hat. Das Kernstück der walachischen Architektur bleibt also byzantinisch, während die Dekoration, der Außenbau, ja sogar das Verhältnis der Fassadentürme zu den Kuppeln manche stilistische Wandlungen erfahren. Hier haben verschiedene, von außen hereinspielende Einflüsse den Dekorationsstil erfaßt, ohne jeweils die architektonische Grundauffassung zu verändern. Wir wollen an einigen Beispielen diese Einwirkungen hervorheben.

 

 

4. Islamische Dekorationsmotive in der walachischen Architektur des 16. bis 17. Jahrhunderts

 

Bereits im 16. Jahrhundert treten in der walachischen Architektur islamische Dekorationsmotive auf. Es ist eine neuerliche Anlehnung an die Architektur Konstantinopels, aber diesmal handelt es sich nicht mehr um das byzantinische, sondern um das türkisch-islamische Konstantinopel. Für das neue Verhältnis der walachischen zur hauptstädtischen türkisch-islamischen Architektur ist es vom stilgeschichtlichen Standpunkt aus bezeichnend, daß es sich nur um Entlehnungen dekorativer Art oder um neue bautechnische Einführungen handelt, während der byzantinische Baugedanke ganz unverändert beibehalten wird. Die türkisch-islamische Dekoration muß sich den hier bereits eingewurzelten Bautraditionen anpassen, und die Einwirkungen bleiben mehr an der Oberfläche haften. Wir haben es hier mit einer kunsthistorischen Erscheinung zu tun, die wir sonst in keinem anderen Balkangebiet oder nirgends in diesem Ausmaß vorgefunden haben und die als Spiegelung besonderer historischer Umstände betrachtet werden muß. Diese „Islamisierung" hat in der Walachei zwar etwas tiefere Spuren hinterlassen als in den übrigen Balkanländern, tritt aber andererseits doch nur als oberflächliche Wellenbewegung in Erscheinung, unter welcher die nationale orthodox-walachische Kultur sich ziemlich unberührt entwickeln konnte. Diese neue Baugesinnung, welche sich hauptsächlich auf die zwei bereits erwähnten Momente, nämlich auf die bautechnischen Neuerungen und die Ornamentik erstreckt,

 

 

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kommt zum erstenmal in zwei Aulagen zur Geltung, in der Klosterkirche in Dealu (erbaut im Jahre 1500 von Fürst Radu dem Großen) und in der berühmten bischöflichen Kirche in Curtea de Argeș (erbaut 1512—1517 von Neagoe Basarab). Beide Anlagen sind stilistisch untereinander eng verwandt und dürften einem Architekten oder zumindest einer Bauschule zugehören, wobei die Anlage in Curtea de Argeș die sich bereits in Dealu ankündenden baukünstlerischen Tendenzen in voller Reife verkörpert.

 

In Dealu kommen die neuen von auswärts verpflanzten Tendenzen noch nicht so stark zur Geltung (Taf. IX, 5; Abb. 13). Die trikonche Raumgestaltung mit Vorhalle, die Kuppellösung mit Kuppelstckeln, die durchbrochenen Fensterrosen, die bordürenartigen Seitenbogen der Fassaden und der Kuppelsokeln, das alles sind baukünstlerische Gestaltungsformen, denen wir in der später nach der Walachei verpflanzten Architektur der Moravaschule begegnet sind. Die übereinandergestellten Blendarkaden stammen aus der byzantinisch-ostbalkanischen Überlieferung. Nichtsdestoweniger sind alle diese überlieferten Motive hier in einem anderen Geist umgeprägt worden. Eine Neuerung gegenüber den serbischen Anlagen des Moravatales ist die Bereicherung der Vorhalle durch zwei schlanke Kuppeltürme, die in die nächste Nähe der Hauptkuppel rücken und eine geschlossene Dreikuppelgruppe bilden. Durch dieses neue Kompositionsprinzip, das hier zum erstenmal in der walachischen Architektur auftritt, werden nicht nur die schweren Baumassen nach oben zu wirksam aufgelöst, sondern auch die isolierende übergangslost Wirkung der Hauptkuppel gedämpft. Die massige Wirkung der Hauptkuppel wird durch die beiden schlanken Kuppeltürme aufgehoben, ohne daß jedoch die Geschlossenheit dieser Lösung gestört wäre, wobei die allmähliche, in Abstufungen sich vollziehende Vertikalbewegung um so wirksamer an der Fassade in Erscheinung tritt. In dieser neuen Verteilung der Baumassen liegt ein sicheres Gefühl für Proportionierung, welches den serbischen Anlagen noch unbekannt war und einen mit der abendländischen Renaissancearchitektur vertrauten Baukünstler zu verraten scheint. Die zweite Neuerung beruht auf der architektonischen Monumentalisierung der Anlage. Jene farbig-koloristische Auslösung der Architektur, die wir sowohl in der Balkanarchitektur als auch in der bisherigen walachischen Architektur beobachtet haben, ist zurückgetreten. Wir stehen vor einem reinen Quaderbau. Der warme Eindruck einer farbigen Ziegel-Mörtel-Quaderaufschichtung ist hier einem strengen, lapidaren Eindruck gewichen. Statt der weichen, farbig schimmernden, flächig-verschwommenen Übergänge treten scharfe Linien, scharfkantige oder plastische, schattenwerfende Profilierungen auf, die die einzelnen Teile voneinander trennen.

 

 

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Auch die plastische Dekoration gewinnt in diesem Zusammenhang eine andere Bedeutung. Zwar überspinnt sie flächenhaft als Füllung die Blendarkaden an der Fassade, die Kuppelsockeln und die Fensterrahmen der Kuppelfenster, ferner als durchbrochenes Motiv die Fensterrosen — aber sie wird von der starkbetonten Profilierung umrahmt und zeichnet sich von den glatten neutralen Quaderflächen ab. Sie steht somit im Gegensatz zur Moravaschule oder zu der von dieser abhängigen Anlage in Cozia, wo die unbestimmte, flaue flächige Umrahmung der Fenster, Portale und Gesimse im farbigen Gesamteindruck ihren eigentlichen architektonischen Charakter verliert. Zweifelsohne spielt auch in Dealu die Skulpturornamentik eine dekorative Rolle als reine Füllung von Flächen und als Bordürenmuster, aber infolge der lapidaren Wirkung des Ganzen wird das Architektonische nicht völlig von dem dekorativen Eindruck übertönt.

 

Die Ornamentik selbst besteht aus Flechtbandmustern, Rosetten, Rauten, also aus lauter abstrakten Motiven, die aus dem byzantinischen Typenschatz abgeleitet werden können, wogegen ausgesprochen islamische Motive fehlen.

 

Die Dekoration der Wände besteht aus übereinandergestellten, stark profilierten Blendarkaden, die unten von einer kräftigen Sockelprofilierung begleitet, in der Mitte durch ein vorkragendes, durchlaufendes Gesims getrennt werden. Ein kräftiges, vorspringendes und dann nach einwärts abgetrepptes einheitliches Kranzgesims bildet einen starken, horizontal betonten, mit der Dächerlinie parallel laufenden Abschluß. Aber bei näherem Zusehen gewahren wir, daß dieses Wandgliederungssystem, so sehr es durch seine Proportionen an die abendländische Architektur erinnert, untektonisch empfunden ist. Die Blendarkaden ruhen nicht in Achsen übereinander, die Arkadenblenden sind ganz untektonisch durchgebildet, es wird zwischen Bogen, Säule und unterer Sohlbank nicht unterschieden, es sind also keine architektonisch gedachten Blendarkaden, sondern Rahmen, die rein dekorativ die glatten Quaderfüllungen umgeben. Es ist also letzten Endes ein abgeschwächtes tektonisches Wandgliederungssystem, was sich besonders auffallend an den Ecklösungen bemerkbar macht, wo z. B. an der Fassade zwei Blendarkaden an der schmalen Kante zusammenstoßen oder an den Apsiden die Arkaden der Hauptwände auf die Apsickenwände übergreifen. Dieses Blendarkadensystem steht in keinem architektonischen Verhältnis zu den Fenstern und Portalöffnungen.

 

Da der lapidare Quaderbau und die unarchitektonische Blendarkadenbildung weder in der Moravaschule noch in der vorhergehenden walachischen Architektur anzutreffen sind, muß man auswärtige Einflüsse annehmen.

 

 

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Zwei Gebiete kamen in Betracht: die abendländische Architektur — man könnte am ehesten an Venedig oder Dalmatien denken — und der islamische Orient. Die Wandgliederung hat ihre nächste Parallele in S. Maria dei Miracoli in Venedig (1481—89). Die Zwesgeschoßigkeit, der abschließende runde Fassadengiebes, die übereckgestellten Arkaden des zweiten Stockes, die Rundfenster (Patere) erinnern so stark an die venezianische Kirche, daß eine Beeinflussung anzunehmen ist. Die unarchitektonische Blendarkadengliederung läßt anderseits vermuten, daß wir es mit einem Meister zu tun haben, der mit der islamisch-türkischen Architektur vertraut war. Eine ähnliche Blendarkadengliederung in Verbindung mit Quaderbautechnik finden wir in der armenischen Architektur oder auch in der osmanischen Architektur Konstantinopels und Kleinasiens wieder [10]. Aus den sich kreuzenden Einflüssen dieser beiden Gebiete auf türkischem Boden könnte sich am leichtesten dieser Umschwung, welcher sich im 16. Jahrhundert in der walachischen Architektur bemerkbar macht, erklären.

 

Daß wir es hier mit Einwirkungen der islamisch-türkischen Architektur zu tun haben, beweist die der Anlage von Dealu nahe verwandte Anlage der Bischofskirche in Curtea de Argeş [11] (Taf. IX, 6).

 

Diese hat die sich bereits in Dealu ankündenden baukünstlerischen Tendenzen aufs höchste gesteigert. In der Grunddisposition lehnt sie sich an den Trikonchos des Moravatales an, aber die Vorhalle hat eine Bereicherung erfahren, die über die serbischen Anlagen und Dealu hinausweist (Taf. IX, 5). . Die Vorhalle hat sich in einen Breitraum verwandelt, der den eigentlichen Trikonchos an Größe und Breite übertrifft. In der Mitte ruht auf zwölf Säulen eine Kuppel, die von zwei Seitenkuppeln flankiert wird. Durch die Überleitung der Kuppel auf Säulenstützen und durch die gestreckten Proportionen wirkt dieser Raumteil leicht und luftig. Die Substanzialität des Raumes ist durch diese kühne Lösung aufgehoben worden. Starke Verräumlichungstendenzen kommen auch darin zur Geltung, daß die übliche Trennungswand zwischen Vorhalle und Schiff weitgehendst aufgelockert ist, was eine freiere Verbindung zwischen diesen beiden Räumen ermöglicht. Malerisch-optische Raumdurchblicke und Raumüberschneidungen kommen auf, wodurch der byzantinische, in sich ruhende Raumeindruck teilweise aufgelöst wird. Die Hauptkuppel über dem Trikonchos ist achtteilig und ruht auf Trompen, nicht auf Pendentifen, was ebenfalls auf islamische Einflüsse zurückgeführt werden kann. Diese Auflockerung des Raumes durch malerische Durchblicke und die breitränmige Gestaltung der Vorhalle finden wir in den Klosterkirchen des Athos wieder (Lavrakloster, Kutlumusiu).

 

 

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Während aber die Grundgestaltung der Anlage sich an den byzantinischen Klostertypus des Trikonchos anlehnt, ist die Außendekoration stark von der islamischen Kunst beeinflußt worden (Abb. 14). Die Blendarkadenmotive sind hier unarchitektonisch behandelt. In der unteren Reihe sind sogar an Stelle der Arkaden rechteckige, aus plastischen Wulsten gebildete Rahmen getreten, ebenso rahmenartig und unarchitektonisch wirken auch die oberen Blendarkaden. Kein architektonisches Kräftespiel von lastenden Bogen und tragenden Säulen, sondern ausgesprochen dekorative Rahmen beleben die Wand. Auffallend ist die Abneigung gegen eine architektonische Form der Fenster. Die Fenster bilden rechteckige Schlitze mit einer rings umlaufenden Bordürenornamentik; oder an Stelle der Fenster treten rechteckige, mit Ornamentik versehene Platten. Das Prinzip von Rahmen und Füllung beherrscht die Wand und läßt jedes architektonische Gefühl vermissen. Auch die oberen Fensterrosen find nach diesem dekorativen Prinzip mit dem Rahmenwerk der Blendarkaden in Verbindung gebracht. Eine ausgesprochen unarchitektonische Wirkung kommt dem tauartig gewundenen Wulst zu, der auffallend dick aufgetragen worden ist und durch seine Verflechtung eine unruhige Wirkung gerade an der Stelle ausübt, die als Unterteilung der beiden Stockwerke in gerader Horizontale verlaufen sollte. Das Untektonische dieser wulstartigen Gliederung, welche ganz klar ihre islamische Abstammung verrät, zeigt sich an der Fassade, wo der Wulst über dem Portal in rechteckigen Knickungen weiterläuft. Andererseits ist wiederum auffallend, daß trotz des unarchitektonischen Verhältnisses der Bauteile untereinander eine strenge Gliederung der Wand und horizontale Trennung der einzelnen Stockwerke mit plastischen Arkaden beibehalten worden ist. Es ist darin wohl dieselbe Kreuzung von abendländisch-renaissanceartigen und islamischen Einflüssen vorhanden wie in Dealu. Rein dekorativ ist auch das Hauptportal behandelt, dessen Rahmen mit einem dichten Netz von flachen Ornamentfüllungen bedeckt sind und dessen Innenbogen in flammenartig nach innen auslaufendes zackenartiges Spitzenwerk aufgelöst sind. Jeder klare architektonische Gedanke, jede abrundende Bogenlinie des Portales ist dadurch verschleiert worden und hat einer spielerischen, optisch-aufgelösten Dekorationsart Platz gemacht.

 

Dieselben dualistischen Tendenzen spiegeln sich in den oberen Teilen der Anlage in Curtea de Argeș. Das umlanfende Kranzgesims über den oberen Blendarkaden und am Sockel der Hauptkuppel hat die Form eines islamischen Stalaktiten und Zellenfrieses angenommen, der durch seine optisch flimmernde Wirkung die Mauerlinien nach oben zu auflöst. Auch alle Wände der Kuppelsokeln und der Kuppeltamboure sind mit dem dichten Netz einer in Licht und Schatten aufgelösten Ornamentik bedeckt.

 

 

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Somit ist die begrenzende Rolle der Wand als solcher aufgehoben worden. Am klarsten kommt diese Auslösung der Wand in den Kuppeltambouren zur Geltung. Die Tambourwände bestehen aus einem oben rechteckig oder rundbogig abgeschlossenen Rahmenwerk und aus ornamentalen Füllungen. Die Fenster sind bloß von profilierten Rahmen umgeben und haben ihr „architektonisches Antlitz" ganz eingebüßt. Besonders auffallend ist diese architektonische Auslösung der Fenstermotive bei den Vorhallenkuppeln, wo Rahmen und Füllung beinahe mäanderartig ineinandergreifen und die rechteckigen Fensterschlitze wie ein Mustermotiv auf bewegtem Grund wirken. Auch die klaren Umrißlinien der Kuppelhelme werden aufgehoben und laufen in palmettenartigen, durchbrochenen Spitzmustern aus. Es ist dasselbe Motiv im umgekehrten Sinn verwendet, wie wir es an dem Portal der Fassade vorgefunden haben. Gleich untektonisch ist das Motiv der sich überschneidenden Bogen am Kuppelsockel der Vorhalle behandelt worden. Die Stutzenmotive haben sich in ornamentale Leisten und flache Kreismuster verwandelt. Besonders raffiniert ist die ornamentale Auflösung der beiden kleinen Fassadenkuppeln, die sich um ihre eigene Achse zu drehen scheinen und deren Fenster sich wie aus einer weichen Masse geformt, schräg um die Kernmasse des Tambours legen und damit allen Gesetzen der statischen Ruhe trotzen. Anderseits kommen in den klaren plastisch-trennenden horizontalen Artikulierungen die tektonischen Kräfte stark zum Ausdruck (die Tamboure werden scharf von den Kuppelsockeln getrennt).

 

In dem ornamentalen Typenschatz kommt noch das byzantinische Flechtwerk mit Palmetten, Halbpalmetten, verschlungenen Kreisen, Rosetten und Rauten vor, aber daneben tauchen häufig bereits arabeskenartige Motive oder gar reine Arabesken auf, ein Beweis der fortschreitenden Islamisierung der Ornamentik. Dazu kommt noch die farbige Wirkung der Ornamentik, deren Malspuren sich noch erhalten haben: goldene Motive heben sich von einem blauen oder grünen Hintergrund ab.

 

Es dürfte kaum einem Zweifel unterliegen, daß diese Auslösung des architektonischen Gedankens ins Ornamental-Spielerische und Farbig-Dekorative auf die Einwirkung der islamischen Kunst zurückzuführen ist, die tektonischen gliedernden Kräfte auf die Renaissancekunst des Abendlandes hinweisen.

 

Für die Geschichte der Architektur der Walachei und des ganzen Südostens ist mit den beiden Schöpfungen in Dealu und in Curtea de Argeş in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts insofern ein Wendepunkt eingetreten, als hier zum erstenmal ausgesprochen islamische Motive aufgenommen werden, die seither in ab- oder zunehmenden Wellenbewegungen den Bestand der walachischen Architektur bereichern, ohne jedoch die byzantinische Bauidee zu verdrängen.

 

 

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Die Bauanlagen von Dealu und Curtea de Argeş haben mehrfache Nachbildungen in der walachischen Architektur des 16. bis 18. Jahrhunderts erfahren.

 

 

5. Das Verhältnis der byzantinischen zur gotischen Architektur in der Moldau

 

Die kulturgeschichtlichen Grundlagen des Fürstentums Moldau haben sich unter ganz anderen Voraussetzungen entwickelt als die der Walachei.

 

Es fehlte eine engere Beziehung zur alten byzantinischen Kultur, die stets von den Balkanländern über die Donau ausstrahlte und die walachischen Gebiete befruchtete. Diese kulturelle Voraussetzungslosigkeit hatte zur Folge, daß die abendländische Kultur, welche hier im Osten durch die beiden Nachbarn der Moldau, Ungarn, Siebenbürgen und Polen repräsentiert war, ohne auf eine traditionsgebundene Kulturaufschichtung zu stoßen, sich ungehemmter ausbreiten konnte. Dazu kam eine politische Abhängigkeit von den westlichen Nachbarstaaten, welche, durch den östlichen Druck der Tataren und Türken bedingt, auch eine kulturelle Beeinflussung begünstigt hat.

 

Diese geschichtlichen Umstände haben auch den Kunsterscheinungen der Moldau im Gegensatz zu denen der Walachei ihren Stempel aufgedrückt. Die Beziehungen zu den abendländischen Kunstströmungen sind hier stets viel reger und enger gewesen und die meisten Kunstdenkmäler, vor allem der Architektur, tragen die Spuren dieser Einwirkungen zur Schau.

 

Aber es sind immer wieder nur Einwirkungen, denn die Grundlagen der ganzen geistigen Entwicklung der Moldau waren ähnlich wie in der Walachei byzantinische oder byzantinisch-balkanische. Nicht viel später als in der Walachei haben die Schüler des aus Serbien stammenden Mönches Nikodem das orchodore Christentum durch mehrere Klostergründungen hier eingeführt. Katholische Reaktionen, wie die Gründung eines katholischen Bistums in Seret unter Jaţcu (1370), haben die allgemeine Ausbreitung des orthodoxen Christentums und der orthodoxen Kirche nicht anfzuhalten vermocht.

 

Die Übernahme des orthodoxen Christentums hat auch die Übernahme der byzantinischen oder besser gesagt der byzantinisch-balkanischen Kunst zur Folge gehabt. Anderseits hat die byzantinische Kunst hier wie in keinem andern Balkangebiet Einwirkungen der abendländischen, hauptsächlich der gotischen Kunst erfahren.

 

 

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Nirgends haben sich die byzantinische und die gotische Kunst so nahe berührt, nirgends kam es zu einer derartigen Durchdringung der beiden Kunstspharen wie in der Moldau, so daß man geradezu von einer byzantinisch-gotischen Kunst und Architektur sprechen könnte. Es ist etwas Wahres daran, wenn man behauptet hat, daß „die moldauische Kirche einen byzantinischen Grundplan besitzt, der mit gotischen Händen und teilweise nach gotischen Prinzipien errichtet worden ist".

 

Der große Aufschwung der moldauischen Architektur geht auf die Epoche Stephans des Großen zurück (1457—1504). In dieser Zeit haben wir es bereits mit einer ausgebildeten moldauischen Architektur zu tun. Sicher jedoch hatte sich die Entwickllung der moldauischen Architektur schon vor dies er Periode vorbereitet. Leider liegen jedoch die Anfänge ziemlich im Dunkeln, da sich von den früheren Anlagen nur wenige erhalten haben und die meisten später umgebaut worden sind.

 

Zu den frühesten erhaltenen Denkmälern der moldauischen Architektur zählt man mit Recht einen ungewöhnlich anmutenden Kirchenbau in Radautz. Die Außenarchitektur macht einen durchaus gotischen Eindruck. Ein langgestrecktes Schiff mit einer halbrunden Apsis wird von einem einheitlieben Satteldach überdeckt und ist mit gotischen Strebepfeilern versehen (die Vorhalle wurde im 16. Jahrhundert angebaut [12]). Das Innere der Anlage macht einen ungewohnten Eindruck. Wir stehen in einer dreischiffigen Pfeiler-Basilika (Taf. X, 1). Das Mittelschiff ist mit Tonnengewölben überdeckt, die Nebenschiffe mit querverlaufenden Einzeltonnen. Die Bogen der Nebenschiffe haben spitze gotische Formen. Die Wände sind glatt ohne jede Gliederung. Im ersten Augenblick denkt man an eine abendländische Schöpfung. Aber ungeachtet der gotischen Formen (Langhaus, Pfeiler, Strebepfeiler, Spitzbogen) ist die Wölbungsart ungotisch. Man hat zwar romanische Anlagen zum Vergleich herangezogen [13], doch scheint es kaum denkbar, daß man um die Wende vom 14. zum 15. Jahrhundert hier plötzlich auf Architekturformen zurückgegriffen hätte, die Hunderte von Jahren zurückliegen und zu denen stilistische Analogien in den Nachbargebieten (Siebenbürgen, Ungarn, Polen) fehlen. Solche stilistische Anachronismen kommen auch an den Peripherien nicht vor. Daher muß man eine andere Erklärung jener auffallenden Tatsache suchen.

 

Trotz der langhausartigen Raumgestaltung wird das Innere der Kirche durch eine Wand in zwei getrennte Teile geschieden: in ein Schiff und eine Vorhalle. Diese Einteilung entspricht der orthodoxen Kircheneinteilung und damit wurde die für die gotische Raumgestaltung so bezeichnende basilikale Langstreckung aufgehoben.

 

 

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Wir sehen, daß in einer den ganzen Raumeindruck bestimmenden wesentlichen Beziehung der gotische Raum einer byzantinischen Zweiteilung weichen mußte. Die tiefenbestimmenden gotischen Langhaustendenzen konnten sich nicht voll durchsetzen, der Schiffsraum ist beinah quadratisch gestaltet. Man könnte ebenso behaupten, daß mit gotischen Formen ein geschlossener byzantinischer Raumeindruck gestaltet worden sei. So können auch die auffallenden romanisch anmutenden Tonnengewölbe der Umgange stilistisch erklärt werden. Durch diese sich der Mitte zu öffnenden Tonnengewölbe haben die Seitenschiffe ihre selbständige Rolle eingebüßt: die Tiefenrichtung wurde dadurch unterbunden. Der Raum erstreckt sich nicht der Tiefe nach, sondern strahlt von der Mitte nach den Seitengangen aus. Hier tritt eine mit gotischen Mitteln erreichte Geschlossenheit des byzantinischen Zentralraumes in Erscheinung. Auch in konstruktiver Hinsicht ist diese Lösung eher byzantinisch als gotisch. Die quergestellten Tonnen spielen in den byzantinischen Zentralkuppelanlagen dieselbe Rolle: sie fangen den Seitenschub der zentralen Wölbung, d. h. der Kuppel auf.

 

Wir können also, in einer der frühesten Anlagen in der Moldau eine Durchdringung gotischer und byzantinischer Baugedanken feststellen. Diese Annäherung ist aus die nahen Beziehungen der Moldau zum abendländischen Kulturkreis zurückzuführen und dürfte mit großer Wahrscheinlichkeit in die Zeit Alexanders des Guten (1400—1432) fallen, der enge Beziehungen zu den Jagellonen unterhalten, Franziskaner aus Polen berufen und eine gotische Kirche in Baia im Jahre 1410 zu Ehren seiner katholischen Gattin errichtet hat [13a]. Derselbe Fürst ließ in seiner neuen Hauptstadt Suczawa eine orthodoxe Metropolie errichten und hat durch die Überführung der hl. Überreste Johanns des Neuen der orthodoxen Kirche eine beherrschende Stellung eingeräumt. Es spiegelt sich darin ein ähnlicher Kulturdualismus, ein Schwanken zwischen der abendländischen und orthodoxen Kultursphäre, wie wir es bei den serbischen Nemanjiden beobachtet haben und das ähnlich wie in den Westbalkanländern seinen Niederschlag auch in der Geschichte der Kunst gefunden hat.

 

Immerhin ist es für die ganze spätere Architekturentwicklung der Moldau bezeichnend, daß die Anlage in Radautz mit ihrer gotisch-abendländischen Stilauffassung und mit dem kuppellosen Langhaus nur in einigen wenigen späteren Anlagen (Dolheşti 1481, Bălineşti 1494, Volovăţ 1502) Nachfolge gefunden hat. Aber nicht sie bildet den Ausgangspunkt der moldauischen Architekturentwicklung sondern — ähnlich wie in der Walachei — der byzantinisch-serbische Trikonchos. Doch hat der moldauische Trikonchos unter den Einwirkungen der gotischen Architektur andere Wege der Entwicklung eingeschlagen, als der walachische.

 

 

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Zu den ältesten Beispielen des moldauischen Trikonchos gehören zwei Anlagen in Seret: die Dreieinigkeitskirche [14] und die Kirche Johannes des Täufers (Taf. X, 2, 3). Leider haben sich beide Anlagen nicht in ihrem ursprünglichen Zustand erhalten. Die zweite wurde im 17. Jahrhundert gründlich umgebant; aber ungeachtet dessen würde die Einfachheit ihrer Formgestaltung für eine frühe Entstehungszeit sprechen [15]. Von den serbischen Anlagen des Moravatales unterscheiden sich beide Anlagen durch das Fehlen der vorspringenden Mauerpfeiler im Innern, auf deuen die Hauptkuppel ruhte. Hierin liegt eine charakteristische Eigenschaft aller späteren moldauischen Anlagen. Die Last der Kuppel wird von innen auf die Mauern verlegt, später aus die Strebepfeiler. Aber im Gegensatz zu den späteren moldauischen Anlagen besitzen diese beiden Anlagen noch keine Strebepfeiler. Dieser Umstand und die Einfachheit der Grunddisposition, vor allem in der Dreieinigkeitskirche, spricht für ihre frühe Entstehung; es würde nichts im Wege stehen, sie um 1400 oder noch früher anzusetzen.

 

An diese einfachen trikonchen Anlagen knüpft die ganze spätere Entwicklung der moldauischen Architektur an.

 

 

6. Gestaltung und Vollendung der moldauischen Architektur im 15. und 16. Jahrhundert (Von Stephan dem Großen bis Peter Rareş und Jeremias Movila)

 

Ähnlich wie sich die Moldau unter Stephan dem Großen (1457—1504) und seinen Nachfolgern aus einem unbedeutenden Kleinfürstentum zu einem nicht unwichtigen politischen Gebilde in Südosteuropa entwickelt hat, ist aus einer unbedeutenden Provinzarchitektur in dieser Periode die moldauische Baukunst zur vollen Eigenart herangereift. Diese Zeitspanne kann daher mit Recht als die Wiege der moldauischen Baukunst bezeichnet werden.

 

In drei Etappen kann man den Entstehungsprozeß der moldauischen Architektur verfolgen:

 

1. Anknüpfung an die alte Tradition des serbisch-byzantinischen Trikonchos.

 

2. Umgestaltung der überlieferten Bauform unter der Einwirkung der gotischen Architektur.

 

3. Entstehung monumentaler Anlagen als Abschluß der baukünstlerischen Bestrebungen dieser Periode.

 

Verfolgt man die Geschichte der Architektur dieser Periode von dem schlichten Provinzkirchlein in Pătrăuţi (1487) über Neamţu (1497),

 

 

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wo sich die ansteigende Linie zu einer Monumentalisierung der moldauischen Architektur Bemerkbar macht, bis zur Georgskirche in Suczawa (1514 bis 1522), welche den Gipfelpunkt aller dieser Bestrebungen und Erfahrungen bildet, so gewinnt man ein volles Bild der wichtigsten schöpferischen Gestaltungskräfte der moldauischen Architektur.

 

Zu den ersten eng untereinander verwandten Gruppen von Bauten, deren Ausgangspunkt der einfache serbisch-byzantinische Trikonchos bildet, dem wir bereits in den Anlagen in Seret begegnet sind, gehören die Kirchen in Pătrăuţi (1487), Bădăuţi (1487) die Eliaskirche in Suczawa (1488) und die Georgskirche in Woronetz (1488) [16].

 

Bereits in dieser ersten Gruppe machen sich Bestrebungen geltend, welche über den Ausgangspunkt dieser Anlagen, d. h. den serbisch-byzantinischen Trikonchos, hinausweisen.

 

In der einfachen Plangestaltung, nämlich der Verbindung eines trikonchen kuppelüberdeckten Raumes mit einer quadratischen, ebenfalls überkuppelten Vorhalle haben die moldauischen Anlagen ihre nächste Parallele in der serbischen Anlage von Rudenica. Aber ungeachtet dieser gemeinsamen Plangestaltung kommen hier bereits Unterschiede zum Vorschein, die sich im Laufe der Entwicklung immer mehr steigern sollten.

 

Zwar hat die Anlage in Pătrăuţi noch keine Strebepfeiler und bildet somit ein Verbindungsglied zu den beiden frühesten Bauten in Seret, aber man kann bereits die Stilveränderungen gegenüber den serbisch-byzantinischen Anlagen feststellen [16a]. Am Außenbau kommt die vertikale Tendenz viel stärker zur Geltung, welche die blockmäßig geschlossene ausbalaneierte Formgestaltung der byzantinischen Architektur auflöst. Diese Vertikaltendenzen spiegeln sich in einer verschiedenen Gliederung der Wände, in der Dachform und der Gestaltung des Kuppeltambours wieder. Vor allem sind alle horizontal lagernden Gliederungen in der Wanddekoration, wie sie z. B. in Kruševac, Kalenić oder Cozia vorhanden waren, vermieden worden. Die Wände sind glatt belassen mit Ausnahme der Apsiden, welche von schmalen hohen und darüber befindlichen ganz kleinen Blendarkaden belebt werden. Diese Gliederung wiederholt sich aus dem Kuppeltambour. Die stilistische Bedeutung der neuen Wandgliederung, die sich in allen moldauischen Anlagen fortsetzt, beruht auf der Betonung der vertikalen Hauptachsen des Bauganzen, welche durch die schmalen Blendarkaden der Apsiden und der Kuppel besonders hervorgehoben werden. An den übrigen glatten Wänden gleitet der Blick ungehindert aufwärts. Diese bereits an den Wänden zur Geltung kommenden Vertikaltendenzen werden durch die Dachform gekrönt.

 

 

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In den serbischen und in den von ihnen beeinflußten walachischen Anlagen hatten die Dächer sacht abfallende Flächen besessen und waren durch horizontal verlaufende Abtreppungen oder rund abschließende Archivolten dem unteren kubischen Kernstück der Anlage angepaßt. Ebenso kubisch-geschlofsen war der turmartige Überbau der Vorhalle. Die Kuppel mit dem Kuppeltambour war noch nicht die Krönung eines den ganzen Bau erfassenden Vertikaldranges, — sondern sie hat sich trotz ihrer Erhöhung doch blockmäßig an den unteren Bau angeschlossen. Es war immer noch das Prinzip der kristallinischen Anhäufung von kubischen Einheiten, das den Bauanlagen seinen Stempel verliehen hat.

 

Mit diesem byzantinischen Prinzip haben die moldauischen Bauten gebrochen und in Pătrăuţi können wir zum ersten Mal greifbar feststellen, daß die vertikalen Tendenzen den ganzen Bauorganismus durchdringen und daß Dächer und Kuppeln die Krönung dieses allgemein gültigen Vertikaldranges bilden. Man kann geradezu behaupten, daß die vertikalen Tendenzen nach oben in spitzen Endungen auslaufen und auf diese Weise den Bau auflösen. Die ursprüngliche Form dieser Dachanflösung hat sich in Pătrăuţi und in den meisten Anlagen nicht erhalten, und dadurch wurden diese Anlagen ihrer charakteristischen Stileigenschaft beraubt, aber es haben sich Stifterdarstellungen in mehreren moldauischen Anlagen wie z. B. in Pătrăuţi, der Eliaskirche in Suczawa oder in Woronetz erhalten, nach welchen wir uns das ursprüngliche Aussehen jener Dachbekrönungen und Kuppelaufsätze rekonstruieren können [17]. Zunächst haben wir spitz zulaufende steile Satteldächer vor uns, welche das Hauptschiff bedecken und einen ansgefprochen gotischen Eindruck hinterlassen.

 

Die Kuppel selbst steigt pyramidal, von schräg abfallenden Pultdächern umgeben, und endet in einen spitzen Turmaufsatz. Die ganze Anlage klingt also in lanter spitzen Endungen aus. Das Prinzip der Blockmäßigkeit ist aufgehoben. Statt dessen herrscht das gotische Prinzip der Auflösung der Baumassen nach oben. Die Kuppel verliert ihren blockmäßigen abrundenden byzantinischen Charakter und paßt sich immer mehr einem Turm an. Das Gesetz des blockmäßigen Kristallinismus ist zerschlagen, wie zerklüftete Silhouetten erscheinen die oberen Bekrönungen der Anlagen.

 

Ganz anders ist das Verhältnis der Tür und der Fensteröffnungen zur Wand und zum Bauganzen. Wir haben zwar bereits in den Anlagen der Moravaschule gotische Spitzbogen an den Fenstern vorgefunden. Aber ihre Rolle war von der der moldauischen grundverschieden. Breite, flache Bordüren haben dort den gotischen Charakter der Fensterund Portalumrahmungen neutralisiert. Sie sind mehr dekorativ als architektonisch gestaltet und wirken als Teil der farbigen Gesamtdekoration der Wände.

 

 

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Ganz anders in den moldauischen Kirchen. In Pătrăuţi treten uns ausgesprochene Portal- und Fensterformen entgegen: reine Profilierungen mit schräg verlaufenden Gewänden und stark akzentuierten Linien, Licht- und Schattenwirkungen. Damit ist das Byzantinische Prinzip der reinen Flächigkeit durchbrochen, Fenster und Portale haben ihren rein architektonischen Charakter gewonnen und bilden Spannungen zwischen Wand, Flache und architektonisch gefaßter, durchgebildeter Offnung. Nur eines ist noch auffallend. Die Fenster sind recht klein, unscheinbar, und sie wagen noch nicht große Wandflächen zu durchbrechen (Pătrăuţi, Eliaskirche in Suczawa, Woronetz mit Ausnahme der später angebauten Vorhalle). Die Fensteröffnungen haben noch nicht die echt gotische Auflösungstendenz wie sie in der moldauischen Architektur erst später zu Tage tritt; die Wand als kubische Masse, als Flache ist langst noch nicht überwunden.

 

Betrachtet man die Einzelfenster oder die Einzelportale losgetrennt von der Architektur, so steht man vor rein gotischen Schöpfungen, die ohne Zweifel von gotischen Steinmetzen verfertigt sein dürften. Wir können auch einwandfrei das Ursprungsgebiet dieser gotischen, bzw. spätgotischen Formen feststellen. Frappante Analogien finden wir in der siebenbürgisch-sächsischen Architektur. Das schöne spätgotische Innenportal in Pătrăuţi oder in Woronetz hat seine nächsten stilistischen Entsprechungen in dem Sakristeiportal aus Hetzeldorf (1499), in der Franziskanerkirche in Klausenburg, und der Kathedrale in Hermannstadt. Es sind also nicht nur Einflüsse sondern auch Meister aus Siebenbürgen, die hier tätig waren; das wird uns auch durch einige Nachrichten verbürgt [18].

 

Unbeachtet dieser gotischen Formen gehen die farbige Dekoration der Außenwände, die Blendarkaden und die Friese mit glasierten Rundscheiben auf die byzantinische Architektur in Serbien und Bulgarien zurück. Leider hat sich das ursprüngliche Aussehen der Wände, welche aus Ziegeln und breiten Mörtelfugen bestanden hatten, in den meisten Fällen wie in Pătrăuţi, Bădăuţi und Woronetz nicht erhalten, da man die Wände später mit Fresken bedeckt hat. Der wiederhergestellte Zustand der Wanddekoration in der Eliaskirche in Suczawa dürfte annähernd den alten Eindruck wiedergeben.

 

Nur das Arkadensystem hat im Vergleich mit den serbischen, bulgarischen und walachischen Anlagen eine Wandlung erfahren. Die Arkaden werden nicht von unten nach oben einheitlich hinaufgeführt, wie in den serbischen Anlagen oder wie die oberen Arkaden in den bulgarischen Kirchen auf vorkragende Konsolen gestellt, es fehlt auch die Teilung der Arkaden in zwei gleich hohe übereinandergestellte Reihen wie in den walachischen Bauten.

 

 

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Vielmehr unterstreichen die schmalen, hohen Blendarkaden den gotischen Vertikaldrang, und die oberen kleinen Arkaden spielen eine rein dekorative Rolle.

 

Auch das Innere der moldauischen Kirchen hat einschneidende Wandlungen aufzuweisen. Die moldauische Kuppelkonstruktion tritt uns in Pătrăuţi zum ersten Mal entgegen. Sie beruht auf der Absicht, dem Kuppeltambour einen kleinen Durchmesser zu sichern und ihn hoch zu strecken. Die Kuppelkonstruktion wird durch segmentarrige, übereckgestellte Bogenüberführungen verwirklicht, welche nach unten zu spitz verlaufen und auf Konsolen ruhen. Von unten gesehen (beispielsweise in der Johanneskirche in Piatra 1497), haben wir es mit einer nach innen zu abgetreppten verdoppelten Pendentiflösung zu tun [19] (Abb. 15). Die obere Pendentiflösung wurde in die untere sozusagen eingeschachtelt, so zwar daß das untere Pendentif zwischen den zwei oberen Pendentifs in der Mitte ruht. Durch diese Lösung wird das ruhige statische Lagern einer byzantinischen Kuppel auf vier Pendentifs aufgehoben. Durch eine Verdoppelung der Zahl der Pendentifs durch scharfkantige Umrißlinien und vor allem durch starke Licht- und Schattenkontraste kommt ein bewegliches Moment in die Kuppelkonstruktion hinein, wodurch die schwebende leichte, luftige Wirkung der Kuppel gesteigert wird.

 

Man hat diese eigenartige Kuppelkonstruktion aus der armenischen Kuppel ableiten wollen [20]. Eher könnte man an die islamischen Kuppelkonstruktionen denken. Die islamische Kuppelkonstruktionen beruhen auf Trompenlösungen (Mausoleum des Mahmoud in Bijapur, Decke der Kapelle von Villaviciosa oder die Maqsŭra der Moschee in Cordoba) und auf recht komplizierten sich verschlingenden und sich durchkrenzenden Rippenbildungen, es fehlt aber die charakteristische Verdopplung der Pendentifs, so daß die Ähnlichkeit eher als eine oberflächliche sich herausstellt, obwohl Anregungen nicht ausgeschlossen erscheinen.

 

Es ist auch auffallend, daß diese Kuppelkonstruktion nicht zuerst in der Walachei anzutreffen ist, welche, wie wir schon hervorgehoben haben, islamische Einflüsse bereits früher verarbeitet hat.

 

Es besteht aber die Möglichkeit, diese moldauische Kuppelform aus einem lokalen Zusammenwirken byzantinischer und gotischer architektonischer Formen zu erklären. Zweifelsohne sind die Pendentifs byzantinischer Abstammung; die Steigerung des Überwölbungssystems durch ihre Verdoppelung, die Entlastungstendenzen und die Erhöhung der turmartigen Kuppel können durch die Spätgotik erklärt werden, welche hier durch ihre Stern- und Netzgewölbe die schwebende Wirkung der Gewölbe aus die Kuppel übertragen hat. Für diese Erklärung würden die späteren Kuppellösungen

 

 

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(z. B. die Vorhalle in Popăuţi, in Hârlău oder die Klosterkirche in Dragomirna) sprechen, in welchen gotische Sterngewölbe die Kuppeln und Wölbungen Überdecken. Solche Erklärung würde in das allgemeine geschichtliche Bild der Entwicklung der moldauischen Architektur besser hineinpassen [21].

 

Eine weitere Veränderung des Wölbungssystems beruht in der Aufhebung der Mauerpfeiler und Einführung von Konsolen oder konsolenartigen Wandstützen der Kuppeltragebogen im Hauptschiff (in den Vorhallen der meisten Anlagen dieser ersten Gruppe). Dadurch ist das byzantinische System der Innenstützen, welches den serbischen Trikonchos beherrscht hat, überwunden. Auch darin spiegeln sich gotische Einflüsse; diese haben die Entlastung der Gewölbe durch „schwebende Decken" und die Verlegung des Seitenschubs von innen nach außen hervorgerufen. Daß wir es tatsächlich mit einer „Gotisierung" des Kuppel- und Überwölbungssystems in der Moldau zu tun haben, beweist die Einführung der Strebepfeiler, welche die Last der Gewölbe nach außen übergeleitet haben. Mit Ausnahme von Pătrăuţi, besitzen alle Anlagen der ersten Gruppe bereits Strebepfeiler, welche auch in Zukunft häufig Anwendung in der moldauischen Baukunst finden sollten. Mit der neuen Verteilung der Last auf die Außenwände hängen auch die Sternfockel zusammen, die zum ersten Mal in der Eliaskirche in Suceva auftreten. Durch die Sternsockel werden die Proportionen der turmartigen Kuppel gestreckt und die komplizierte Kuppelkonstruktion nach außen verdeckt, wodurch der gotische Vertikaldrang besser verwirklicht werden konnte [22].

 

Wir können daraus entnehmen, daß bereits in der ersten Baugruppe also zu Anlagen, welche zwischen 1487 und 1488 entstanden sind, sich die wichtigsten baukünstlerischen Neuerungen in der moldauischen Architektur vollzogen haben und daß aus den alten Grundlagen des byzantinischen Trikonchos, welcher unter den Einwirkungen der gotischen Architektur eine tiefe Wandlung erfahren hat, ein neuer Typus der moldauischen Architektur entstanden ist, der zu den originellsten Schöpfungen der ganzen Balkanarchitektur gezählt werden kann.

 

Beginnen sich in dieser frühen Gruppe die großen Umrißlinien der moldauischen Architektur abzuzeichnen, so findet in der zweiten Gruppe eine weitgehende Verfeinerung der bereits gewonnenen architektonischen Formenweit statt.

 

Zu dieser zweiten Gruppe gehören folgende Anlagen: die Georgskirche in Hârlău (1492) (Taf. X, 4), die Nikolauskirche in Jassy (1493), die Nikolauskirche in Dorohoi (1495) und die Nikolauskirche in Popăuţi bei Botoşani (1496).

 

 

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Leider sind im Gegensatz zur ersten Gruppe, die meisten dieser Anlagen einer historisierenden Restaurationswut zum Opfer gefallen, welche das alte Aussehen der Anlagen zerstört und einen harten, schrillen Ton in ihre Außengestaltung gebracht hat [23].

 

Stilistische Verändernden treten bereits ganz gereift in der Georgskirche in Hârlău zu Tage, welche für die Weiterentfaltung der baukünstlerischen Probleme der künftigen moldauischen Architektur ausschlaggebend geworden ist. In ihr spiegeln sich bereits die auf eine Monumentalisierung hinzielenden Tendenzen. Diese neue Auffassung kommt sowohl im Außenbau als auch in der Raumgestaltung zum Ausdruck (Taf. X, 4).

 

In der Außengestaltung treten uns eine neue dekorative Wandbehandlung, eine hier zum ersten Mal auftretende Durchbrechung der Wand durch große, spitzbogige, mit Maßwerken versehene Fenster und eine gesteigerte Betonung der Höhenverhältnisse entgegen.

 

Byzantinisch-balkanisch sind zweifelsohne die farbige Behandlung der Wand und das Arkadensystem: Steinquadern mit horizontalen Ziegellagen, oben eine doppelte, aus Ziegeln bestehende Arkadenzeile darüber ein Fries aus drei Reihen glasierter, farbiger Rundscheiben. Aber diese traditionelle Dekoration hat hier eine Wandlung erfahren. Die Arkadenreihen bedecken nur ein Drittel der Wände und bilden mit den farbigen Rundscheiben einen rein dekorativ aufgelösten Fries ohne jede tektonische Funktion. Die geschlossene Wirkung der Wand wurde nach oben zu dekorativ-farbig aufgelößt.

 

Dasselbe dekorative System wurde am oberen Hals des Kuppeltambours angewendet. Dem allgemeinen Vertikaldrang entsprechen die schmalen, in pseudogotischen Ziegelmaßwerken auslaufenden Lisenen der Apsiden, welche eine entsprechende Fortsetzung im Kuppeltambour erfahren. Der allgemeinen Intensivierung des gotischen Einflusses entspringen auch die schönen dreiteiligen Maßwerkfenster der Vorhalle, welche hier zum ersten Mal auftreten und die kleinen spätgotischen Fensteröffnungen der ersten Stilgruppe ersetzen. Man greift also auf eine ältere gotische Fensterform des 15. Jahrhunderts zurück und mehrere Stilübereinstimmungen mit den siebenbürgisch-sächsischen Fensterformen springen in die Augen (Fenster in der schwarzen Kirche in Kronstadt). Durch diese großen gotischen Fensterpaare wurde die homogene Wirkung der geschlossenen Wand zum ersten Mal wirksam unterbrochen und somit eines der stilistischen Grundprinzipien der byzantinischen Architektur weitgehend gelockert. Und schließlich laufen alle gotischen Entlastungstendenzen in dem Kuppelturm zusammen, der durch den verdoppelten Sternsockel erhöht durch eine polygonale Gestaltung und den spitzen,

 

 

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zeltbachartigen Helmaufsatz immer mehr einem Turm, in dem alle vertikalen Tendenzen frei ausklingen, angenähert wurde [24].

 

Auch der ausbalancierte byzantinische Raum wird im Inneren nach der Tiefe und Höhe gelockert. Die Hauptapsis wird durch dazwischengeschobene Tonnengewölbe mit dem Hauptschiffsraum verbunden, so daß eine längsgerichtete Tendenz diese beiden Raumteile erfaßt, die Vorhalle wird durch die hier noch weiter entwickelte „moldauische Kuppelkonstruktion" [25] erhöht, der breite Kuppelraum der früheren Vorhallen nach oben zu verschmälert (Taf. X, 4).

 

Alle diese Neuerungen wurden bald Gemeingut der moldauischen Architektur — sie verraten gleichzeitig, daß der Prozeß einer tiefen inneren Durchdringung des traditionellen Trikonchos mit gotischen Bauformen weitere Fortschritte gemacht hat.

 

Die stilistischen Neuerungen der Georgskirche in Hârlău wurden von den zwei nächstfolgenden Anlagen, den Nikolauskirchen von Dorohoi und Jassy übernommen, aber diese bedeuten eher einen Rückschritt [26]. Am stärksten ist jedoch die Anlehnung an die Nikolauskirche in Popăuţi bei Botoşani. Aber erst die folgenden monumentalen Schöpfungen in Neamţ (1497), in Suczawa (Georgskirche 1514—22), Pobrata (1530) haben sich dieser Stilerrungenschaften bemächtigt und sie weiter entwickelt.

 

Da die Klosterkirche in Neamţ eine Verkörperung aller bisherigen Erfahrungen auf dem Gebiete der moldauischen Architektur bildet, wollen wir uns noch in Kürze einer Gruppe von Anlagen zuwenden, welche aus den betrachteten Stilgruppen herauszufallen scheinen und deren Einfluß auf die Klosterkirche in Neamţ unverkennbar ist.

 

Die langgestreckten Anlagen in Borzeşti [27] (1493—94) Războieni (1496) und Piatra-Neamţ (1497—98) (Taf. X, 5) haben sich am weitesten von den byzantinischen Traditionen eines Trikonchos entfernt. Sie besitzen keinen Kuppelturm [28], keine nach außen vorspringenden Seitenapsiden (statt dessen verkümmerte Mauernischen) und passen sich einem langgestreckten gotischen Kirchenbau an. Große gotische Maßwerkfenster durchbrechen die Vorhalle. Am auffallendsten ist jedoch die Anpassung der byzantinischen Raumgestaltung an gotische Stiltendenzen. Diese neue unbyzantinische Tiefenausdehnung und Rhythmisierung des Raumes kommt in der Johanneskirche in Piatra am klarsten zum Ausdruck. Es entsteht eine Art von Kuppeltraveen, und zwar auf die Art, daß „dienstartige" Mauerpfeiler und gurtartige Bogen die einzelnen Kuppelfelder von einander oder von den benachbarten Tonnengewölben trennen [29]. Ähnliche „Gurte" begleiten die Kuppeltraveen an den Seiten.

 

 

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Wir werden kaum zu weit gehen, wenn wir in diesen Anlagen den Höhepunkt des „Gotisierungsprozesses" der moldauischen Architektur erblicken.

 

Diese neuen Raumschöpfungen von den monumentalen Anlagen, und zwar zum ersten Mal von der Klosterkirche in Neamţ aufgegriffen, bilden seither eine weitere Bereicherung der moldauischen Kirchenbauten.

 

Die Klosterkirche in Neamţ (Taf. X, 6) gehört zu den größten und monumentalsten Bauten, welche unter Stephan dem Großen in der Moldau errichtet worden sind (37,50 Länge ohne Außenvorhalle, 6.50 Breite, 23,30 Kuppelhöhe).

 

Leider ist ihr äußeres Aussehen durch zahlreiche Umbauten und Restaurierungen vom 17. bis zum 19. Jahrhundert verändert worden. Ganz besonders störend empfindet man die Veränderungen an den Dächern. Neueren Datums sind der Frontgiebel und der barocke Turmaufsatz, ursprünglich haben hohe Satteldächer mit scharfen, spitz zulaufenden Silhouetten dem Bau ein ausgesprochenes gotisches Aussehen verliehen, wie wir das aus den Stifterbildnissen entnehmen können.

 

Was im Gegensatz zu den bisherigen Bauten auffällt, ist die Langstrekung der Kirchenanlage. Wir stehen scheinbar vor einem einheitlichen überlangen Schiffsraum, an dessen Ende sich die Kuppel erhebt. Zwei Achsen halten sich nun die Waage: Langstreckung und Höhenentwicklung, im Gegensatz zu den früheren Kirchen, bei denen der zentrale Kuppelteil stets über die Längsausdehnung triumphierte. Hier wird die alte byzantinische Vorherrschaft des zentralen Kuppelteiles überwunden. Man macht viel größere Zugeständnisse an die dem gotischen Stilempfinden entspringende Langhausidee. Aber im Gegensatz zu der reinen basilikalen Baugestaltung, die wir in der Gruppe Borzeşti-Războieni-Piatra vorgefuuden haben, wird die gestreckte Längsrichtung engstens mit dem byzantinischen Trikonchos verknüpft. Die traditionellen Grundlagen der moldauischen Baukunst werden beibehalten.

 

Der Blendarkadenfries, die emaillierten Scheiben darüber, die großen gotischen Maßwerkfenster der Vorhalle, der doppelte Kuppelsockel und die Sternform des oberen Sockels gehen auf die Georgskirche in Hârlău und ihre stilverwandte Baugruppe zurück.

 

Dieselben Bauideen beherrschen das Innere der Anlage. Vorhalle und Schiff sind in die Länge gezogen. Die Vorhalle besteht aus zwei in der Längsachse verteilten Kuppelräumen, wozu sich noch die äußere Vorhalle gesellt. In derselben Richtung wurde ein neuer Raum, die Fürstengrabkammer, angeschlossen. Das Schiff wurde durch dazwischengeschobene Tonnengewölbe und eine tiefliegende Apsis in der Längsrichtung ausgedehnt.

 

 

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Im allgemeinen ist durch eine Aneinanderreihung von Kuppeleinheiten in der Längsachse die Entfaltung des Raumes in der Tiefenrichtung angestrebt worden. Zwar ist die traditionelle Teilung der Anlage in einen Laien- und Schiffsraum durch Querwände im Gegensatz zur Anlage in Piatra nicht aufgehoben, aber wenn wir den Raum in Tiefenrichtung abschreiten, zeigt sich doch eine weitgehende Lockerung des geschlossenen byzantinischen, auf ruhige Beschaulichkeit eingestellten Raumeindrucks. Dazu kommt noch eine Rhythmisierung der Raumeinheiten, vor allem in der inneren Vorhalle zum Ausdruck. Kuppeltraveen mit einer Abart von Bündelpfeilern und eine rippenartige Profilierung der Kuppelbogen ahmen ein etwas verschwommenes, den Kuppelräumen angepaßtes gotisches Konstruktionssystem nach, jedenfalls ist der aus glatten Wandflächen bestehende, auf optische Wirkung eingestellte byzantinische Kuppelraum durch eine gotische Konstruktion ersetzt worden. Daß wir es hier mit einem für die moldauische Architektur besonders charakteristischen Fall der Durchdringung gotischer und byzantinischer Bauelemente zu tun haben, beweist die Tatsache, daß das gotische Konstruktionssystem, welches für Jochtraveen bestimmt ist, hier auf Kuppelraume übertragen worden ist. Die rhythmische Bewegung in die Tiefe wird von der statischen Ruhe der Kuppeleinheiten aufgefangen.

 

Versuche dieser neuen Raumdurchbildung haben wir bereits in der Gruppe Borzeşti-Războieni-Piatra festgestellt; in Neamţ ist daraus eine reifere Schöpfung entstanden, welche alle Charaktereigenschaften der moldauischen Architektur vereinigt, zu vollem Ausdruck bringt und auch allen späteren Bauten ihr Gepräge gibt.

 

So bildet die Anlage in Neamţ den Gipfelpunkt nicht nur der Architekturentwicklung in der Zeit Stephans des Großen, sondern gleichzeitig auch die Vollendung eines architektonischen Entwicklungsprozesses in der Moldau [30]. In monumentaler Gestaltung wurde hier alles zusammengefaßt, was aus einer schöpferischen Durchdringung der byzantinischen und gotischen Architektur in Jahrzehnten andauernder Kunstübung langsam herangereift war [31]. Von dieser Höchstleistung zehren die folgenden Jahrhunderte, ohne wesentliche oder einschneidende Formveranderungen hervorzubringen. Wir können uns daher in unserer Übersicht auf die wichtigsten Zeugnisse beschranken.

 

Folgende Monumentalanlagen schließen sich unmittelbar an die Klosterkirche in Neamţ an: die Georgskirche von Suczawa (1514—1522), die Anlagen in Pobrata (1530), Bistrica (1554) und in Suceviţa (1585) (Taf. X, 7, 8). Man kann also behaupten, daß dieser Typus das ganze 16. Jahrhundert beherrscht.

 

 

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Die Georgskirche in Suczawa als Metropolitenkirche errichtet, übertrifft Neamţ an Größe und Monumentalität [32]. Der Außenbau ist leider einer modernen Restaurierung von Romstorfer zum Opfer gefallen, der zwar die alte Dachform wiedgerhergestellt, aber durch modern geschwungene Umrißlinien der Dächer und farbige Dachplatten das Aussehen des Baues verunstaltet hat. Abweichend von Neamţ ist die Gestaltung des Schiffsraumes. Der Kuppelraum wird von zwei mächtigen Tonnengewölben umgeben, man sieht stark vorspringende Mauerpfeiler, auf denen die Kuppel ruht. Diese starken Verräumlichungstendenzen wurden mit den Einflüssen der serbisch-byzantinischen Klosterbaukunst in Zusammenhang gebracht, und es bestehen Stilanalogien zu Kruševac, Kalenić und Rudenica. (Vgl. Taf. X, 7 und Taf. VIII, 1, 3). In dieser Hinsicht bildet die Georgskirche in Suczawa einen Einzelfall, der keine Nachfolge gefunden hat.

 

Auch die Anlagen aus der Regierungszeit Peter Rareş (1527—1546) Alexander Lapuşneanus und Jeremias Movilas (1595—1606) wie z. B. die Kirche in Pobrata (1530) [33], die Bischofskirche in Roman (1542 bis 1550) [34], die Anlage in Bistrica (1554) und der letzte Ausläufer dieses Stils, die Kirche in Suceviţa (1585), folgen in großen Zügen den in Neamţ und der Georgskirche in Suczawa verkörperten Bauideen [35].

 

Auch für das 16. Jahrhundert sind äußerst enge Beziehungen zu der sächsisch-siebenbürgischen gotischen Architektur bezeichnend. Die moldauischen Fürsten stehen in enger Verbindung mit den siebenbürgischen Städten und lassen Meister von dort kommen. Die alte Tradition wird fortgesetzt. Die moldauische Architektur schöpft immer noch aus dem Western. Wir hatten Gelegenheit, diese fortschreitende „Gotisierung" der traditionellen byzantinischen Baukunst zu verfolgen. Die gotischen Formendetails nehmen im 16. Jahrhundert eher noch zu. Im 17. Jahrhundert verändert sich die Lage plötzlich. Die moldauische Architektur wendet sich wieder intensiver dem Osten, diesmal dem islamischen Osten zu.

 

In aller Kürze seien hier noch die gegenseitigen Beeinflussungen zwischen der moldauischen und walachischen Architektur zu erwähnen.

 

Walachischem Einfluß begegnen wir auf moldauischer Seite in der Kirche von Dragomirna (Taf. X, 9), welche von dem kunstliebenden Metropoliten Anastasius Crimca um das Jahr 1609 errichtet wurde [36]. In der Grunddisposition schließt sie sich an die monumentalen moldauischen Klosterkirchen an. Der Bau fällt durch seine schmale, hochgestreckte, elegante Silhouette auf. Die Wände sind durch breite Lisenen gegliedert, die Strebepfeiler ganz niedrig und flach gestaltet. Die Seitenapsiden treten nach außen nicht vor. Infolgedessen macht die Anlage den Eindruck eines geschlossenen Langhauses.

 

 

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Die Kuppel ruht auf einem verdoppelten Sternsockel und schießt schlank über die Dächer empor. Sie ist stark dekorativ aufgelöst und bildet dadurch einen wirksamen Kontrast zu den glatten Mauerflächen [37]. Die kleinen Fensteröffnungen und die Portale bewahren noch ihre moldauisch-gotischen Formen und Profilierungen, aber die Kielbogenformen machen einen islamisierenden Eindruck. Auf walachische Einflüsse ist der verknüpfte Wulst zurückzuführen, der um den ganzen Bau in der Mitte der Mauerhöhe herumläuft.

 

Neu ist die halbrund abgeschlossene Vorhalle, die zwar auch in der walachischen Architektur (Filipeşti, Ludeşti, Olari, Curtea de Argeș) auftritt, aber dort erst viel später nachgewiesen werden kann [38]. Das Innere von Dragomirna gehört zu den reichsten Raumgestaltungen der moldauischen Architektur. Pfeiler und Tragebogen sind mit dem Motiv des verknüpften Wulstes geschmückt. Die moldauischen Kuppeln sind mit gotischen Netz- und Sterngewölben bedeckt. Die Annäherung an spätgotische Wölbungsdekoration ist hier am weitesten fortgeschritten, aber gleichzeitig verbindet sich dieser Eindruck auch mit echt islamischen Dekorationsmotiven, so daß man im unklaren darüber gelassen wird, wo die Gotik endet und die islamische Dekoration beginnt oder umgekehrt [39].

 

Aber auch umgekehrt können wir im 17. Jahrhundert eine Annäherung der walachischen Kirchenanlagen an gotische Kirchturmfassaden, eine Lockerung des byzantinischen Kuppelsystems, die Einführung von Verstrebungen und gotischer Einzelformen feststellen, die auf moldauischen Einfluß zurückgeführt werden können.

 

Diese Veränderungen ergreifen sowohl die einschiffigen Anlagen, die sich im 17. Jahrhundert besonderer Vorliebe erfreuen, als auch die traditionellen trikonchen Kirchenanlagen.

 

In einer Reihe von walachischen Kirchenanlagen der Mitte und der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts begegnen wir einschiffigen Anlagen mit einem Turm über der Vorhalle [40]. Über dem Schiff fehlt die Kuppel, d. h. sie wird von dem spitz zulaufenden Satteldach verdeckt, so z. B. am auffallendsten in Strehaia (1645) (Taf. IX, 7). Man glaubt vor einer einschiffigen gotischen Langhausanlage mit Fassadenturm zu stehen. Aber im Grunde genommen ist es bloß eine Maskierung einer byzantinischen Bauidee durch eine gotische Verkleidung nach außen, wovon wir uns beim Betreten des kuppelüberdeckten Schiffes im Innern sofort überzeugen können.

 

Dieselbe gotische Scheinfassade kommt in den trikonchen Anlagen auf. Allerdings stand hier einer weitgehenden Anpassung an ein gotisches Langhaus das trikonche Schiff entgegen.

 

 

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Nichtsdestoweniger setzt sich auch hier der Turm an der Vorhalle durch. Ein gutes Beispiel bildet die Klosterkirche in Jitianu (Taf. IX, 8), wo einer älteren, vielleicht noch aus dem 16. Jahrhundert stammenden Kirchenanlage im 17. Jahrhundert ein Fassadenturm direkt vorgesetzt wurde [41]. Die Stelea Kirche in Târgovişte (Taf. IX, 9), erbaut im Jahre 1645 von dem moldauischen Fürsten Basile Lupu, verkörpert am besten diese stilistischen und konstruktiven Neuerungen der moldauischen Architektur.

 

Zum ersten Mal kommt hier in der walachischen Architektur die moldauische Kuppelkonstruktion mit den vier übereck gestellten Bogen auf. Die Innenstützen sind verschwunden. An ihre Stelle treten mächtige Strebepfeiler an der Hauptkuppel. Der Kuppelraum ist dadurch verschmälert, die Tamboure der Kuppeln sind hoch hinaufgezogen. Auch im Außenbau sind Veränderungen feststellbar. Die Kuppeln sind polygonal gestaltet und machen eher den Eindruck von Türmen als von Kuppeln. Sie ruhen auch nicht mehr unmittelbar auf dem kubischen Sockel, sondern zwischen die Kuppeltamboure und den kubischen Sockel schieben sich „ausstrahlende Sternsockel", welche den Eindruck des schweren Lastens der Kuppeln auch nach außen hin aufheben.

 

Die Dekorationsmotive der Steleakirche bestehen aus walachischen Blendarkaden, islamischen gewundenen Wulsten und gotischen Fenster- und Portalgewänden. Diese letzteren bilden Ausstrahlungen der siebenbürgischen Gotik, die auf dem Weg über die Moldau hier Eingang gefunden hat und sich feit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts hier verbreitet. Nicht selten werden auch islamische Motive in gotischem Sinn angewendet (eine Abart der Bündelpfeiler oder der Gewölberippen), oder es werden gotische Formen islamisiert. Es kommt eine allgemeine Verschmelzungstendenz zwischen byzantinischen, gotischen und islamischen [42] architektonischen Motiven zur Geltung, die diesen Bauten in der Walachei ihr historisch bedingtes, nicht unoriginelles Lokalkolorit verleiht.

 

 

1. Vgl. auch O. Tafrali, Monuments byzantins de Curtea de Argeș. Paris 1931, Bd. I., S. 17—18. Dazu gehört auch wahrscheinlich die Kapelle des Entschlafens der Muttergottes in Argeș, ebda. S. 20—21.

 

2. Eine ähnliche Kapellenanlage hat sich in dem sog. Bogdan Serai in Konstantinopel (Paraklesion) erhalten. N. Ghika-Budeşti, Evoluţia arhitecturii in Muntenia I: Buletinul Com. Monum. Istor. XX (1927), Abb. 18—22. Sie kann als Prototyp der Balkananlagen bezeichnet werden.

 

3. Nach N. Ghika-Bideşti, ebda., ist sie um 1350 entstanden. Die Datierung der Anlage ins 13. Jh. (Tafrali, a. a. O.) ist wenig wahrscheinlich.

 

4. Eine ausführliche Beschreibung der Nikolaus Domnesc-Kirche während der modernen Restaurierung in: Buletinul Comisiunii Monumentelor istorice X—XVI (1917—1923). Nach Aurelian Sacerdoţeanu (Bul. Comis. Mon. Ist. XXVIII, S. 50) ist die Anlage 1345—1369 auf den Ruinen einer älteren Kirche aus dem Jahre 1310 erbaut.

 

5. Tafrali, a. a. O., S. 302—303, 317—319.

 

6. Eine Vorstufe bildet in dieser Hinsicht die kleine Kirche in Cozia (Bolniţa) aus d. J. 1542. N. Ghika-Budeşti, Evoluţia arhitecturii in Muntenia şi Oltenia II: Buletinul XVIII (1931), S. 61 behauptet, die Vorhalle stamme aus dem 17. Jh.; dies ist aber wenig begründet.

 

7. Gheorghe Balş, Influence du plan serbe sur le plan des églises roumaines: L'art byzantin cbez les Slaves, I, S. 280.

 

8. Ähnliche offene Vorhallen in der kleinen Kirche (Bolniţa) in Bistriţa unbekannten Datums (N. Ghika-Budeşti, Evoluţia arhitecturii in Muntenia II. Fig. 17—18) in der Klosterkirche Flamanda (vgl. ebda. Bd. III, Abb. 249). Vgl. ferner den späten Anbau der Klosterkirche Gura Motrului (ebda., Bd. III, Abb. 27 st) aus d. J. 1653 und die Kirche in Costeşti-Pietreni aus d. J. 1701 (ebda., Bd. IV, Abb. 64).

 

9. Charles Diehl, Manuel de l'Art byzantin, Paris 1926, S. 765 datiert die Anlage in die erste Hälfte des 15. Jh.s.

 

10. Vgl. die sehr aufschlußreiche Abhandlung von Gheorghe Balş, Influences arméniennes et géorgiennes sur l'architecture roumaine: Communication faite au IIIe Congres d'Études Byzantines. Athen 1930, 248 ff. Der Autor findet engere Zusammenhänge in der Blendarkadenarchitektur und in der flachen durchbrochenen Fensterrahmenornamentik der walachischen Kirchen (Dealu — Bischofskirche Curtea de Argeș) und der georgischen Architektur (Gelati, Mtzchet, Nikorzminda), während er in der Dekoration des Moravatales eher armenische Einflüsse feststellen möchte. Anderseits aber gibt es ähnliche Blendarkaden oder Fensterdekorationen wie im Dealu in Armenien (Ani, Gregorkirche des Abughamrentz, Kathedrale in Ani).

 

 

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Josef Strzygowski, Baukunst der Armenier und Europas Bd. I, Abb. 130 und 372. Aber zuletzt verschließt sich der Autor nicht gegen unsere Annahme des Einflusses seldjukischer Architektur auf die walachische, da die erste eben armenische, georgische und hellenistische Einflusse in sich ausgenommen und verarbeitet hat (ebda. Fußnote 2, S. 10). Folgende stilistische Analogien zu der türkisch-seldjukischen Baukunst können wir anführen: die Wandgliederungen der Moschee Suliman I. und der Schahsade in Konstantinopel (Vorhallen), die Eingangswand der grünen Moschee in Brussa (1424). Durchbrochene Fernsterrahmen in Kaiseri (Entree de l'hôpital sijaiyé à Kaiseri Abb. 106, S. 62 bei Calal Esad Arseven, L'art turc depuis son origine jusqu'a nos jours, Istambul 1939).

 

11. Über den Architekten vgl. Sp. Cegáneanu, Bul. Com. Monum. Ist. IIII (1910), S. 44—47. Über die Architektur vgl. Ludwig Reissenberger, Wiener Jahrbuch der Central-Commission st E. u. E. d. B. Bd. IV. Wien 1860 und G. G. Tocilescu, Die bischöfliche Kirche in Curtea d’Argeş, Bukarest 1886. Über die Stellung innerhalb der rumänischen Kunstgeschichte: C. Petranu, Die alte kirchliche Kunst der Rumänen: Kyrios 1936, Heft 4, S. 365—366. In den Jahren 1875—1886 wurde die Kirche von dem Architekten A. Lecomte du Nouy gründlich, aber nicht immer glücklich restauriert. Ursprünglich war die Kirche eine Klosterkirche von Klostergebäuden umgeben. Gr. Jonescu , Curtea d'Argeş et ses environs, 1944, S. 29—32.

 

12. Die Vorhalle wurde von Alexandru Lăpuşneanu im 1559 angebaut. Aus derselben Zeit dürften auch die Fenster der Kirche stammen. Jedenfalls haben sich die ursprünglichen Fenster der Anlage nicht erhalten. Gheorghe Balş, Bisericile şi mănăstirile moldoveneşti din veacul al XVI (1527—1582). Bukarest 1928, S. 131—133 und Paul Henry, Les églises de la Moldavie du Nord des origines à la fin du XVe siècle I. Paris 1930, S. 40.

 

13. Vgl. Henry, a. a. O., S. 42. H. nimmt den Einfluß der zisterziensischen Anlagen Polens an. Leider werden keine Beispiele angeführt.

 

13a. Henry , a. a. O., S. 43—47.

 

14. Karl A. Romstorfer, Die Kirchenbauten in der Bukowina, Mitteil. d. Central-Comm. für Kunst und histor. Denkm. in Wien, 1896. S. 29. Die Kirche in Seret wird ohne sichere Anhaltspunkte vor 1400 datiert.

 

15. Romstorfer, a.a.O., Abb. 19 und Gh. Balş, in Jorga-Balş, Histoire de l'art roumain ancien. Paris 1922, S. 315. Spater revidierte Balş seine Ansicht (Bisericile lui Ştefan cel Mare: Buletinul C. M. I 1925 S. 16) und nahm einen Neubau des 17. Jh.s an. Vgl. auch Henry, a. a. O., S. 51.

 

16. Über die Datierungen der angeführten Anlagen: Henry, a. a. O., S. 57. Eine entwicklungsgeschichtliche Zusammenstellung dieser Anlagen geben Balş, Bisericile lui Ştefan cel Mare und Joseph Lehner, Der byzantinisch-gotische Wölbungsbau in der Moldau vom 15.—17. Jh. Wien 1947, (Diss.), Typentafel I—II.

 

 

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Über das Verhältnis der moldauischen Anlagen zu den serbischen vgl. Paul Henry, Les principes de l'architecture serbe et l'école moldave: Mélanges Uspensky 1929.

 

16a. Vgl. Rap. II. Pătrăuţi et les origines de l'école architecturale Moldave du XVe siecle bei Henry, a. a. O., S. 74—105. Zu dieser frühen Stilstufe gehört auch die berühmte Klosterkirche in Putna, welche in den Jahren 1469—1470 errichtet wurde. Sie hat sich in ihrem Ursprungszustand nicht erhalten und wurde im 17. und 18. Jh. umgebaut: Romstorfer, Das alte griechisch-orthodoxe Kloster Putna, Czernowitz 1904. S. 12—14 und Henry, a. a. O., S. 63—72.

 

17. Karl A. Romstorfer, Eine Wölbung und Dachform der moldauischen Kirchen vom 14.—18. Jh.: Osterr. Monatsschrift für den öffentlichen Baudienst, Heft X (1895).

 

18. Die Besetzung siebenbürgischer Gebiete (Cetatea de Baltă und Circei) im Jahre 1467 durch Stephan den Großen hat die engen Beziehungen der Moldau zu der siebenbürgischs-sächsischen Gotik eingeleitet. Ein „Meister Jan" (mistr Jan) aus Siebenbürgen wird auf einer Grabplatte in Radautz erwähnt. Peter Rareş und Alepandru Lăpuşneanu beziehen Meister aus Bistritz und Kronstadt. Unter Stephan dem Großen werden auch Meister aus dem benachbarten Galizien bestellt wie z. B. im Jahre 1479 ein Johannes Murator aus Lemberg. Die Steinmetzzeichen in Popăuţi haben ihre Analogien in Polen. Henry, Les églises, S. 104 bis 105 und Virgilin N. Drăghiceanu, Semne lapidare la biserica din Popăuţi: Bulet. Com. Monum, Ist. VIII (1915), S. 93.

 

19. Vgl. gute Zeichnungen, welche die verschiedensten Lösungen dieser Kuppelkonstruktionen darstellen bei Lehner , a. a. O., Taf. I—VIII.

 

20. Josef Strzygowski, Die bildende Kunst des Ostens. Leipzig 1916, Virgil Vătăsianu, Bolţile moldoveneşti (Moldauische Gewölbe): Anuarul Institutului de Istorie. Klausenburg 1929 und ders., Beiträge zur Erforschung der Holzkirchen der Moldau: Inchinarea lui N. Jorga. Klausenburg 1931. — Gheorghe Balş, Grinda şi Arcul: Buletinul Comisiunei Monumentelor Istorice 1930 und ders., Sur une particularite des voutes moldaves: Bulletin de la section historique de l'Academie roumaine, Tom XI (1924), vertreten die Ableitung dieser Kuppelform aus Armenien, wobei die beiden ersten die armenische Holzkonstruktion als Vorbild der moldauischen Kuppellösungen annehmen. Die Steinkuppeln aus der Umgebung von Wan in Armenien, die eine gewisse Ähnlichkeit mit moldauischen Kuppeln aufweisen, stammen aus dem 17. Jh. und können daher nicht als Vorstufen angesprochen werden. Vgl. Alex. Buşuioceanu, Influences arméniennes dans l'architecture religieuse du Bas-Danube. Communication faite au Ier Congres des études Byzantines. Athen 1938. So fußt die armenische Ableitung auf mehr als unsicheren Grundlagen. Übersicht der Kontroversen bei Henry, Les églises, S. 84—91. Eine gründliche kritische Auseinandersetzung bei Lehner , a. a. O.

 

 

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21. Lehner, a.a.O., S. 42, der zu einem ähnlichen Resultat gekommen ist

 

„Byzantinisch ist das Grundschema der Pendentifkuppel, gotisch die Anwendung von Zirkelschlägen, um Überhöhungen der Gewölbekonstruktion einerseits und deren Auflösung durch Spitzbögen andererseits zu erreichen — moldauisch allein erscheint aber der mutative Schöpfungsakt, eine neue Wölbungsform zu inaugurieren, der Mut mit kargen Mitteln eine Erfindung zu meistern, die wert gewesen wäre, sich in einer über reichere Gestaltungsmittel verfügenden kulturellen Sphäre zu entwickeln".

 

Wenn wir nochmals die islamische oder arabische Architektur heranziehen, so sind die Unterschiede doch so beträchtlich un Vergleich mit den moldauischen Anlagen, daß man höchstens von oberflächlichen Anregungen sprechen kann. Man darf nicht vergessen, daß die Kuppellösungen in der Architektur des nahen Orients im allgemeinen von Trompen und nicht von Pendentifs ausgegangen sind, wogegen wir in der Moldau nie Trompen, sondern stets Pendentifs feststellen können. Vgl. dazu auch P. Henry, a. a. O., Seite 85.

 

22. Lehner, a. a. O., S. 28:

 

„Doch schon bei der im gleichen Jahre erbanten Kirche St. Ilie bei Suczawa wird über der quadratischen Basis ein Achtortstern in verjüngter und verschränkter Quadratur konstruiert. Diesem Achtort erscheint der 12-seitige Turm — der Triangulatur gemäß — eingeschrieben. In der Folgezeit wird entweder dieses schöne Konstruktionsschema beibehalten oder noch wie folgt abgewandelt. Über der quadratischen Basis erscheint ein 12-eckiger Stern und ein achteckiger Turm oder ein Stern mit abgestumpften entspringenden Ecken, oder gar zwei sich versüngende Sternbasen übereinander".

 

23. Die frühesten Anlagen, in denen diese neuen Stileigenschaften aust treten, waren die 1490 errichtete und im Jahre 1820 ganz umgebaute Anlage in Vaslui und die 1491 errichtete Kirche in Bacău. Bulet. Comis. Monum, Istor. Nr. 43—46 (1925), S. 295. Vgl. auch Henry, a.a.O., S. 110—113 und Balş, Bisericile lui Stefan cel Mare.

 

24. Henry, a.a.O., S. 110—112 und Balş, Bisericile lui Ştefan cel Mare.

 

25. Henry, a. a. O., S. 111, der hier muselmanische Einflüsse (Jacobskirche in Jerusalem) feststellt.

 

26. Const. I. Istrati, Biserica şi podul din Borzeşti usw.: Analele A. R. B. XXVI (Hist. Sektion 1904), zur Datierung S. 3.

 

27. Die Unterschiede beziehen sich hauptsächlich aus die Vorhalle, die in beiden Anlagen durch eine einfache Kuppel gewölbt erscheint. Hier ist eine Anlehnung an die frühesten Anlagen dieser Gruppe (Johanneskirche in Vaslui und die Kirche in Bacău) vorhanden.

 

28. Weitere Beispiele turmloser Anlagen bei Henry, a. a. O., S. 114—115.

 

29. Die Trennungsmauer zwischen Vorhalle und Hauptschiff soll später entfernt worden sein, Henry, a. a. O., S. 115. Wenn das tatsächlich der Fall war, dann wären nur zwei „Kuppeltraveen" ursprünglich vorhanden gewesen.

 

 

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30. Ursprünglich wurde von Balş (Bisericile lui Ştefan usw. S. 103) angenommen, daß die Vorhalle der Klosterkirche aus der Zeit Lăpuşneanus stammt. Restaurationen im Jahre 1927 haben jedoch erwiesen, daß die Vorhalle zum ursprünglichen Bau aus der Zeit Stephans des Großen stammt. Nur Fenster und Türen sind eine spatere Zutat aus der Zeit Lăpuşneanus. Gheorghe Balş, Bisericile moldoveneşti din secolul al XVI-lea: Bul. Com. Mon. Istor. 1926, S. 152.

 

31. L. Brehier im „Journal de Savants“, 1923, Nr. 9—10:

 

„Das Interesse an der moldauischen Architektur besteht in der Komplexität, der sie einen so malerischen Charakter verdankt; keine Schule vereinigte so disparate Elemente: byzantinischen Grundriß, gotische Konstruktion und Verzierung, morgenländische Schnitzerei, und keine verstand sie besser in ein wirklich organisches Ganzes zu verschmelzen, was für die Moldau eine nationale Architektur bedeutet".

 

32. Der Außennarthex ist eine spatere Zutat und dürfte aus dem Jahre 1579 stammen. Dimitrie Dan, Biserica sf. Gheorghe din Suceava: Bul. Com. Monum. Istor. III (1910), S. 134 n. Balş, Bisericile lui Stefan, S. 171.

 

33. Aus der Regierungszeit desselben Fürsten, d. h. Peter Rareş, stammen noch zwei untereinander verwandte Bauten, die Klosterkirche von Homor (1530) und die Anlage in Vatra-Moldoviţei (1532), die sedoch eher eine Vereinfachung der monumentalen Kirchenanlagen bilden. Die Georgskirche in Botoşani schließt sich wiederum der zweiten Gruppe der Kirchen aus der Zeit Stephans des Großen an. Sie erinnert auffallend an die Georgskirche in Hărlău oder die Nikolauskirche in Botoşani. Nur der Turm verrat einen stärkeren gotischen Vertikaldrang als die erwähnten Anlagen.

 

34. Der Bau der Kirche wurde unter Peter Rareş 1542 begonnen und von seiner Gattin Helena 1550 beendet. Henry, a. a. O., S. 145. In der Raumgestaltung spiegeln sich wiederum die Tendenzen der „Kuppeltraveen" wider. Außen-, Innennarthex und Kuppelraum sind voneinander räumlich nicht getrennt.

 

35. Die Kirche ist vom Fürsten Jeremias Movilă errichtet worden. Die Anlage repräsentiert den letzten rein moldauischen Bautypus vor der Versctmelzung der moldauischen und walachischen Architektur. Mit Vatra-Moldoviţei, Homor, Woronetz bildet sie eine Gruppe von moldauischen Anlagen, deren Außenwände mit byzantinischen Freskenmalereien bedeckt sind. Eine jede architektonische Gliederung der Wand, die in den walachischen Kirchenanlagen des 16. Jh.s noch vorherrschend gewesen ist, wird dadurch aufgehoben. Dimitrie Dan, Mănăstirea şi Comuna Suceviţa. Bukarest 1923. Über die Malausschmückung: D. I. Stefănescu, L'évolution de la peinture réligieuse moldave des origines à nos jours: Orient et Byzance, 1928—1929.

 

36. Gheorghe Balş , Bisericile Moldoveneşti din Veacurile al XVII lea şi al XVIII lea. Bukarest 1933, S. 26—33. Die Anlage wird einem griechischen Architekten Dima aus Naxia in Nikomedien(?) ungeschrieben, aber sichere Anhaltspunkte fehlen.

 

 

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Vgl. Karl A. Romstorfer, Die Kirchenbauten in der Bukowina: Mitteilung d. Zentralkomm. f. Denkmalpfl. 1894—1896. S. 30.

 

37. Balş, a. a. O., S. 599 nimmt an, daß ursprünglich die ganzen Langhauswände ähnlich wie in der Dreihierarchenkirche in Jassy reich dekoriert gewesen sind. Stilistisch hängt diese reiche Dekoration des Kuppeltambours mit der walachischen Architektur zusammen (vgl. die Kuppeltamboure in Curtea de Argeş).

 

38. Auch die kleine heutige Friedhofskirche in Dragomirna (Dragomirna mică), die von Crimca errichtet wurde, hat eine polygonal abgeschlossene Vorhalle. Balş, a. a. O., Abb. 23, S. 24—25.

 

39. Die Verquickung zwischen der moldauischen und walachischen Architektur tritt zum ersten Mal in der Anlage zu Golia bei Jassy, errichtet 1584 durch den Fürsten Peter den Hinkenden, in Erscheinung. Die walachischen Tendenzen treten in der Errichtung von zwei Kuppeln (Schiff und Innennarthex) in Erscheinung. In der moldauischen Architektur werden die Kuppeln der Vorhallen unter dem gemeinsamen Dach kaschiert. Das entspricht dem gotischen Stilprinzip. Das Zur-Schau-Tragen von mehreren Kuppeln verrät die byzantinischen Tendenzen. Auch die Blendarkaden, welche in drei Reihen die ganzen Wände mit Ausnahme der Vorhalle bedecken, erinnern an die Bauten von Curtea de Argeș oder Dealu (vgl. Balş, a. a. O., Abb. 2—6). Eine immer stärkere Annäherung auf politischem Gebiet unter Michael dem Tapferen (um 1600), der die beiden Fürstentümer zum ersten Mal vereinigte, hat ihren Niederschlag in der Architektur gefunden.

 

40. In den moldauischen Anlagen der 1. Hälfte des 17. Jh.s treten Turmfassaden häufig auf, z. B. in Barnovschi-Jassy (1627), Barnova (1629) und Nicoriţa (1626—27). Balş, a. a. O., Abb. 129, 135, 137, 143, 145.

 

41. Die Anlage soll von Constantin Basarab stammen. Das Erbauungsdatum ist unbekannt. Der Trikonchos mit fernen farbig wirkenden Blendarkaden würde für das 16. Jh. sprechen. Vgl. die Kirche in Clitura, die aus derselben Zeit stammen dürfte. Ghika-Budeşti, Evoluţia arhitecturii Bd. II, S. 70.

 

42. Eine aufschlußreiche Anlage dieser Art bildet die Dreihierarchenkirche in Jassy (errichtet 1639 von Vasile Lupu). Hier verbinden sich der moldauische Trikonchos, walachische Wandgliederung mit Zweikuppelaufbau und eine reiche byzantinische und islamisierende flächige Ornamentik und siebenbürgische Gotik zu einer Stileinheit. Besonders beachtenswert ist die Zunahme islamischer Motive, die wiederum auf eine stärkere Zunahme der politischen Abhängigkeit von der Türkei hinweisen, von wo vielleicht auch der Architekt stammen dürfte. Es eröffnen sich hier bereits Wege, die später im 18. Jh. in die Phanariotenarchitektur münden. Balș, a.a.O., S. 134—145, Abb. 202—208.

 

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